Als vor tausenden von Jahren ein Asteroid auf der Erde einschlug, hinterließ dieser einen tiefen Krater und jede Menge extraterrestrisches Geröll. Dort, im Amerika der 1950er-Jahre, reisen Schüler mit ihren Eltern quer durch das Land in die abgelegene Wüstenstadt Asteroid City, wo der Junior-Stargazer-Kongress stattfindet. Neben den Familien folgen auch Astronomen, Lehrer und das Militär dem Ruf dieses Großevents.
Doch statt des eigentlich geplanten wissenschaftlichen Wettbewerbs kommt es zu unerwarteten weltverändernden Ereignissen, die Chaos und Verwirrung stiften – wie das halt so ist, wenn plötzlich ein Alien auftaucht. Das Militär fackelt nicht lange und erklärt Asteroid City kurzerhand zur Sperrzone …
Beeindruckend an diesem Film sind die Bilder. Wes Anderson hat in seiner ganzen WesAndersonartigkeit ("Isle of Dogs" – 2018; Grand Budapest Hotel – 2014; Moonrise Kingdom – 2012; "Der fantastische Mr. Fox" – 2009; "Darjeeling Limited" – 2007; "Die Tiefseetaucher" – 2004; Die Royal Tenenbaums – 2001; Rushmore – 1998) eine wieder ganz und gar künstliche Welt geschaffen – in Dekors, Kostüm, Farbe und Kleinteiligkeit – in der eine ganz und gar künstliche Geschichte erzählt wird.
Offenbar hatte der Meister des Konfusen Lust, diesmal seine eigene filmtechnische Andersartigkeit ins Schaufenster zu stellen, und beginnt sein Werk mit einem schwarz-weißen Erzähler, der im altmodischen 4:3-Bildformat die Geschichte eines Autors erzählen möchte, der eine Geschichte schreibt. Daraus entstehen dann in quietschbunten Farben im Cinemascope-Format Versatzstücke aus allerlei B-Movies rund um die Alien-betreten-die-Erde-Thematik. Militärs treten auf, die mit Quarantäne-Vorschriften und Waffengewalt für Ordnung und Stillschweigen sorgen wollen; Wissenschaftler, die dem Kinozuschauer – also jetzt dem realen im Kinosessel – normalerweise die astrophysische Komponente näherzubringen versuchen – das sind in diesem Fall hier alles Kinder, die bei einem Wissenschaftswettbewerb in verschiedenen Kategorien Preise gewonnen haben und intelligenter sind, als alle Erwachsenen zusammen. Zusätzlich gibt es einen seit neuestem allein erziehenden Vater von vier Kindern und eine lebensmüde Starschauspielerin, die Gefallen aneinander finden und deren jeweils älteste Kinder nicht nur zu den Preisträgern gehören, sondern sich auch ineinander vergucken – Teenage Love vor dem Hintergrund einer Alien-Invasion, die aus einem stummen, glubschäugigen Alien besteht, das für ein paar Tage den vor Ort für gute Tourismusgeschäfte sorgenden Asteroid entwendet.
Die Figuren in dieser knallbunten Cinemascope-Welt trauen sich selbst nicht über den Weg. Immer wieder bricht die Erzählung und blickt hinter die Kulisse in den schwarzweißen Theaterraum im 4:3-Bildformat, in dem die Schauspieler der Figuren im knallbunten Vordergrund über ihre Rollen diskutieren, an ihren Rollen verzweifeln. Auch der Autor des Stücks ist sich seiner Kunst nicht sicher. Und plötzlich verlassen auch die knallbunten Cinemascope-Figuren ihre Rollen und fragen sich, was sie hier eigentlich spielen.
Das ist bunt anzusehen. Aber ergreifend, packend, mitreißend ist es nicht. Am Ende verlässt auch der geneigte Zuschauer seine Rolle im Kinosessel und fragt, was denn das bitte sein sollte. Scarlett Johansson, die sich irgendwie selbst spielt als Schauspielerin, die Ruhm und Reichtum erreicht hat, ohne daran glücklich zu werden (Black Widow – 2021; Jojo Rabbit – 2019; Marriage Story – 2019; Avengers: Endgame – 2019; Avengers: Infinity War – 2018; Girl's Night Out – 2017; Ghost in the Shell – 2017; Captain America – Civil War – 2016; Hail, Caesar! – 2016; Avengers: Age of Ultron – 2015; Lucy – 2014; Captain America – The Winter Soldier – 2014; Kiss the Cook – So schmeckt das Leben – 2014; Her – 2013; Under the Skin – Tödliche Verführung – 2013; Don Jon – 2013; Hitchcock – 2012; The Avengers – 2012; Wir kaufen einen Zoo – 2011; Iron Man 2 – 2010; Vicky Cristina Barcelona – 2008; Die Schwester der Königin – 2008; Nanny Diaries – 2007; Prestige – Die Meister der Magie – 2006; Black Dahlia – 2006; Scoop – Der Knüller – 2006; Die Insel 2005; Match Point – 2005; "Reine Chefsache" – 2004; Lovesong für Bobby Long – 2004; Das Mädchen mit dem Perlenohrring – 2003; Lost in Translation – 2003; Arac Attack – 2002; Ghost World – 2001; The Man Who Wasn't There – 2001; Der Pferdeflüsterer – 1998; "Wenn Lucy springt" – 1996; "Im Sumpf des Verbrechens" – 1995) deklamiert Sätze, die auswendig gelernt wie zu Zeiten des guten alten Brecht-Theaters klingen.
Jason Schwartzman deklamiert zurück (Grand Budapest Hotel – 2014; Saving Mr. Banks – 2013; Moonrise Kingdom – 2012; Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt – 2010; Rushmore – 1998) und spielt einen tapsig hilflosen Witwer mit vier Kindern, der diese eigentlich nur bei seinem Schwiegervater abgeben möchte, dazu aber seinen Kindern – drei kleine Töchter und ein halbwüchsiger, brillanter Astrophysiker – eröffnen muss, dass deren Mutter seit drei Wochen tot ist. Den abgeneigten Schwiegervater spielt Tom Hanks (Neues aus der Welt – 2020; Der wunderbare Mr. Rogers – 2019; Die Verlegerin – 2017; The Circle – 2017; Inferno – 2016; Der Soldat James Ryan – 1998; Forrest Gump – 1994; Philadelphia – 1993; Splash – Jungfrau am Haken – 1984). Und alle anderen Neben- und Kleinstrollen sind auch mit großen Stars des zeitgenössischen Hollywoodkinos besetzt. Zahlreiche Gesichter, in die man deren aktuelle Verzweiflung hinein interpretieren kann, dass sie keine vernünftigen Rollen mehr im aktuellen Kinogeschäft bekommen, weil nur noch Superhelden- und artverwandte Filme gedreht werden und die deswegen bei dem als "Kultfilmer" apostrophierten Künstler Wes Anderson Unterschlupf suchen, der ihnen kurze Kinomomente anbietet, allerdings keine kohärente Geschichte.
Dafür kann Anderson, der uns mit seinem Film in die Untiefen seines Schaffensprozesses einbeziehen möchte, auf sein Filmplakat lauter Oscar-Preisträger und andere Weltstars schreiben, die womöglich Zuschauer anlocken, die Wes Anderson alleine mit seinen verdrehten Ideen nicht erreichen würde. "Asteroid City" ist ein Wes Anderson-Film, den Wes Anderson machen konnte, weil er einen Oscar-Ruf hat in Hollywood als schräger Vogel und Künstler, der Stars anzieht. Und dabei hat ihm das Studio dann nicht auf die Finger geschaut – vielleicht, weil der Künstler sonst zu Netflix spaziert wäre; der Streaming-Dienst hat ja ein bekannt großes Herz für kommerzielle Künstler, die schon mal Oscars geholt haben. In diesem Fall hatte Wes Anderson rund 25 Millionen US-Dollar Produktionsbudget zur Verfügung. Eingespielt hat sein Film am Ende weltweit rund 54 Millionen Dollar.