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Plakatmotiv: Chisum (1970)

Mitreißender Western um
historische Figuren herum

Titel Chisum
(Chisum)
Drehbuch Andrew J. Fenady
Regie Andrew V. McLaglen, USA 1970
Darsteller

John Wayne, Forrest Tucker, Christopher George, Ben Johnson, Glenn Corbett, Andrew Prine, Bruce Cabot, Patric Knowles, Richard Jaeckel, Lynda Day George, Geoffrey Deuel, Pamela McMyler, John Agar, Lloyd Battista, Robert Donner u.a.

Genre Biografie, Western
Filmlänge 111 Minuten
Deutschlandstart
1. Oktober 1970
Inhalt

Nach dem Ende des Bürgerkrieges beginnt im Jahr 1878 der Lebensstandard in New Mexiko langsam wieder zu steigen. John Chisum ist Rancher und bewirtschaftet ein sehr großes Gebiet. Alle Nachbarn kommen gut miteinander aus, nur Lawrence Murphy möchte sich durch skrupellose Taten das Land der Anderen einverleiben. Dafür schreckt er auch vor Gewalt nicht zurück und wird dadurch auch noch durch örtliche Ganoven und den Sheriff gedeckt.

Gemeinsam mit seinen Verbündeten Tunstall will Chisum den Gangstern Einhalt gebieten. Doch es kommt zum offenen Kampf, den die beiden niemals gewinnen können. Da bekommen sie Hilfe von unerwarteter Seite, Billy the Kid und Pat Garrett schließen sich den beiden Farmern an, doch da ist es schon fast zu spät und Blut ist geflossen. Die Situation droht außer Kontrolle zu geraten …

                                        Plakatmotiv (US): Chisum (1970)

Was zu sagen wäre

Was in diesem Film passiert, ist in seinen Grundzügen eine wahre Geschichte. die Hauptfiguren hat es alle gegeben. Hollywood und John Wayne haben die Geschichte des Lincoln County War von 1876 ihren dramaturgischen Bedürfnissen angepasst. zum Beispiel wurde aus einer tragenden Nebenfigur, Chisum, die Hauptfigur. Weil die eigentliche Hauptfigur, John Tunstall, bald erschossen wurde. Es ging um Weiderechte, geschäftliche Interessen und politische Kontrolle in Lincoln, New Mexico, wo sich zwei Geschäftsleute Konkurrenz machten. Lawrence Murphy besaß eine Ranch, ein großes Warenhaus, ein Hotel und einen Saloon in der Stadt. Zu seinen Partnern gehörte unter anderem Sheriff William Brady. Zur Gegenpartei gehörten der Engländer John Tunstall, der Rechtsanwalt Alexander McSween, der auch ein Warenhaus betrieb und John Chisum, Besitzer einer großen Ranch am Pecos River. Ihren Anfang nimmt hier auch die Geschichte des Henry McCarty (alias William H. Bonney), besser bekannt unter dem Namen "Billy the Kid", und die seines Kumpans und späteren Jägers Pat Garrett. Der Lincoln County War ist in die Geschichte eingegangen als einer der selbst für Wildwest-Verhältnisse blutigsten Kämpfe jener Zeit.

Hollywood und John Waynes Produktionsgesellschaft Batjac machen aus diesem nach Kino schreienden Stoff einen Familienfilm, ein Drama um Recht und Gerechtigkeit und ein Duell zweier Konzerne, die um Platz 1 streiten. Anders ausgedrückt: Sie machen einen Western alter Schule. Zehn Jahre nach Ende des verheerenden Bürgerkriegs ist das Land im Wandel. Der Gesetzlosigkeit treten immer stärkere legislative Strukturen entgegen, Gouverneure sorgen für die Einhaltung von Standards, Sheriffs für Ordnung. Plakatmotiv (US): Chisum (1970) Viehbarone sind Arbeitgeber und Landentwickler. In deren Umfeld lassen sich Geschäftsleute nieder, die Haushaltswaren anbieten. Es entstehen zivile Strukturen. Aber der Kampf der Großen ist nicht vorbei. Wer viel Land besitzt, ist noch nicht der unumstrittene Herrscher darüber.

In Andrew V. McLaglens Western (Die Unbesiegten – 1969; Bandolero – 1968; Der Weg nach Westen – 1967; Der Mann vom großen Fluss – 1965; McLintock – 1963) bekommt Großgrundbesitzer John Chisum Probleme durch jenen Lawrence Murphy, der die an Chisums Land angrenzende Stadt unter seine Kontrolle bringt, in dem er dort alle Geschäfte übernimmt – Haushaltswaren, die Bank, die Ställe – und dann versucht, mit fragwürdigen Mitteln sich auch Chisums Land unter den Nagel zu reißen. Insofern erzählt McLaglens Film weniger die historische Geschichte, als einen klassisch us-kapitalistischen Kampf: Für zwei Supermärkte ist kein Platz in der kleinen Stadt. Dabei verkörpert John Waynes Chisum den mächtigen, aber altruistischen Rancher, während Lawrence Murphy den üblen Ur-Kapitalisten darstellt, der so viel Land wie möglich an sich reißen möchte, um dort ein Machtzentrum zu errichten, in dessen Zentrum er die Spinne im Netz ist.

Darum herum positioniert McLaglen die Figuren nach dramaturgischem Gusto. William Bonney – Billy the Kid – ist ein leicht überdrehter Revolverschütze, aber eigentlich ein ganz netter Kerl, den nur seine psychischen Reflexe aus der Bahn werfen. Die Rivalität zu Pat Garrett, der hier noch ein Kumpel ist, stellt der Film über ein Mädchen her, John Chisums Nichte, deren Funktion in diesem Film damit hinreichend erschöpft ist: Sie findet Billy the Kid toll, versteht aber, dass sie langfristig mit einem wie Pat Garrett besser dran ist – auch die populäre Geschichtsschreibung fand die historische Figur des Viehdiebs und Killers Billy the Kid toll, weil der Gründe hatte zu handeln wie er handelte, versteht aber, dass die Gesellschaft langfristig mit einem wie Pat Garrett, der zum Sheriff berufen wurde, besser dran war.

In diesem auf historischen Tatsachen basierenden Film hätte es diese historischen Tatsachen ohne den bärbeißigen Charme des alternden John Chisum, dem hier der alternde John Wayne sein Gesicht leiht, nicht gegeben (Die Unbesiegten – 1969; Der Marshal – 1969; Die grünen Teufel – 1968; Die Gewaltigen – 1967; El Dorado – 1967; Die vier Söhne der Katie Elder – 1965; Held der Arena – 1964; McLintock – 1963; Der längste Tag – 1962; Hatari! – 1962; Der Mann, der Liberty Valance erschoss – 1962; Das war der Wilde Westen – 1962; Die Comancheros – 1961; Land der 1000 Abenteuer – 1960; Alamo – 1960; Rio Bravo – 1959; Der letzte Befehl – 1959; Der schwarze Falke – 1956; Der See-Fuchs – 1955; Man nennt mich Hondo – 1953; Rio Grande – 1950; In letzter Sekunde – 1949; Der Teufelshauptmann – 1949; Red River – 1948; Die Freibeuterin – 1942; Ringo – 1939; Westwärts! – 1935).

John Wayne enters the Saloon … the Electric Piano stops playing. Das ist so ein Satz, der um die Wende der 60er zu den 70er Jahren aufkam, und "Chisum" ist der Film dazu. Der alte Held, der seinen Traum von einer schönen Ranch mit zufriedenen Mitarbeitern lebt, sammelt seine loyalen Männer um sich, um gegen einen kalten Kapitalisten zu Feld zu ziehen. Und liefert dem Kino den härtesten Showdown seit der Schießerei am OK Coral. "Chisum" ist ein mitreißender Western, der für die Durchsetzung des Rechtes ohne Gewalt eintritt und dazu animiert, sich mal in Büchern mit den historischen Begebenheiten rund um den Lincoln County War und jenem Billy the Kid zu beschäftigen, dem man mitunter im Karneval begegnet.

Wertung: 7 von 8 D-Mark
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