IMDB

Plakatmotiv: Lachsfischen im Jemen (2011)

Gefühlvolle Romanze mit lauter
falsch platzierten Lebewesen

Titel Lachsfischen im Jemen
(Salmon Fishing in the Yemen)
Drehbuch Simon Beaufoy
nach dem gleichnamigen Roman von Paul Torday
Regie Lasse Hallström, UK, USA 2011
Darsteller

Ewan McGregor, Emily Blunt, Amr Waked, Kristin Scott Thomas, Catherine Steadman, Tom Mison, Rachael Stirling, Tom Beard, Jill Baker, Conleth Hill, Alex Taylor-McDowall, Matilda White, Otto Farrant, Hamish Gray, Clive Wood, Nayef Rashed, Peter Wight, Waleed Akhtar u.a.

Genre Drama, Romantik
Filmlänge 107 Minuten
Deutschlandstart
17. Mai 2012
Inhalt

Der angelbegeisterte Scheich Muhammed bin Zaidi bani Tihama hat die Idee, im Wüstenland Jemen die Lachsfischerei einzuführen. Dazu ersucht die Finanzberaterin Harriet Chetwode-Talbot von Fitzharris & Price in seinem Auftrag den spröden Fischereiexperten Dr. Alfred Jones um Unterstützung. Der findet den Plan vollkommen absurd und sagt ab.

Aber da bekommt auch die britische Regierung, allen voran die Pressesprecherin Patricia Maxwell, Wind davon. Da dringend gute Nachrichten aus dem Nahen Osten gebraucht werden, übt sie sofort massiv Druck auf Jones’ Chef im Ministerium aus. Jones entwickelt einen utopisch wirkenden, millionenschweren Masterplan und verlangt aus Spaß die Mitwirkung der chinesischen Ingenieure, die am Bau der Drei-Schluchten-Talsperre beteiligt waren. Zu seinem Erstaunen genehmigt die Regierung das Projekt, da der Scheich zahlen wird. Jones, Chetwode-Talbot und Scheich Muhammed verbringen ein Wochenende auf seinem Anwesen in Schottland und sprechen über das verrückte Projekt.

Entfremdet von seiner karrierebewussten Frau, beginnt Jones langsam sich dafür zu begeistern, zumal der Scheich sich nicht als das verwöhnte Luxussöhnchen entpuppt, sondern als vernünftiger Herrscher, der sein Vermögen zum Wohl seines Volkes investieren möchte.

Im Laufe der Planung, das Lachsfischen im Jemen zu etablieren, lernt Jones, welche positiven Möglichkeiten zum Wandel die Vision des Scheichs für dessen Landsleute – wie auch für ihn selbst – mit sich bringen können …

Was zu sagen wäre

Was für eine verrückte Geschichte! Die auch auf den ersten Blick visuell nicht viel verspricht: Lachse? Hauptspielort die jemenitische Wüste mit einem Staudamm? Aber es steht Lasse Hallström als Regisseur auf dem Plakat. Der ist kein Kubrick, kein Spielberg, kein Cameron. Aber seine Filme lassen mich nie kalt, schicken mich meist mit einem guten Gefühl nach Hause (Das Leuchten der Stille – 2010; Ein ungezähmtes Leben – 2005; Schiffsmeldungen – 2001; Chocolat – 2000; Gottes Werk & Teufels Beitrag – 1999; Power of Love – 1995; Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa – 1993; ABBA: Der Film – 1977); erstmal so ganz platt pauschal ausgedrückt.

Zu einer einigermaßen bizarren Ausgangssituation – Fische in der Wüste eben – und einem potenziell werdenden Liebespaar erarbeitet er mit Drehbuchautor Simon Beaufoy eine komplexe Geschichte mit lauter romantischen und melancholischen Höhepunkten und holt sich wunderbare Schauspieler vor die Kamera. Es ist ein Film über die Annäherung des Morgen- und des Abendlandes und darüber, dass die Menschen in den jeweiligen Erdteilen so verschieden gar nicht ticken – mit lauter Lebewesen – Menschen wie Fischen, die nicht an dem für sie vorgesehenen Ort sind.

Das birgt hohes Kitschpotenzial und die Gefahr, in verlogener Pose zu erstarren. Der Araber und Der Westler haben in der aktuellen Weltpolitik wenige freundliche Berührungspunkte. Die vorliegende Geschichte findet einen solchen im Fischen und findet dazu einen westlichen Akteur, der unter dem Aspergersyndrom leidet, der also im vorliegenden Fall nicht ausgesprochen emotional wird, aber begeisterter Angler ist und dabei lediglich das Lachs-Projekt kritisch sieht, im Hader zwischen Orient und Okzident aber keine Aktien hat. Ewan McGregor spielt diesen trockenen Wissenschaftler erfrischend zurückhaltend (Der Ghostwriter – 2010; Männer, die auf Ziegen starren – 2009; Illuminati – 2009; Cassandras Traum – 2007; Die Insel – 2005; Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith – 2005; Big Fish – 2003; Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger – 2002; Black Hawk Down – 2001; Moulin Rouge! – 2001; Das Auge – 1999; Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung – 1999; Lebe lieber ungewöhnlich – 1997; Freeze – Alptraum Nachtwache – 1997; Jane Austens Emma – 1996; Trainspotting – Neue Helden – 1996; "Kleine Morde unter Freunden" – 1994). Als hätte er nur darauf gewartet, kehrt er zu seinen Anfängen im britischen Arthouse-Film zurück. Die Ehe, die er im Film führt, ist ein Film im Film: er als Tweet tragender Lachs-Experte im Ministerium voller intriganter Beamter, sie als aufstrebende, international gefragte Börsen-Expertin, der seltene abendliche Sex ist routiniert und „sollte eine Weile vorhalten“, sagt die viel reisende Geschäftsfrau. Eine erkaltete Ehe, in Ritualen erstarrt, die Dr. Alfred im intimen Dialog mit seinen Koi Karpfen im Garten verarbeitet. Wie dieser Dr. Alfred im Film sich den jemenitischen Fischen, stellt sich McGregor ganz in den Dienst des Films und bietet eine seiner schönsten Darbietungen als Schauspieler seit langer Zeit. Natürlich aber hat er auch eine Spielpartnerin, die herausfordernd ist.

So lange ist Emily Blunt noch nicht im Fokus der breiten Öffentlichkeit (Die Muppets – 2011; Der Plan – 2011; Der Krieg des Charlie Wilson – 2007; Der Teufel trägt Prada – 2006), hat sich im Kino aber schon ein taffes Image erarbeitet; sie lässt ihren Charakteren kein X für ein U vormachen, besteht in diesem Jahr auch noch im Muppets-Kino und eignet sich dann auch noch als Leading Lady in einem romantischen Stoff; denn das ist "Lachsfischen im Jemen" ja neben seinem politischen Anstrich auch noch. Im Laufe des Films muss aus zwei Paaren ein neues Paar werden – das ist nicht wirklich ein Spoiler, auch wenn Hallström allerlei Schlaufen auslegt, in denen sich die Geschichte verheddern und noch eine andere Wendung nehmen könnte; irgendwie ist klar, wie das enden wird (auch das ist übrigens einer dieser Gründe, warum Hallström-Filme meistens ein gutes Gefühl geben: Sie scheren sich nicht um die Drecks-Realität draußen vor dem Kino). Emily Blunt also spielt eine Karrierefrau, die in eine neue Liebe zu einem Soldaten stolpert, darin wieder zum jungen Mädchen wird und es sieht wirklich nach der großen Liebe aus, daran lässt der Film keinen Zweifel. Aber dann wird der Soldat nach einem Einsatz in Afghanistan vermisst und dann ist da eben dieser, nun ja, genetisch bedingt humorbefreite Lachs-Experte, der mit seiner Geradlinigkeit für sich einnimmt und Blunt navigiert durch dieses komplizierte Gefühls-Terrain souverän, glaubhaft und sympathisch.

Die große Weltpolitik bricht doch noch ein in diese Geschichte. Die englische Regierung, verzweifelt auf der Suche nach „mal einer positiven Geschichte aus dem Nahen Osten“ stößt auf das Lachs-Projekt, fördert es, lässt es fallen und intrigiert hässlich in das Leben anderer Menschen hinein – Kristin Scott Thomas (Die Schwester der Königin – 2008; Gosford Park – 2001; Begegnung des Schicksals – 1999; Der Pferdeflüsterer – 1998; Der englische Patient – 1996; Mission: Impossible – 1996; Vier Hochzeiten und ein Todesfall – 1994; Bitter Moon – 1992) hat als Pressesprecherin des Premierministers ein paar schöne Auftritte als divenhafte Strippenzieherin. Auch innenpolitisch ist das Projekt des Scheichs nicht unumstritten, andere Wüstenstämme lehnen es rundheraus ab, westliche Technik und Erfindungen in die von Gott gegebene Landschaft zu stellen und sabotieren das Projekt nach Kräften. Fortschritt ist beim Wüstenvolk nicht gewollt, sagt der Film und stellt dem Zuschauer anheim, dass bei den Scheichs auch alles nicht einfach von Oben herab verordnet werden kann.

Filme wie "Lachsfischen im Jemen" tauchen selten in den jährlichen TopTen-Listen auf, es sei denn, das Filmjahr war wirklich gruselig. Auch, weil die Hauptfiguren und die Titelhelden am Ende alle an dem für sie vorgesehenen Ort leben. Filme wie dieser gehören aber zu diesen Filmen, die berühren, Stoff zum Nachdenken geben und, wenn sie später mal Abends im Fernsehen laufen, freudig überrascht eingeschaltet werden.

Wertung: 6 von 8 €uro
IMDB