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Plakatmotiv (UK): Jamaica Inn – Riff-Piraten (1939)

Melodramatisches Kammerspiel mit
einem exaltierten Charles Laughton

Titel Riff-Piraten
(Jamaica Inn)
Drehbuch Sidney Gilliat & Joan Harrison & J.B. Priestley
nach einem Roman von Daphne Du Maurier
Regie Alfred Hitchcock, UK 1939
Darsteller

Charles Laughton, Maureen O’Hara, Robert Newton, Leslie Banks, Marie Ney, Horace Hodges, Emlyn Williams, Wylie Watson, Mervyn Johns, Morland Graham, Edwin Greenwood, Stephen Haggard, Hay Petrie u.a.

Genre Abenteuer Crime
Filmlänge 108 Minuten
Deutschlandstart
14. September 1951
Inhalt

Anfang des 19. Jahrhunderts an der Küste von Cornwall: Nach dem Tod ihrer Mutter lebt die junge Waise Mary bei ihrer Tante Patience. Bald findet sie heraus, dass ihr Onkel Joss, der eine verrufene Spelunke namens "Jamaica Inn" bewirtschaftet, eine Bande von Piraten anführt. Die Strandräuber locken fremde Schiffe mit gefälschten Leuchtfeuern in die Nähe der zerklüfteten Küste, um sie anschließend zu plündern.

Als Mary beobachtet, wie die Bande ihr jüngstes Mitglied aufknüpfen will, eilt sie zur Hilfe und zerscheidet die Schlinge. Der Gerettete heißt James Trehearne und entpuppt sich als Regierungsagent, der in die Bande eingeschleust wurde, um sie zu überführen. Gemeinsam gelingt ihnen die Flucht, doch die Piraten sind ihnen dicht auf den Fersen …

Was zu sagen wäre

Das Golden Age Großbritanniens ist stumpf geworden, der Adel degeneriert und pleite, lebt jedoch weiter auf großem Fuß, weil das immer so war und weil das Volk, diese Ansammlung schmutziger, stinkender, dummer Kerle mit ihren andauernd trächtigen Weibern gar nicht weiß, wie richtiges Leben geht. „Wozu brauchen die Geld?“, höhnt Sir Humphrey Pengallan. Plakatmotiv (UK): Riff-Piraten (1939)Die kaufen sich billigen Fusel davon. Wozu soll ich also mehr geben. Ich brauche das Geld dringender. Denn ich weiß, wofür ich es einsetzen kann!

Pengallan, der Friedensrichter und Lehnsherr im südwestenglischen Cornwall ist der Hintermann einer Bande von Piraten, die Schiffe an den Klippen zerschellen lassen, alle Menschen an Bord töten und dann reiche Beute machen. Sir Humphrey finanziert davon seinen ausufernden Lebensstil. Diese Verfilmung eines Romans von Daphne Du Maurier nutzt Regisseur Alfred Hitchcock für eine sarkastische Ohrfeige gegen den englischen Adel und findet – unwillig – die Unterstützung seines Hauptdarstellers Charles Laughton in der Rolle des Sir Humphrey. Laughton spielt seinen Part als blasierten Gockel, der eitel durch sein Anwesen stapft, seine Butler und Diener knechtet und hier und das ein paar Brotkrumen für seine Pächter fallen lässt. Laughton ist ein berüchtigter Perfektionist. Er hat sich eine falsche Nase ankleben lassen, um besser als öliger, aufgeblasener Landjunker durchzugehen, spielt mit bombastischen Gesten und exzentrischen Ticks. Angeblich hat er sich geweigert, beim Gehen oder Stehen gefilmt zu werden, bis er eine bestimmte Bewegung oder Haltung perfektioniert hatte.

Hitchcock kann mit solchen Manierismus nicht umgehen. Er sucht Schauspieler, die eine Funktion ausfüllen. Für Spannung und Thrill sorgt der Regisseur dann durch präzise geplanten Bildausschnitt, Lichtsetzung und Montage. Gegen Laughton konnte er sich nicht zur Wehr setzen. Er ist an der Produktion mit eigenem Geld beteiligt. Und sein Siel schadet dem Film auch nicht, im Gegenteil. Dieser blasierte Sir Humphrey gibt dem melodramatischen Kammerspiel ein monströses Zentrum, das den Film unberechenbar spannend macht. Der Zuschauer weiß viel früher über die wahre Identität des Bösen Bescheid als der Regierungsagent Trehearne, Plakatmotiv (UK): Jamaica Inn – Riff-Piraten (1939)der mit dem vermeintlich integren Friedensrichter die Enttarnung des Hintermannes der Piraten plant, der weiß, wann reiche Schiffe an der Küste vorbei kommen. Aus diesem Spiel mit dem Unwissen zieht der Film ein gehöriges Maß seiner Spannung

xHitchcock erzählt straff, kommt gleich zur Sache. Nach einer viertel Stunde Film sind die Figuren seines Films verteilt und bangen wir mit der ahnungslosen Nichte Mary, wie sie aus diesem Piratennest gesund wieder herauskommen soll. Ich habe den Film erst in den späten 1980er Jahren gesehen, als die Filmdramaturgie Geschichten viel schneller vorantrieb, was zwangsläufig immer mehr Wendungen zur Folge hatte und die Filmtechnik nahezu jede Fantasie realistisch in Szene setzen konnte. Ich war überrascht über die hohe visuelle Qualität dieses Films, der 1939 entstanden ist, und von der beklemmenden Spannung, die er auch 50 Jahre später zwischen Star Wars, Indiana Jones, Die hard und Terminator noch erzeugt.

<Nachtrag1998>Die Kritik ging mit Hitcocks letztem in England gedrehten Film ungnädig ins Gericht. Die New York Herald Tribune schrieb über eine „einzigartige Langeweile und Uninspiriertheit. Charles Laughton zeigt schon fast so etwas wie Verachtung für das Medium Film und begnügt sich stets damit, eine Show abzuziehen, anstatt die emotionalen und psychologischen Faktoren in den Film einzubringen, die zusammengenommen eine gute Darstellung ausmachen. Hier hat er nur eine Selbstdarstellung geliefert und keine gute dazu.

Das Handbuch der katholischen Filmkritik hatte einen „effekthaschend grausamer Abenteuerfilm ohne Qualität“ gesehen.</Nachtrag1998>

Wertung: 5 von 6 D-Mark
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