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Plakatmotiv: West Side Story (1961)

Shakespeare-Drama zwischen
Tanz, Totschlag und Gesang

Titel West Side Story
(West Side Story)
Drehbuch Ernest Lehman & Arthur Laurents & Jerome Robbins
nach dem Musical "West Side Story" von Leonard Bernstein und Motiven von William Shakespeares Drama "Romeo & Julia"
Regie Robert Wise & Jerome Robbins, USA 1961
Darsteller

Natalie Wood, Richard Beymer, Russ Tamblyn, Rita Moreno, George Chakiris, Simon Oakland, Ned Glass, William Bramley, Tucker Smith, Tony Mordente, David Winters, Eliot Feld, Bert Michaels, David Bean, Robert Banas u.a.

Genre Musical, Drama, Crime
Filmlänge 153 Minuten
Deutschlandstart
13. September 1962
Inhalt

Im New Yorker Stadtteil Hell’s Kitchen tobt ein Bandenkrieg zwischen den puerto-ricanischen "Sharks" und den anglo-amerikanischen "Jets". Bei einer Tanzveranstaltung schwillt der Konflikt an, so dass Riff, Anführer der Jets, und Bernardo, Kopf der Sharks, beschließen, sich am nächsten Abend zu einem Kampf zu treffen, der die Fronten klären soll.

Doch auf dem Tanzabend lernen sich auch der ehemalige Jet Tony und Maria, Bernardos gerade erst nach Amerika gezogene Schwester kennen. Sie verlieben sich auf den ersten Blick und wissen doch genau, dass ihre Beziehung keine Chance hat …

Was zu sagen wäre

Das Kino ist der einzige Ort, an dem Liebe auf den ersten Blick und bedingungslos sein und über Leben und Tod hinweg sehen darf. Wenn dann die Geschichte, die von dieser Liebe erzählt, auch noch gesungen und getanzt wird, ist die Kinowelt ganz bei sich. Dieser Film ist die Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks von Leonard Bernstein, welches wiederum auf dem Drama "Romeo und Julia" von William Shakespeare basiert. Ein Shakespeare-Drama zwischen Tanz, Totschlag und Gesang also.

Die Szenerie: zwei Jugendbanden in Hell's Kitchen, die mehr gemeinsam haben als was sie trennt. Die Mitglieder beider Banden fühlen sich von der Gesellschaft ausgegrenzt, verstoßen; die Puerto Ricaner fühlen sich als mittellose Ausländer um gute Jobs und Wohnungen geprellt, die Amerikaner, Kinder aus kaputten Familienverhältnissen mit arbeitslosen Vätern und trinkenden Müttern, fühlen sich allein gelassen in der Welt. Beider Welten sind die mit engem Maschendraht umzäunten Basketballplätze in den Hinterhöfen des Viertels; sie leben, spielen und tanzen da wie hinter Gittern. Beide Gruppen haben aber verinnerlicht, dass man nur den „eigenen Leuten“ vertrauen darf. Also die einen nicht den Amerikanern, die anderen nicht den Puerto Ricanern. Und wo ein äußerer Feind steht, lässt sich die eigene Gruppe besser kontrollieren.

Bernstein hat in Shakespeares Liebesdrama noch eine mit grobem Strich gemalte Sozialstudie eingewoben und seine Figuren dann singen, tanzen und Messer stechen lassen. Robert Wise, der das nun verfilmt hat, hat mit Musicalnummern keine Erfahrung ("Jeremy Rodack – Mein Wille ist Gesetz" – 1956; Der Tag, an dem Erde stillstand – 1951), deshalb sitzt Jerome Robbins mit auf dem Regiestuhl, der wunderbare Tanznummern choreographiert, die über hohe Zäune, dunkle Hausflure, dreckige Hinterhöfe und Mauern führen. In seinen Choreografien legt er nur Wert auf den Fluss der Bewegung, nicht auf den der Schauplätze. Die wechseln häufig mit dem Bildschnitt, der die Tanzbewegung aber nicht unterbricht, nur die Kameraperspektive darauf ändert. Das ermöglicht den Tanzszenen eine hohe Dynamik, die ersten zehn Minuten, in denen wir die beiden Gangs kennenlernen, wird so gut wie nicht gesprochen, aber die Rivalität der beiden Gruppen mit den Mitteln des Tanzes erläutert; selbst eine kurze Prügelei wird getanzt – Ballettkunst auf 70mm-Film. Die Schönheit des Tanzes stört aber das Drama der unerlaubten Liebe.

Wo man singt, da lasse Dich ruhig nieder. Böse Menschen haben keine Lieder. Eben. Und wenn auch noch getanzt wird, was kann da böse sein? Lange Zeit wirkt die Liebesgeschichte innerhalb der verfeindeten Gruppen undramatisch. Die Freundinnen von Maria wirken eigentlich ganz nett und verständig. Die Jungs scheinen mehr mit ihrem Aussehen und der Position in der Gruppe beschäftigt zu sein. Und als dann plötzlich zwei der Jungs aus Messerwunden blutend in der Gosse liegen, passt das im ersten Augenblick da nicht hin. Auch die Feuertreppen, die wie schwarze Knochen an den hohen Hauswänden hängen, die eingezäunten Plätze helfen nicht, um die akute Gefahr in solchen Gegenden spürbar zu machen. Als dann das Drama blutig seinen Lauf nimmt, stört der stete Gesang.

Die Kulissen, by the way, sind eine großartige Arbeit. Ebenso die Kostüme, deren Designer darauf geachtet haben, dass die Hauptfiguren in Primärfarben auftreten – der eine Anführer in gelber Jacke, der andere in schwarz-violetter Kombi – was den latenten Rassismus, den Puerto Ricaner im Song "America" beklagen, im Film sichtbar macht: Plakatmotiv: West Side Story (1961) Die Amerikaner haben die hellen Klamotten, die Latinos die dunklen. Natalie Wood tritt als Maria in einem weißen Kleid in diesen Film. Als sie ihn wieder verlässt, trägt sie ein blutrotes Kleid – aus dem zu Beginn unerfahrenen Mädchen ist eine Frau geworden, die sich im Viertel durchsetzt. Über ihre schauspielerische Arbeit kann ich wenig sagen; in Singspielen auf großer Leinwand ist das dramaturgische Spiel von vornherein limitiert, zudem hören wir nicht sie singen, sondern eine ausgebildete Sopranistin, Marni Nixon, die auch Audrey Hepburn in "My Fair Lady" und Deborah Kerr in Der König und ich mit ihrer Stimme aushalf; wieviel da also rein mimische Technik und wieviel echtes Spiel ist, ist schwer zu sagen. Es überrascht nicht, dass die Hauptdarsteller in diesem mit Oscars überhäuften Film nicht einmal nominiert waren; dass zwei Supporting Actors einen Oscar bekamen, überrascht um so mehr.

Das Finale entfernt sich von Shakespeares morbider Vorlage zugunsten eines Aufrufes zur Völkerverständigung im Melting Pot New York. Nach dem Film gehe ich aber eher beschwingt tänzelnd durch die nächtlichen Gassen meiner Heimatstadt, als dass ich mir aufgrund dieses Films nun schwere Gedanken über Jugendkriminalität in den Städten machen würde.

Wertung: 5 von 7 D-Mark
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