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Plakatmotiv: Death Proof – Todsicher (2007)

verkratzt, schmutzig, hemmungslos
Tarantino im Bahnhofskino der 70er

Titel Death Proof – Todsicher
(Death Proof)
Drehbuch Quentin Tarantino
Regie Quentin Tarantino, USA 2007
Darsteller

Kurt Russell, Rosario Dawson, Vanessa Ferlito, Jordan Ladd, Rose McGowan, Sydney Tamiia Poitier, Tracie Thoms, Mary Elizabeth Winstead, Zoë Bell, Michael Parks, James Parks, Quentin Tarantino, Monica Staggs u.a.

Genre Action
Filmlänge 113 Minuten
Deutschlandstart
19. Juli 2007
Inhalt

Texas. Hier sind die Straßen lang und einsam. Das ideale Jagdrevier für Serienkiller Stuntman Mike. Mit seinem Muscle Car macht Mike Jagd auf hübsche, junge Mädels.

Die drei Freundinnen Arlene 'Butterfly', Shanna und 'Jungle Julia' wollen das Wochenende in einem Haus am See verbringen, vorher aber noch in einer Bar abfeiern. Dafür haben sie sich auch etwas besonderes ausgedacht, denn Jungle Julia hat in ihrer Radioshow dem ersten Mann, der Butterfly eins ausgibt, ein besonders exquisites Bonbon versprochen.

Doch die Mädels geraten an Stuntman Mike, der sich seinen ganz eigenen Spaß vom Abend verspricht. Sie trinken, flirten und albern herum, nicht ahnend, dass der Tod schon lauert.

Einige Zeit später genießen vier andere Frauen ihre freie Zeit. Zoë, Kim, Lee und Abernathy arbeiten beim Film und haben für ein paar Tage drehfrei. Bei einem Highspeed-Spielchen stößt das Frauen-Trio auf Mike. Doch diese Girls durchschauen schnell, mit welchem Typen sie es zu tun haben. Sie drehen den Spieß um und gehen zum Angriff über …

Was zu sagen wäre

Quentin Tarantino und Robert Rodriguez haben einen Film in epischer Länge gedreht, eine Hommage an die "Grindhouse" genannten Kinos, die in den 60er Jahren Double Features mit B-Filmen anboten – zwei Filme zum Preis von einem, dafür nur Filme aus der B-Klasse. Der Film der beiden Regisseure, Grindhouse betitelt, besteht aus zwei in sich abgeschlossenen Geschichten. Robert Rodriguez zeigt in Planet Terror einen Zombiefilm, daran anschließend übernimmt Quentin Tarantino mit dem vorliegenden Film. Weil der Film in dieser Form in den USA nicht so gut ankam – viele Zuschauer wussten nichts über "Grindhouses" und über "Double Features" und verließen nach Planet Terror ahnungslos, dass da noch was kommt, das Kino –, wurden beide Einzelfilme, ursprünglich keiner länger als 90 Minuten, jeweils auf abendfüllend aufgeblasen. In Europa werden sie nun einzeln vermarktet.

                          Kinoplakat: Grindhouse-Double-Feature

Sexualität und Brutalität ohne jede Zensur

Tarantino hatte das spezielle Kinofeeling jener Häuser schon in Kill Bill aufblitzen lassen. Auch da kündigte ein verkratzter Introbumper „Our Feature Presentation“ den Film an, bevor der eigentlich Vorspann begann. Dieser Introfilm taucht auch in Grindhouse bei einer Trailershow wieder auf.
Tarantinos Film ist eine Hommage an die Auto-Filme jener Zeit. Sein Film, der in der Grindhouse-Fassung an zweiter Stelle steht, macht in Deutschland im Juli 2007 den Anfang – in Europa ist Tarantinos Name zugkräftiger als der seines Kumpels Robert Rodriguez, der erläutert: „Für Stars reichte das Budget nicht. Also musste der Film selbst Interesse wecken und Elemente enthalten, die es in Studiofilmen nicht gab. Action, Gewalt. Sex. Hauptsache schräg, um das Publikum ins Kino zu locken.“ Tarantino spricht von einer „Hommage an die Schrottfilme meiner Kindheit” und meint Filme wie Fluchtpunkt San Francisco oder "Frankensteins Todesrennen". „Die Möglichkeiten, die man hatte, weil man nicht zum Mainstream zählte, waren unglaublich! Sexualität und Brutalität ohne jede Zensur. All das Blut … Es gibt Szenen, da muss man sich kneifen, um zu glauben, was man sieht. So habe ich mir immer Kino vorgestellt.“ Umso erstaunlicher ist es, dass er diese vermeintlich simplen Grundsätze auf seinen Teil des Gindhouse-Projekts nicht angewandt hat.

Was wir sehen, ist ein klassisches Tarantino-Movie mit elaborierten Dialogen, die kein Ende nehmen sollen, so schön, wie sie sind. In diese Dialoge hat er die spezielle Autodramaturgie eingebettet, die in den 60ern eine Rolle gespielt hat, seine Protagonistinnen outen sich als Fans von Filmen wie Bullitt, "Kesse Mary – Irrer Larry" oder Blechpiraten. Aber mit jedem Satz, mit dem Tarantinos Protagonistinnen diese Filme beschwören, widersprechen sie dem Grindhouse-Projekt. Frauen und – vor allem – Männer waren in diesen Filmen keine Wortakrobaten, keine Schwafler. Sie hatten einen Job zu erledigen. Und den erledigten sie. Punkt. Schlecht geschnitten, unsauber gefilmt. Aber der Job wurde erledigt. Ohne viele Worte. In Tarantinos Kino wird aber andauernd geredet. Sein Film besticht durch geschwätzige Kaffeeklatsch-Tanten.

Tarantino lässt lieber Girls als Boys zu Wort kommen

In Tarantinos Vorbildfilmen musste ein Auto in kürzester Zeit quer über den amerikanischen Kontinent gejagt werden; es mussten binnen kürzester Zeit Modelle verschiedener Luxuxmarken aus den schwer bewachten Garagen  mächtiger Männer gestohlen werden. Diese klare Struktur erlaubte inhaltliche Leerstellen. Die Richtung, das Ziel war klar und da mussten hier mal eine Sexszene, da mal ein Werkstattschnack die Filmminuten strecken, um allein von der Filmlänge her für Kinos interessant zu werden. DVD-Cover: Death Proof – Todsicher (2007) Bei Tarantino will einfach nur eine Stuntfrau mal bei Höchstgeschwindigkeit auf der Motorhaube eines 1970er Dodge Challenge (passend zu Fluchtpunkt San Francisco) liegen – und das aber auch erst nach einer Stunde Filmzeit. So lange beherrscht Stuntman Mike die Dramaturgie – ein wenig.

Erst einmal stellt der Film uns drei junge Frauen vor, die ein „Wochenende in Daddys Haus am See“ planen. Ohne Männer. Nur die Mädels, ausreichend Drinks. Und vielleicht ein paar Joints; das sollen die nächsten Stunden klären. Wie in Kill Bill horcht Tarantino auch diesmal lieber den Frauen. Die sitzen beieinander und reden ununterbrochen darüber, wen, sie, ob sie und wann sie wen gevögelt, gepimpert, gebumst haben und welche Autos sie schätzen. Das sind, wie immer bei Tarantino, unterhaltsame Dialoge, vor allem im zweiten Filmteil, wenn Abernathy, Lee, Zoë und Kim sie sprechen. Aber unabhängig davon, ob Frauen im richtigen Leben solche von Männern geschriebenen Dialoge sprechen, sie treiben die Handlung nicht voran.

Nach 55 Minuten beginnt der Film von vorn

Der Film geistert in seinen Spulen herum und findet die Ausfahrt zur Story nicht. Diese Ziellosigkeit gab es in den zitierten Filmen immer mal, wenn nur Geld für einen großen Stunt da war. Nachdem wir uns an die jungen Frauen gewöhnt haben, die, naja, ganz sympathisch sind und, weil sie von Quentin Tarantino dirigiert werden, sicher auch wichtig sind für die Handlung, die da demnächst beginnen wird, sich in eine Kneipe setzen und sich mit "Wild Turkey" abfüllen lassen, erkennen wir am Rand der Leinwand einen alternden Mann, der aussieht wie Kurt Russell (Poseidon – 2006; Vanilla Sky – 2001; Crime is King – 2001; Star Force Soldier – 1998; Breakdown – 1997; Flucht aus L.A. – 1996; Einsame Entscheidung – 1996; Stargate – 1994; Fatale Begierde – 1992; Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen – 1991; Tango und Cash – 1989; Tequila Sunrise – 1988; Big Trouble in Little China – 1986; Das Ding aus einer anderen Welt – 1982; Die Klapperschlange – 1981), der das feucht-fröhliche Treiben heimlich beobachtet. Der ist ein Stuntman am Ende seiner Karriere – keiner der ProtagonistInnen kennt einen der Filme, in denen er gedoubelt hat – und macht sich einen Spaß daraus, junge Frauen buchstäblich zu Tode zu ängstigen. Da ist der Film 45 Minuten alt (in der Grindhouse-Version ist er an dieser Stelle rund drei Minuten kürzer). Kurt Russell, der Stuntman Mike, und die "Girls" lernen sich ein bisschen kennen, er flirtet, sie machen sich über den Alten lustig, alle steigen ins Auto. Und sind ein paar Minuten später tot. Alle. Tarantino doubelt Hitchcocks Psycho-Effekt: Nach 55 Minuten werden die vermeintlichen Hauptdarstellerinnen aus dem Film genommen. Es kommen neue. Und das Spiel beginnt von vorn.

Den vier neuen "Girls" (sie werden im Vorspann so genannt) – zwei Stuntfrauen, eine Make-Up-Frau und eine Schauspielerin – gehört der bessere Teil des Films. Auch sie reden ununterbrochen, erst im Auto, dann in einem Diner, dann bei einem sein Auto verkaufenden Farmer. Und dann schlägt Stuntman Mike wieder zu. Hier unterstreicht Tarantino seine zweite Begabung neben dem Schreiben lebendiger Dialoge. Die Schlacht der beiden Autos, der Girls gegen Stuntman Mike auf den Landstraßen ist entfesseltes Karacho, pure kinetische Energie – spannend, irre, elektrisierend, weil auf der Motorhaube des attackierten Autos Zoë liegt, die Stuntfrau, die das einfach mal auf einem Dodge Challenge machen wollte. Zoë wird gespielt von Zoë Bell, einer echten Stuntfrau, die Sachen wie diesen Ritt auf der Motorhaube als Beruf macht. Entsprechend nah kann Tarantino mit der Kamera ran, muss nicht kaschieren, dass auf der Motorhaube eine Stuntfrau eine Schauspielerin doubelt.

Die Autojagd ist einer der Höhepunkte im Actionkino 2007. Vor diesen hat Tarantino den Magic Moment seines Films gesetzt: die vier sitzen in einem Diner und unterhalten sich über zurückliegende Unfälle beim Spaziergehen, über Autos, Schusswaffen, den Umgang mit aufdringlichen Männern und Tarantino filmt das Gespräch in einer langen Einstellung. Wir erleben die vier bei einer Mischung aus gelerntem Dialog und Improvisation und können sehen, wie sie uns in Minuten ans Herz wachsen, was die kommende Bedrohung – auch hier sitzt Stuntman Mike am Tresen hinten in der Unschärfe – nur größer macht. Heraus sticht aus dem sympathischen Quartett Rosario Dawson hervor (Sin City – 2005; "Alexander" – 2004; Welcome to the Jungle – 2003; Men in Black 2 – 2002; Kids – 1995), die als Abernathy das Herz der Clique spielt, immer fröhlich, immer cool, mit Gestik und Mimik versehen, dass man auf der Stelle mit ihr durchbrennen wollte.

Über das niedrige Niveau seiner 70er-Jahre-Vorbilder geht Tarantino nicht hinaus, interpretiert sie nur Tarantinoesk. "Death Proof" ist ziellos mäandernd wie seine historischen Vorbilder. Unterhaltsam in den Dialogen.

Wertung: 3 von 6 €uro
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