Nachdem ein deutsches U-Boot im Zweiten Weltkrieg ein US-amerikanisches Passagierschiff torpediert hat, treiben neun Reisende und Besatzungsmitglieder in einem Rettungsboot orientierungslos auf dem Atlantik. Kurz darauf fischen sie einen zehnten Schiffbrüchigen aus dem Meer, einen Deutschen namens Willy, nach eigenen Angaben ein Matrose des ebenfalls gesunkenen U-Boots, in Wirklichkeit aber dessen Kapitän.
Die anfängliche Feindseligkeit gegenüber Willy wandelt sich in vorsichtiges Vertrauen, als dieser einen verwundeten amerikanischen Matrosen versorgt und sich auch sonst als sehr nützlich erweist. Denn als einziger im Boot verfügt er über ausreichende nautische Kenntnisse, um die Schiffbrüchigen sicher zu den Bermuda-Inseln zu navigieren. Durch seine überzeugende Art scheint Willy das Misstrauen der anderen fast vollkommen zu vertreiben – bis sich herausstellt, dass er heimlich einen Kompass besitzt und statt der Bermuda-Inseln ein deutsches Versorgungsschiff ansteuert …
Hinter diesem Kammerspiel im Krieg verbirgt sich ein veritables Sozialdrama. Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammengewürfelt auf einem kleinen Boot mitten im Nirgendwo. Am Anfang die ganz großen Unterschiede, am Ende sind sie alle gleich, sitzen eben alle in einem Boot. John Steinbeck und Jo Swerling haben ihr Script zwar als Kriegsabenteuer angelegt, erzählt aber ein Gesellschaftsportrait.
Die zentrale These dieses dritten Films, den Alfred Hitchcock im tobenden Weltkrieg ansiedelte (nach Auslandskorrespondent und Saboteure), ist die Erkenntnis, dass die Demokratie vom Untergang bedroht ist, solange die Alliierten sich nicht gemeinsam gegen die Tyrannei zur Wehr setzen. Stattdessen würden Uneinigkeit, Eifersüchteleien, Mutlosigkeit und Unentschlossenheit geradewegs in den Untergang führen. Dies versuchte der Film anhand eines Mikrokosmos in einem kleinen Rettungsboot darzustellen.
Der Film steigt mit einem rauchenden Schiffsschornstein ein, der dann im Meer versinkt. Im Hintergrund hören wir Menschen rufen, vor der Kamera schwimmen Obstkisten, Spielkarten und Tische vorbei. Dann findet die Kamera ein Rettungsboot mit einer Frau im Pelzmantel und einer Filmkamera. Nach und nach erreichen Überlebende das Boot; es finden sich Besatzungsmitglieder aus verschiedenen Bereichen des untergegangenen Frachters ein, so entwickelt Alfred Hitchcock nonchalant das Sozialdrama – die Frau im Pelzmantel, eine sarkastisch formulierende Kriegsreporterin, ein Unternehmer, ein Maschinist, eine Küchenhilfe, ein Funker und so weiter. Und der Deutsche ohne Name.
Gleich entbrennt eine heftige Debatte über das Behandeln von Kriegsgefangenen an Bord eines Rettungsbootes. So geht das Dialogreiche Drama immer weiter, dazwischen sterben ein Baby und seine Mutter, ein Bein wird amputiert, die Schicksalsgemeinschaft wird gegeneinander handgreiflich – was man halt so einbauen kann in einen Film, der nur einen, noch dazu sehr kleinen, Schauplatz hat. Die Spannung ergibt sich daraus, dass auch der Zuschauer lange im Ungewissen darüber bleibt, ob Willy ein gutmütiger Mensch oder ein Nazischurke ist. In der Haltung der weiteren Bootsinsassen gegenüber Willy und in ihrem Verhalten untereinander hält der Film der „freien Welt“, deren Handeln von purem Eigennutz bestimmt ist, den Spiegel vor.
Der Film basiert auf einer alten Idee Hitchcocks, einen ganzen Film auf engstem Raum („in einer Telefonzelle“) spielen zu lassen.
Für die Ausarbeitung wollte Hitchcock zunächst Ernest Hemingway gewinnen, der Hitchcocks Filme sehr mochte. Hemingway hatte aber keine Zeit und sagte das Projekt ab. So kam John Steinbeck an Bord, der einige Szenen und ein Drehbuch erstellte, dann aber aus dem Projekt wieder ausstieg, weil er durch die Begrenzung auf einen einzigen Schauplatz keine Möglichkeit der Entfaltung des Dramas sah. Schließlich wurde das Drehbuch von Jo Swerling geschrieben, die Dialoge vor den Dreharbeiten von Hitchcock dann noch einmal vollständig umgeschrieben. Ben Hecht lieferte schließlich noch ein paar Ideen für die Schlussszene.
Die Kinofilme von Alfred Hitchcock
Sir Alfred Joseph Hitchcock KBE (* 13. August 1899 in Leytonstone, England; † 29. April 1980 in Los Angeles, Kalifornien) war ein britischer Filmregisseur, Drehbuchautor, Filmproduzent und Filmeditor. Er siedelte 1939 in die USA über und nahm am 20. April 1955 zusätzlich die amerikanische Staatsbürgerschaft an.
Hitchcock gilt hinsichtlich seines Stils als einer der einflussreichsten Filmregisseure. Er etablierte die Begriffe „Suspense“ und „MacGuffin“. Sein Genre war der Thriller, die wiederkehrenden Motive waren Angst, Schuld und Identitätsverlust. Mehrfach variierte er das Thema des unschuldig Verfolgten.
Hitchcock legte großen Wert auf die künstlerische Kontrolle über das Werk des Autors. Sein Gesamtwerk umfasst 53 Spielfilme und gehört gemessen am Publikumserfolg sowie der Rezeption durch Kritik und Wissenschaft zu den bedeutendsten der Filmgeschichte. Auch dank seiner bewussten Selbstvermarktung zählt Hitchcock heute zu den bekanntesten zeitgeschichtlichen Persönlichkeiten. Er ist dem Autorenfilm zuzurechnen.
Am 3. Januar 1980 wurde er von Königin Elisabeth II. zum Knight Commander des Order of the British Empire ernannt.
- Irrgarten der Leidenschaft (1925)
- Der Bergadler (1925)
- Der Mieter (1927)
- Der Weltmeister (1927)
- Abwärts (1927)
- The Farmer's Wife (1928)
- Leichtebig (1928)
- Champagne (1928)
- The Manxman (1929)
- Erpressung (1929)
- Juno and the Paycock (1930)
- Mord - Sir John greift ein! (1930)
- Bis aufs Messer (1931)
- Mary (1932)
- Endlich sind wir reich (1931)
- Nummer siebzehn (1932)
- Waltzes from Vienna (1934)
- Der Mann, der zuviel wusste (1934)
- Die 39 Stufen (1935)
Geheimagent (1936) - Sabotage (1936)
- Erpressung (1929)
- Jung und unschuldig (1937)
- Eine Dame verschwindet (1938)
- Riff-Piraten / Jamaica Inn (1939)
- Rebecca (1940)
- Der Auslandskorrespondent (1940)
- Mr. und Mrs. Smith (1941)
- Verdacht (1941)
- Saboteure (1942)
- Im Schatten des Zweifels (1943)
- Das Rettungsboot (1944)
- Landung auf Madagaskar (Kurzfilm, 1944)
- Ich kämpfe um dich (1945)
- Berüchtigt (1946)
- Der Fall Paradin (1947)
- Cocktail für eine Leiche (1948)
- Sklavin des Herzens (1949)
- Die rote Lola (1950)
- Der Fremde im Zug (1951)
- Ich beichte (1953)
- Bei Anruf Mord (1954)
- Das Fenster zum Hof (1954)
- Über den Dächern von Nizza (1955)
- Immer Ärger mit Harry (1955)
- Der Mann, der zuviel wusste (1956)
- Der falsche Mann (1956)
- Vertigo - Aus dem Reich der Toten (1958)
- Der unsichtbare Dritte (1959)
- Psycho (1960)
- Die Vögel (1963)
- Marnie (1964)
- Der zerrissene Vorhang (1966)
- Topas (1969)
- Frenzy (1972)
- Familiengrab (1976)