Ein Hotel in Tokio. Bob, einst ein gefeierter Hollywoodstar, ist in der Stadt, um zwei Millionen Dollar dafür zu bekommen, sich von einem entfernt an Wim Wenders gemahnenden, japanisch brabbelnden Regisseur Anweisungen geben zu lassen für einen albernen Whiskey-Werbespot. Charlotte ist im Hotel mit ihrem Mann, einem gefeierten Fotografen, der den ganzen Tag nicht da ist, nicht anruft und ansonsten eine alberne Sonnenbrille trägt und schnarcht.
Die Stadt ist fremd. Nicht zu entziffernde Schriftzeichen auf Neon und anderen Lampen weisen einem nicht den Weg. Die Menschen lächeln dich an. Aber sie machen den Eindruck, als würden sie auch lächeln, wenn Du ihnen sagst, du habest gerade deine gesamte Familie in einem Blutbad ausgelöscht und sie mögen sich nun verpissen, diese blöden Reisfresser. Die Menschen sind fremd wie die Schriftzeichen. So treffen sie sich an der Hotelbar. Zwei Einsame, die das Verständnis für die gemeinsame Sprache zueinander treibt. Nichts weiter zunächst. Sie witzeln an der Bar, sie flirten in einem Tanzschuppen und singen Karaoke bei einem Japaner, den sie gerade kennen gelernt haben.
Er erlebt Tage, die ihn wohl an die ersten Jahren seiner Ehe erinnern mögen. Ferne Erinnerungen sind das, heute schickt sie ihm Faxe ins Hotelzimmer, wirft ihm vor, den Geburtstag des Sohnes vergessen zu haben und sich jetzt bitte für die Farbe des Teppichbodens zu entscheiden, der in seinem Büro verlegt werden soll. Er ruft sie an und hat nichts zu sagen. Für sie ist er das mahnende Beispiel, wie es einmal werden wird in ihrer eigenen, noch jungen Ehe. Es sind Tage naiver Unschuld in Tokio.
Und als sie ihn abholt, um in der Sushi-Bar einen zu nehmen, hört sie eine andere unter der Dusche singen. Da hat sie der Alltag der Gefühle eingeholt …
Ein wunderbarer Film. Einfach. Ungekünstelt. Sprachlos wo Bilder mehr erzählen. Ohne Effekthascherei. Ohne Drehbuch … so jedenfalls mag die Natürlichkeit im Spiel der Beiden im Hotel scheinen. Als wäre Sofia Coppola nur zufällig anwesend gewesen und hätte gefilmt, was sie sieht. Der Bildschnitt lässt offen, ob durch krude Montage Anschlussfehler und Vergesslichkeiten beim Dreh kaschiert werden sollten und unterstreichen damit die Zufälligkeit des Gesehenen.
Es gibt wunderbare Blicke – immer wieder – aus dem Hotelfenster, auf dessen Bank sie mit angezogenen Beinen sitzt und in die Leere draußen starrt. Und immer summt irgendwo die Klimanlage. Jeder kennt diese Hotels: schick, elegant, tot. Genau genommen kann die Geschichte auch in Niederbayern spielen; oder in Mecklenburg-Vorpommern; oder in Westfalen.
Bill Murray (Die Royal Tenenbaums – 2001; 3 Engel für Charlie – 2000; Wild Things – 1998; "Agent Null Null Nix" – 1997; Und täglich grüßt das Murmeltier – 1993; "Was ist mit Bob?" – 1991; "Die Geister, die ich rief …" – 1988; "Der kleine Horrorladen" – 1986; Ghostbusters – 1984; Tootsie – 1982; Babyspeck und Fleischklößchen – 1979) ist faszinierend. Allein deshalb schon, weil ich mich frage, ob er sich nicht eigentich selbst spielt. Aber sowas gibt es halt bei Schauspielern, die mal ein paar Hits (Ghostbusters – 1984) hatten und heute eben nicht mehr dauernd ihr Gesicht in die Kamera halten. Schon erscheinen erste Reportagen in deutschen Magazinen über das Werbeengagement amerikanischer Stars in japanischen Anzeigen. Bill Murray hätte am Sonntag, den 29. Februar 2004 in Los Angeles den Oscar für seine Rolle bekommen müssen. Er unterlag Sean Penn (Mystic River – 2003). Das ist wenigstens ehrbar.
Scarlett Johansson ist den Kinder- und Teenager-Rollen (Arac Attack – 2002; The Man Who Wasn't There – 2001; Der Pferdeflüsterer – 1998; "Wenn Lucy springt" – 1996; "Im Sumpf des Verbrechens" – 1995) mit diesem Film entwachsen. Bodenständig, unprätentiös, geradezu provozierend unglamourös gibt sie das ziellose Mädchen mit Unschuldsmine, das auf den sonnenbebrillten Gatten angewiesen ist … da hat jemand eine große Karriere begonnen.
Die Qualität des Films wird einem spätestens am Schluss klar: Wenn Murrays Limousine in den Tokioter Häuserschluchten gen Airport verschwindet, wünscht man sich, er könne bleiben – ausgerechnet in dieser seelenlos erscheinenden, fremdsprachigen Stadt; bei ihr.