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Plakatmotiv: Bitter Moon (1992)

Liebesbeziehungen sind
nichts für Anfänger

Titel Bitter Moon
(Bitter Moon)
Drehbuch Roman Polanski + Gérard Brach + John Brownjohn
nach dem Roman "Bitter Moon" (Lunes de fiel) von Pascal Bruckner
Regie Roman Polanski, Frankreich, UK, USA 1992
Darsteller

Peter Coyote, Emmanuelle Seigner, Hugh Grant, Kristin Scott Thomas, Victor Banerjee, Sophie Patel, Patrick Albenque, Smilja Mihailovitch, Leo Eckmann, Luca Vellani, Richard Dieux, Danny Wuyts, Daniel Dhubert, Nathalie Galán, Eric Gonzales u.a.

Genre Drama, Romanze
Filmlänge 139 Minuten
Deutschlandstart
7. Januar 1993
Inhalt

Eine Mittelmeer-Kreuzfahrt möchte das junge britische Paar Nigel und Fiona dazu nutzen, die emotionslos dahinvegetierende Ehe zu retten. An Bord lernen die beiden den an den Rollstuhl gefesselten Schriftsteller Oscar und dessen attraktive Frau Mimi kennen. Nigel ist hingerissen von der feurigen Schönen, ohne zu ahnen, das Oscar längst ein teuflisches Spiel eingefädelt hat. Er lädt Nigel am ersten Abend in seine Kabine ein, wo er ihm die Geschichte der Beziehung mit seiner Frau erzählt:

Oscar ist nach Paris gezogen, um sich nach mehreren Misserfolgen als Schriftsteller zu etablieren. Eines Tages trifft er bei einer Busfahrt auf Mimi, mit der eine leidenschaftliche Liebesbeziehung beginnt. Aber nach ein paar Wochen wird Mimi für Oscar zunehmend langweilig und schließlich sogar zur Belastung. Als Oscar sich von ihr trennt, kehrt Mimi dennoch zu ihm zurück, sie beschwört ihn, dass sie ohne ihn nicht leben könne und um jeden Preis bei ihm bleiben wolle. Oscar willigt ein, behandelt sie aber schlecht und demütigt sie in aller Öffentlichkeit, um sie wieder loszuwerden. Als sie von ihm schwanger wird, macht er ihr klar, dass er ein schlechter Vater wäre. Mimi lässt eine Abtreibung vornehmen. Als sie genesen ist, schenkt ihr Oscar eine gemeinsame Flugreise in die Karibik, verlässt das Flugzeug jedoch kurz vor dem Start wieder.

Plakatmotiv (UK): Bitter Moon (1992)Fiona und Nigel, zunächst nur Zuhörer, werden auf der Kreuzfahrt zunehmend mit in Oscars Erzählungen und Mimis aufdringliches Auftreten einbezogen.

In Paris stürzte sich Oscar wieder ins Nachtleben und hatte über die folgenden Jahre zahllose One-Night-Stands, bis er bei einem Verkehrsunfall verletzt wird. Mimi ist inzwischen zurückgekehrt und besucht ihn überraschend im Krankenhaus. Sie stürzt den mit einem gebrochenen Bein fixierten Oscar aus dem Bett, so dass er von der Hüfte abwärts gelähmt ist. Oscar sitzt nun im Rollstuhl und ist ganz auf ihre Hilfe angewiesen. Mimi beginnt nun damit, sich an ihm zu rächen.

Nigel scheint sich trotz der Erzählungen und der Warnungen von Oscar inzwischen in Mimi verliebt zu haben und tanzt mit ihr auf einer Silvesterparty. Fiona, die von Oscar herbeigeholt wurde, beobachtet die Szene. Sie ist von Nigel enttäuscht und tanzt nun selbst mit Mimi, wobei sie sich näherkommen. Als es auf See zunehmend stürmisch wird, endet die Party vorzeitig. Fiona verlässt die Feier zusammen mit Mimi. Nigel zieht sich frustriert in seine Kabine zurück, um sich zu betrinken …

Was zu sagen wäre

Was sind Lebenslügen wert? Betrachten wir Nigel und Fiona, das etwa steife britische Börsenehepaar auf Honey Moon nach sieben Jahren etwas spröder Beziehung, bin ich versucht zu sagen: eine Menge. Die beiden kennen sich, sie mögen sich, respektieren einander. Könnten locker zwanzig Jahre vertraut ihr Leben teilen und vielleicht länger. Er will keine Kinder. Das wird als Problem angedeutet. Aber für Kinder braucht es Sex, und den stelle ich mir nicht besonders vor, eigentlich gar nicht, wäre da nicht das andere Paar, das sich über seinen Sex, über Leidenschaft definiert. Und Nigel in Unruhe versetzt. Und plötzlich meint Nigel, der tapsige Brite, etwas verpasst zu haben, glaubt, sein sortiertes Leben mit Leidenschaft auf den Kopf stellen zu müssen.

Die Geschichte, die Oscar ihm da an langen Nachmittagen über sich und seine Mimi erzählt, und die wir auf der Leinwand in Rückblenden, kommentiert in dramatisch formulierten Sätzen Oscars aus dem Off, verfolgen, ist aber auch zu süffig. Bald ist nicht mehr klar, ob eigentlich ein Wort von dem wahr ist, was Oscar da erzählt, weil das alles klingt wie eine feuchte Männerfantasie aus dem Lore-Roman: Mittelalter Mann, Erbe, unveröffentlichter Schriftsteller, erobert junge, heißblütige Frau, sie haben leidenschaftlichen Sex, wochenlang, sie reden nicht viel, sind sich selbst genug – so stellen sich manche Männer wohl die perfekte Beziehung vor. Irgendwann wird dem Schriftsteller klar, dass seine Geliebte ihm intellektuell nicht das Wasser reicht, wobei ihm klar ist, dass auch er selbst seinen Ambitionen längst nicht mehr das Wasser reichen kann. Und als er seine Mimi endlich los ist, vögelt er sich wieder durch die Nachtclubs und lässt es mit der Schreiberei bald ganz; das Erbe seines verstorbenen Vaters scheint üppig zu sein.

Plakatmotiv (US): Bitter Moon (1992)Roman Polanski ist kein Typ für die geile Männerfantasie (Frantic – 1988; Piraten – 1986; "Tess" – 1979; Der Mieter – 1976; Chinatown – 1974; "Was?" – 1972; Macbeth – 1971; Rosemaries Baby – 1968; Tanz der Vampire – 1967; "Wenn Katelbach kommt …" – 1966; Ekel – 1965). In seinem letzten Film, dem Thriller Frantic, ließ er Harrison Ford durch Paris stolpern, um seine verschwundene Ehefrau wieder zu finden, mit der ihn eine über Jahre gewachsene Vertrautheit verbindet. Diesmal zerlegt er die Vision eines solchen Glücks. Denn Mimi kehrt zurück und rächt sich fürchterlich. Aus dem süffigen Lore-Roman für Männer wird ein Albtraum für Männer, in dem die Frau Fratze zeigt. Der Honey Moon des einen Paares – Nigel & Fiona – ist der Bitter Moon des anderen – Mimi & Oscar – und wird auch für Nigel & Fiona zur Bewährungsprobe.

Was zählt für eine gute Liebesbeziehung? Geld? Haben beide Paare. Leidenschaft? Haben Nigel und Fiona eher begrenzt, das aber seit sieben Jahren konstant. Die Leidenschaft des an den Rollstuhl gefesselten Oscar hat sich längst in Zynismus und Weltekel aufgelöst, dennoch wirkt die Beziehung in gewisser Weise feurig. Polanski insziert nach "Frantic" ein zweites Mal seine Frau Emmanuell Seigner. War sie vor vier Jahren die burschikose streetwise woman, die in Lack und Leder Harrison Ford auf die detektivischen Sprünge half, zeigt Roman Polanski (Jahrgang 1933) seine Ehefrau (Jahrgang 1966) jetzt in bemerkenswert freizügigen Szenen mit Peter Coyote (Jahrgang 1941). Das gibt dem Film auf der Metaebene ein schweres Gewicht: Was will uns Polanski hier wirklich erzählen? So gierig, wie die Kamera die Sexszenen seiner Frau mit Coyoty ("Das Messer" – 1985; E.T. – Der Außerirdische – 1982) aufsaugt, sehen wir hier mehr, als einfach eine DramaThrillerRomantik. Da schwimmt die Angst des alternden Mannes mit, sich selbst nicht zu genügen.

Wenn der Abspann läuft, das große Kreuzfahrtschiff dem Sonnenuntergang entgegenfährt, sitzen wir angeschlagen im Kinosessel. Polanski hat ins Schwarze getroffen. Seinen Film auf die Groschenheft-Romantik von Oscars Erzählung zu reduzieren und deshalb zu vernachlässigen, läuft ins Leere. Es bleibt im Vagen, wie sich die Geschichte zwischen Mimi und Oscar in Wahrheit zugetragen hat und die Frage, was wirklich wichtig ist für eine Beziehung, beantwortet auch das dramatische Finale nicht. Aber unberührt lässt der Film keinen das Kino verlassen.

Wertung: 9 von 10 D-Mark
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