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Plakatmotiv: Deepwater Horizon (2016)

Historische Katastrophe
impressionistisch erzählt

Titel Deepwater Horizon
(Deepwater Horizon)
Drehbuch Matthew Michael Carnahan & Matthew Sand
nach dem New-York-Times-Artikel "Deepwater Horizon’s Final Hours" von David Barstow, David Rohde und Stephanie Saul
Regie Peter Berg, USA 2016
Darsteller

Mark Wahlberg, Kurt Russell, Douglas M. Griffin, James DuMont, Joe Chrest, Gina Rodriguez, Brad Leland, John Malkovich, David Maldonado, J.D. Evermore, Ethan Suplee, Jason Pine, Jason Kirkpatrick, Robert Walker Branchaud, Dylan O'Brien u.a.

Genre Drama, Action
Filmlänge 107 Minuten
Deutschlandstart
24. November 2016
Inhalt

Nach ihrem Landurlaub wird die Crew der Ölbohrplattform "Deepwater Horizon" per Helikopter wieder zur Arbeit gebracht. Darunter auch der glücklich verheiratete Familienvater Mike Williams, der seine Frau Felicia und seine kleine Tochter Sydney für ein paar Wochen an Land zurücklässt. 

Die "Deepwater Horizon" fördert 41 Meilen vor der Küste Louisianas für den BP-Konzern rekordverdächtige Mengen Rohöl aus dem Meeresboden. 120 Menschen arbeiten auf der schwimmenden Technik-Insel, doch die Produktion ist nach Meinung des Konzernmanagements angesichts der gesetzten Zielvorgaben mit ihrer Fördermenge im Rückstand. Der angereiste Manager Donald Vidrine macht entsprechend Druck, obwohl Projektleiter Jimmy Harrell und sein Cheftechniker Mike Williams Probleme mit dem ansteigenden Bohrdruck haben. Denn wenn es durch überhöhten Druck auf das Bohrloch zum sogenannten Blow-out käme, bei dem Gas und Öl unter enormem Druck unkontrolliert aus dem Meeresboden schießen, könnte es zur Katastrophe kommen.

Weitere Kontrollmessungen, die Aufschluss geben könnten, würden Zeit kosten, die man angeblich nicht hat. Auch gehen die Meinungen, mit welchen Messungen man sich im vorliegenden Fall zufriedengeben kann, auseinander. Trotz teilweise auf eine fatale Entwicklung hindeutende Messergebnisse besteht Vidrine auf seinen Forderungen. Nicht die Sicherheit des Personals oder gar der Umwelt steht im Fokus der Konzern-Interessen, sondern eine Profitsucht, die allen Beteiligten schließlich zum Verhängnis wird: Plakatmotiv (US): Deepwater Horizon (2016) Der Blow-out geschieht, mehrere Explosionen zerstören die Plattform. 

Mike und Jimmy tun alles, um das Leben der Menschen an Bord zu retten …

Was zu sagen wäre

Mit Filmen „basierend auf wahren Begebenheiten“ ist es immer schwierig. Es gibt die historischen Fakten und es gibt die für einen Kinofilm notwendige Dramatisierung. Wo hört das eine auf, beginnt das andere? Die Explosion der Öl-Plattform "Deepwater Horizon" am 20. April 2010 ist eine „wahre Begebenheit“, die alle, die damals älter als zehn Jahre alt waren, irgendwie mitbekommen oder wahrgenommen haben. Auch die handelnden Personen in diesem Film hat es alle gegeben. Mike Williams, Cheftechniker der "Deepwater Horizon", der versuchte, die Systeme auf der brennenden Ölplattform aufrechtzuerhalten und diese als einer der Letzten verließ und im Film von Mark Wahlberg gespielt wird ("Ted 2" – 2015; Transformers 4: Ära des Untergangs – 2014; 2 Guns – 2013; Pain & Gain – 2013; Broken City – Stadt des Verbrechens – 2013; Ted – 2012; The Fighter – 2010; Departed – Unter Feinden – 2006; The Italian Job – 2003; Planet der Affen – 2001; Der Sturm – 2000; The Yards – 2000; Three Kings – 1999; Corruptor Im Zeichen der Korruption – 1999; Boogie Nights – 1997), avancierte in der Folge der Berichterstattung in den Medien zum Gesicht der Katastrophe.

Wo endet die historische Begebenheit, beginnt die Dramaturgie?

Das ist in diesem Film nicht wichtig. Die Ölplattform ist explodiert aufgrund wirtschaftlicher Interessen. die elf menschen sind gestorben. Ob nun die eine Heldenfigur in der historischen Realität weniger lebensrettend agiert hat oder doch mehr, ist da eine müßige Betrachtung. Regisseur Peter Berg lag es auch fern, einen sozio-ökonomisch, ökologischen Zeigefingerfilm zu drehen. Seine Intention, die man ihm trotz der elf Toten nicht übel nehmen muss, ist ein packender Actionthriller, der zeigt – so gut sich das eben rekonstruieren lässt, was auf der "Deepwater Horizon" in den Stunden nach der Katastrophe geschah. Berg erzählt das in impressionistischem Stil.

Nur vordergründig folgt der Film den Mustern des klassischen Katastrophenfilms à la Dante's Peak (1997) oder, viel früher, Erdbeben (1974). Wir lernen das freundliche und sich sehr liebende Ehepaar Mike und Felicia Williams kennen an dem Morgen, an dem Mike für drei Wochen wieder auf die "Deepwater" muss. Die beiden scherzen und schlafen dann miteinander. Sie haben eine vielleicht zehn Jahre alte Tochter, Sydney, die ihre Eltern in deren Schlafzimmer nicht stören will, weil sie sich „einen kleinen Bruder“ wünscht. Daraufhin wundern sich die Eltern, woher ihr kleines Mädchen solche Zusammenhänge kennt, in einem Alter „in dem Du Babies einfach nur süß finden sollst“. Kurz: eine fröhliche Familie ohne B-Ebene, auf der ein Liebhaber oder ein schwerwiegendes Eheproblem warten würde, das zu Katastrophenfilmen klassischer Bauart dazu gehört. Wir lernen mit grobem Federstrich auch die Brückenoffizierin Andrea Fleytas kennen, die die Plattform manövriert, ein Faible für ihren alten Ford Mustang hat und die einzige Frau an Bord zu sein scheint. Und Jimmy "Mr. Jimmy" Harrell, den knurrigen Chef der Plattform, der im Dauerclinch mit den Büroleuten von BP zu liegen scheint. Diesen Mr. Jimmy spielt zwar der alte Kinokämpe Kurt Russell (The Hateful 8 – 2015; Fast & Furious 7 – 2015; Death Proof – Todsicher – 2007; Poseidon – 2006; Vanilla Sky – 2001; Crime is King – 2001; Star Force Soldier – 1998; Breakdown – 1997; Flucht aus L.A. – 1996; Einsame Entscheidung – 1996; Stargate – 1994; Fatale Begierde – 1992; Backdraft – 1991; Tango und Cash – 1989; Tequila Sunrise – 1988; Big Trouble in Little China – 1986; Das Ding aus einer anderen Welt – 1982; Die Klapperschlange – 1981), aber auch seine Figur ist kein Drehbuchcharakter, der eine dramaturgische Entwicklung durchmachen darf; das klassische Hollywood-Storytelling ist nicht Peter Bergs Anliegen. Er steuert seine Zuschauer in einen Katastrophen-Impressionismus.

Was in etwa die Bestandteile der Katastrophe sind, lässt Berg die kleine Sydney Williams anhand einer Coladose erklären. Sydney stellt sie auf den Kopf, hämmert ein Röhrchen durch das Blech und gießt klebrigen Honig dort hinein. Der Honig, erfahren wir, ist im realen Ozean Bohrschlamm, der tief unter Wasser von Plattformen wie der "Deepwater Horizon" gefundene Öl- und Gasblasen verschließen soll, bis eine Öl-Bohrplattform ihre Saugrüssel dort anschließt. Und dann explodiert die Coladose in der Küche. eine Riesensauerei. Der Zuschauer im Kinosessel hat einen ziemlich guten Eindruck von der Sauerei, die da im Golf von Mexiko auf ihn wartet. Als die Katastrophe beginnt, steht Plattform-Chef Mr. Jimmy unter der Dusche. Explosionen, Schrapnells, platzende Stahlwände treffen ihn nackt. Diese Szene, in der Kinohelden im allgemeinen Schutzkleidung oder wenigstens irgendwas tragen, macht dem Kinozuschauer die Wucht und die Widrigkeiten der Situation erst unmittelbar bewusst. Plakatmotiv: Deepwater Horizon (2016) Bruce Willis wäre mit Stirb Langsam in seiner Karriere nicht so durchgestartet, wenn er in diesem Hochhaus damals Schuhe an den Füßen und eine feste Multifunktionsjacke statt eines Schießer Feinripp getragen hätte. Ob der historisch existierende Mr. Jimmy unter der Dusche gestanden hat, als es Bumm machte? Hier beginnt die Dramaturgie, das expressionistische Erzählen.

Eigentlich verlässt Peter Berg ("Lone Survivor" – 2013; Battleship – 2012; Hancock – 2008; Operation: Kingdom – 2007; Welcome to the Jungle – 2003; Very Bad Things – 1998) das dramaturgische Erzählen, als der Hubschrauber mit der Mannschaft an Bord der "Deepwater Horizon" landet. Von da ab geht es im Stakkato um Zementtests, Drucktests, wirtschaftliche Konzerninteressen, also um lauter Tech-Blabla, bei dem 95 Prozent der Zuschauer nach zwei Minuten aussteigen. Da reden und streiten sich Kerle um irgendwas, was für die einen, BP, sehr teuer wird, und für die anderen, die Plattformbewohner, sehr lebensnotwendig ist. Und dann birst der Deckel tief unter Wasser – die Coladose explodiert – und ab dann glühen Feuerbälle und fallen ohne Ende Stahlgerüste um. Chaos. Zwischendurch ist der Ton weg, weil der Person auf der Leinwand gerade ein Kessel um die Ohren explodiert ist; wir erleben physisch, wie sich so eine Situation anfühlt, historische Korrektheit spielt da keine Rolle mehr. Auch die Szene, in der Brückenoffizierin Andrea Fleytas das Rohr von der Plattform abkoppeln will, um der Station eine Chance zu geben, was von ihrem Vorgesetzten mit dem Hinweis „Du hast nicht die Befugnis, das zu tun!“ verhindert wird, muss nicht historisch korrekt sein. Die Szene macht aber den Unterschied deutlich zwischen den pragmatischen, hochqualifizierten Handwerkern an Bord und den wirtschaftlich denkenden Büroleuten aus London, die statt mit praktischer Erfahrung mit Rechenmodellen argumentieren.

"Deepwater Horizon" ist ein mitreißender Film, weil die Situation mitreißt. Die handelnden Personen sind nur die Anker, an denen wir uns im Kinosessel orientieren; um zu erfahren, wie das ist, wenn ein Multimilliarden-Dollar-Konzern wirtschaftliche Interessen über das Allgemeinwohl stellt. Peter Berg und seine Autoren berufen sich auf eine wahre Begebenheit, interessieren sich dabei nicht für die übliche Aufbereitung der juristisch erlaubten Wahrheit. statt dessen zeigen sie einfach, was passiert, wenn Sicherheitsregeln nicht eingehalten werden.

Wertung: 6 von 8 €uro
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