Für die junge amerikanische Anhalterin Nancy wird die Italienreise zum verstörenden und bizarren Trip in die Abgründe menschlicher Sexualität.
Nachdem sie beinahe vergewaltigt worden ist, landet sie mit Hilfe einer kleinen Seilbahn in einer exklusiven Villa. Alle schlafen, als sie dort mitten in der Nacht ankommt. Der Hausdiener wird vom Wachhund geweckt und empfängt Nancy ohne Weiteres und ohne nachzufragen. Er zeigt ihr direkt ihr Zimmer, obwohl sie gar nicht erwartet wurde …
Okay: Sydne Rome hat ein schönes Gesicht. Dass Filmregisseure so ein Gesicht vor ihrer Kamera haben wollen, ist nachvollziehbar – Film ist ein visuelles Medium. Im vorliegenden Fall heißt der Regisseur Roman Polanski. Der ist seit Mitte der 60er Jahre aufregendes Mitglied im Kreis der großen Filmemacher (Macbeth – 1971; Rosemaries Baby – 1968; Tanz der Vampire – 1967; "Wenn Katelbach kommt …" – 1966; Ekel – 1965).
Doch dann kam der Schock. Der brutale Mord an seiner Frau Sharon Tate durch Charles Manson zerrte den Regisseur in den Mittelpunkt des Interesses eines ganz anderen Teils der Öffentlichkeit. Der Boulevard berichtete ausgiebig über die Mordtat. Polanski antwortete als Regisseur mit Macbeth und es wirkte, als hätten sich da ein blutrünstiges Stück und ein blutrünstiger Regisseur gefunden. Für viele Experten war das auch eine filmische und persönliche Verarbeitung des realen Schreckens, den Polanski in diesen Jahren durchlebte.
Und dann kommt dieser Film: "Was?" Eine Komödie, ein surreales Stück Kino vor attraktiver Kulisse. Die junge Nancy entkommt zu Beginn des Films einer Vergewaltigung. Sie flüchtet sich in die blumengeschmückte, über den Klippen des Mittelmeers thronende Villa eines reichen, aber sterbenskranken Kunstsammlers. Dort trifft sie: einen alternden Gigolo mit Zuhälter-Vergangenheit, ein liebeshungriges Pärchen, einen müden Koch, zwei lesbische Frauen, einen wütenden Hausangestellten, der ständig mit einer geladenen Harpune herumfuchtelt, und weitere extravagante Charaktere. Mehr passiert nicht. Sidne Rome läuft die Hälfte des Films nackt vor der Kamera herum, es gibt Dialoge, die es auch nicht hätte geben müssen, so sinnbefreit sind sie.
Ich kann nicht ausschließen, dass Polanski mit Chiffren arbeitet. Es wirkt, als arbeite er mit Zitaten, Anspielungen und Verweisen in Kunst und Pop-Kultur, in Malerei und Popmusik. Aber mir fehlen, wenn das so ist, die Kenntnis der Originale.
Zu sehen bekomme ich eine junge Frau in einem schicken Anwesen, in dem lauter seltsame Typen herum schweben. Zumindest die Männer sind durch die Bank triebgesteuert, auch wenn sie sich als honorige Sammler elitärer Kunst zu erkennen geben. Im Grund wollen sie alle nur bumsen. Vielleicht ist das Polanski Antwort auf sein persönliches Drama. Er hat keine Lust, eine stringente Geschichte zu erzählen, er will der grausamen Welt eine luftig leichte Sommerkomödie entgegenstellen und verstrickt sich in den Manierismen des europäischen Kunstkinos, in welchem eine nachvollziehbare Story nicht die Hauptrolle spielt.
Ein bisschen mehr Inhalt wäre dann doch schön gewesen, denn eine Sidne Rome im Oberteil eines Männerpyjamas, die durch eine Traumkulisse stakst, macht noch keinen Film. Aber das weiß Polanski wohl auch selbst. Denn wieso heißt sein Film, wie er heißt? Im Finale flieht Nancy aus dem Anwesen in einem Schweinetransporter. Alex, der ehemalige Zuhälter will sie aufhalten: „Du sollst warten!“ „Ich kann nicht!“ „Warum nicht?“ „Weil sonst der Film nicht zu Ende geht!“ „Welcher Film denn?“ „Dieser Film!“ „Wir sind Bestandteil einer Szene!“ „Was?!?“ „Ganz recht, das ist der Titel des Films!“
Genau! Und wäre Nancy nicht geflohen, hätte Polanski keinen Film gehabt.
Oder ..?