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Plakatmotiv: Emma (1996)

Hinreißende Miss Paltrow,
zauberhafte Inszenierung

Titel (Jane Austens) Emma
(Emma)
Drehbuch Douglas McGrath
nach dem gleichnamigen Roman von Jane Austen
Regie Douglas McGrath, UK, USA 1996
Darsteller

Gwyneth Paltrow, Denys Hawthorne, Ewan McGregor, Jeremy Northam, Greta Scacchi, James Cosmo, Toni Collette, Alan Cumming, Juliet Stevenson, Sophie Thompson, Kathleen Byron, Polly Walker, Phyllida Law, Edward Woodall, Brett Miley, Brian Capron, Karen Westwood, Paul Williamson, Rebecca Craig u.a.

Genre Komödie, Drama
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
10. April 1997
Inhalt

Highbury, eine ländliche Gemeinde in England Anfang des 19. Jahrhunderts. Emma Woodhouse ist eine hübsche und gut situierte junge Frau von 21 Jahren. Seit ihre geliebte Erzieherin geheiratet hat, lebt sie alleine mit ihrem Vater auf dem Familiensitz. Gesellige, freundschaftlich zwanglose Nachmittage verbringt sie mit ihrem guten Freund Mister Knightley. Aber die Nachmittage mit ihrer nun verheirateten Erzieherin vermögen diese zwanglosen Treffen nicht zu ersetzen. Um ihren Kummer darüber zu vergessen, möchte sie andere Menschen glücklich machen, und sie beginnt, Freunde und Bekannte zu verkuppeln.

Als jüngstes Opfer hat sie sich die junge Harriet Smith, eine Frau ohne Stand und Bildung, ausgesucht. Der avisierte Ehemann ist der Vikar Mr. Elton. Dieser hat aber kein Interesse an Harriet – sein Herz schlägt vielmehr für Emma selbst. Miss Woodhouse ist darüber wie vom Donner gerührt und beschließt, fortan keine Ehen mehr anzubahnen. Da betritt ein gewisser Frank Churchill die Szene, ein kluger, hübscher und alleinstehender Mann …

Was zu sagen wäre

Kussszenen gehören im Kino unbedingt dazu; und natürlich deren Königsdisziplin: Der erste Kuss. Die Szene, in der Emma Woodhouse endlich ihren wirklichen und einzigen Galan küssen wird, ist wunderbar einfühlsam inszeniert – im Ranking bester Kussszenen ever gebührt ihr ein Top-Ten-Platz. Douglas McGrath, der Regisseur dieser Szene, macht da gar nicht viel Aufhebens drum. Es gibt ein wenig gefühligen Score, den Rachel Portman unauffällig einspielt, keinen dramatisierenden Bildschnitt und Emma sehen wir in der Szene auch nur von hinten. McGrath überlässt da das Feld weitgehend den beiden Akteuren und es ist wunderbar, wie zaghaft sich Emma diesem ersten Erleben nähert, mehrmals zurück weicht, um schließlich doch einen kurzen ersten Kuss zu versuchen, dem dann sicher noch viele weitere folgen werden. Aber die sehen wir nicht.

"Emma" ist ein Film über den Anstand der Menschen Anfang des 19. Jahrhunderts. Da geht es um Regeln und Codes, die den Beteiligten helfen, sich zwischen anderen Menschen und den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten trittsicher zu bewegen. Emma Woodhouse, 21 Jahre alt, zum Beispiel, die keine Ahnung von der Liebe hat, aber liebend gerne andere Menschen verkuppelt, weiß, dass sie selber niemals heiraten wird. Plakatmotiv: Emma (1996) Sie weiß längst, dass die Ehe eine Frau aus Armut und gesellschaftlicher Ächtung holen kann, auf Augenhöhe aber ein Gefängnis ist: „Ich habe nicht die Absicht zu heiraten. Mir mangelt es weder an Vermögen noch an gesellschaftlicher Stellung. Und daher könnte ich in den Augen eines Mannes auch niemals so wichtig sein, wie im Leben meines Vaters. (…) Eine alleinstehende Frau mit Vermögen ist immer achtbar!“ Gwyneth Paltrow ist Emma ("Moonlight & Valentino" – 1995; Sieben – 1995; "Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis" – 1994; Malice – Eine Intrige – 1993; Hook – 1991) und bezaubernd. Mit ihr fühlt man bei diesem Kuss nach knapp zwei Filmstunden mit, sie trägt diesen Film mit Leichtigkeit auf ihren schmalen Schultern, gibt der Titelheldin eine naive Unbedingtheit, die aus charmanter Ahnungslosigkeit knospt.

Das England jener Zeit war, mehr noch als heute, eine Gesellschaft der Standesdünkel. Neben Reich und Arm, Adel und Nicht-Adel gab es noch zig Abstufungen – etwas ärmer, noch etwas ärmer, reich geboren, aber dann durch Schicksal Stand und Vermögen verloren und so weiter – und sie alle geben sich in Jane Austens "Emma" ein Stelldichein bei freundlichen Gesellschaften – „Eine Gesellschaft ist eine Gesellschaft. Aber eine Sommer-Gesellschaft … “ – mit Tee und Gebäck in prachtvollem Ambiente. Nie wird jemand ausfallend, gehässige Spitzen und harte Zurückweisungen werden im vollendeten Ton britischer Noblesse in blumige Worte gekleidet. "Emma" ist ein Dialogfilm der erlesenen Sorte. Bei einer dieser Gesellschaften möchte Emma einem Gespräch lauschen, bei dem der Inhalt eines Briefes verraten wird. Gleichzeitig ringt Mr. Elton um ihre Aufmerksamkeit. Das klingt dann so: „Ms. Woodhouse, ist Ihnen warm genug?“ „Ja, danke.“ „Einige der anderen Damen meinten, es sei Ihnen nicht warm genug.“ „Ich finde die Wärme sehr angenehm. Danke.“ Sie wendet sich wieder dem Briefgespräch zu. Mr. Elton: „Nun, ich bemerkte, wie nah Sie am Kamin stehen und da dachte ich, Ihnen wäre vielleicht zu warm.“ „Mr. Elton, ich bin in einem Zustand vollkommener Gewärmtheit. (…) Wären Sie vielleicht so freundlich, mir etwas zu trinken zu holen. Ein Glas Punsch?“ „Ich hoffe, dass ich diese Aufgabe schnell genug erfülle.“ „Bitte! Ich könnte ihn nicht genießen, wenn ich wüsste, dass Sie sich beeilen müssten.“ Das Drehbuch, das mehr Dialog als Szenenanweisungen enthalten haben muss, glänzt mit schöner Sprache („Ich wäre dankbarer, als Worte es auszudrücken vermögen.“). Kameramann Ian Wilson ("The Crying Game" – 1992; Erik, der Wikinger – 1989) packt diese Dialoge in elegant ausgeleuchtete Säle und sonnenüberflutete Hügellandschaften, in denen wie hingetupft sich eine Picknickgesellschaft vergnügt. 

Einfach ausgedrückt: Diese "Emma" ist ein Volltreffer.

Wertung: 11 von 11 D-Mark
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