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Plakatmotiv: Michael (1996)

Eine schöne Idee, die
unterwegs versandet

Titel Michael
(Michael)
Drehbuch Peter Dexter & Jim Quinlan & Nora Ephron & Delia Ephron
Regie Nora Ephron, USA 1996
Darsteller

John Travolta, Andie MacDowell, William Hurt, Bob Hoskins, Robert Pastorelli, Jean Stapleton, Teri Garr, Wallace Langham, Joey Lauren Adams, Carla Gugino, Tom Hodges, Catherine Lloyd Burns, Richard Schiff, Calvin Trillin, Donald J. Lee Jr. u.a.

Genre Drama, Komödie
Filmlänge 105 Minuten
Deutschlandstart
20. März 1997
Inhalt

Elvis lebt! Marilyn Monroe war ein Mann! UFOs – es gibt sie wirklich. Mit solchen Geschichten ist der Sensationsreporter Frank Quinlan bestens vertraut. Aber sein Stein beim "National Mirror", einem wöchentlichen Sensationsblättchen, verblasst, es mangelt ihm und seinem Partner Huey Driscoll an Ideen. Da erreicht beide die Nachricht, dass bei einer alten Frau in Iowa der Erzengel Michael zur Untermiete wohnt.

Zusammen mit der angeblichen Engelsexpertin Dorothy Winters machen sie sich auf den Weg, doch Michael entpuppt sich als anders als erwartet. Seine Manieren sind unterdurchschnittlich, er raucht und trinkt und pflegt ein reges Sexualleben.

Für die Story erklärt er sich bereit, mit nach Chicago zu kommen, aber nur per Auto. Es wird eine lange Reise …

Was zu sagen wäre

Irgendwie gehört das Tanzen zu John Travolta Filmkarriere, wie das Curry zur Bratwurst. Seinen Durchbruch hatte er als Tony Manero, der tanzende Eisenwarenhändler (1977), sein Comeback ertanzte er in Jack Rabbit Slim's Twist Contest (1994). Und als Engel Michael ertanzt er jetzt zu Aretha Franklins "Chain of Tools" eine ordentliche Truckerkneipen-Schlägerei. Dieser Michael mit schwabbeligem Bauch, Wallehaar und Zigarette hat Schlag bei Frauen.

In dieser Rolle John Travolta zu besetzen (Phenomenon – 1996; Operation – Broken Arrow – 1996; Schnappt Shorty – 1995; Pulp Fiction – 1994; Blow Out – 1981; Grease – 1978; Nur Samstag Nacht – 1977; Carrie: Des Satans jüngste Tochter – 1976), auf die Idee muss man in der Tat erst einmal kommen. Es ist keine Rolle, die einem gestandenen Mimen viel abverlangt. Sie ist allerdings kraftvoll genug, um einen gestandenen Schauspieler grandios der Lächerlichkeit preiszugeben. Travolta aber geht in dieser Rolle auf. Alle Frauen himmeln ihn an, den Engel – nur die mitreisende Reporterin Dorothy nicht. „Dich habe ich gesperrt!“, sagt der Engel, der andere Pläne für sie hat.

Es macht ihm Spaß, dieser Engel mit Mission zu sein. Und diese Mission, das wird bald klar, ist nicht, in einem abgestandenen Motel abzuhängen. Seine Mission ist es, zwei erkaltete Herzen zu reparieren, zu reanimieren. Plakatmotiv (US): Michael (1996) Nora Ephron (Schlaflos in Seattle – 1993; Harry und Sally, Script – 1989) hat ein Händchen für sanfte Kinounterhaltung. Die Autorin und Regisseurin versucht auch hier wieder, eine Geschichte über die Umwege der Liebe zu erzählen, hat aber einen schlechten Start. Es braucht quälend lange, bis ich im Kinosessel halbwegs weiß, worum es eigentlich gehen soll. Ich meine: Ein Engel mit Schwabbelbauch und haarigen Beinen? Das kann ja auch in einen handfesten Religionskritiker ausarten – und kurz droht dieser Verdacht auch, sich zu bestätigen.

Es wird dann doch der romantische Verführer – ein Film, in dem man beim ersten Date gehen kann; und da hat man im Anschluss sicher mehr Gesprächsstoff, als in durchschnittlicheren Lovestories. Da wäre die Figur des gewesenen Starreporter Frank Quinlan, dem der Alkohol zu Kopf stieg, was ihn die große Karriere in New York gekostet hat. Eine Saulus-wird-zu-Paulus-Rolle, die William Hurt mit Grandezza ausfüllt ("Eine Couch in New York" – 1996; "Die Reisen des Mr. Leary" – 1988; Nachrichtenfieber – Broadcast News – 1987; "Gottes vergessene Kinder" – 1986; Der große Frust – 1983; Heißblütig – Kaltblütig – 1981).

Aber er hat Andie MacDowell an seiner Seite ("Vier lieben dich" – 1996; Vier Hochzeiten und ein Todesfall – 1994; Short Cuts – 1993; ... und täglich grüßt das Murmeltier – 1993; The Player – 1992; Hudson Hawk – Der Meisterdieb – 1991; "Green Card – Scheinehe mit Hindernissen" – 1990; "Sex, Lügen und Video" – 1989; St. Elmo's Fire – 1985; Greystoke – Die Legende von Tarzan, Herden Affen – 1984). Sie ist seit Murmeltier geübt darin, über ihren Beruf zynisch gewordene Männer aufzuweichen, darf bei Nora Ephron aber sogar eine eigene Geschichte haben (was bei Frauenfiguren ja sonst selten ist im Kino). Ihre Dorothy Winters hat drei gescheiterte Ehen hinter sich, deren Scheitern nicht weiter umrissen wird, was schade ist, weil da sicher noch manches Potenzial fürs Drehbuch gelegen hat. Aber dieser Charakter hat am meisten Entwicklung im Film, in dem er zu Beginn wirkt, wie eine Art Praktikantin, die mal mit auf eine Reportage mit soll.

Der grobe Rahmen ist der des klassischen Hollywood-Dreiakters. Diesmal sind es Reporter eines schmierigen Bückware-Blattes, deren Tage gezählt sind und die von Wohl und Wehe eines noch schmierigeren Herausgebers abhängen. Den spielt Bob Hoskins mit Lust am Chargieren (Nixon – 1995; Hook – 1991; Meerjungfrauen küssen besser – 1990; Falsches Spiel mit Roger Rabbit – 1988; "Auf den Schwingen des Todes" – 1987; Mona Lisa – 1986; Brazil – 1985; Cotton Club – 1984; Pink Floyd – The Wall – 1982; "Rififi am Karfreitag" – 1980). Sein Vartan Malt ist eine schöne Karikatur eines machtbewussten Herrschers. Und er gibt dem Film auch seine Richtung: Man sollte das weitere Geschehen im Kinosessel, das in Form eines Roadmovies durch America's Heartland führt, nicht so ernst nehmen, eher auf die leichte Schulter.

Denn es geht um Gefühle. Um Liebe. Sie steht im Zentrum des ganzen Geweses um den Engel. Und was verkauft sich auf dem Boulevard besser als Emotionen?

Wertung: 7 von 11 D-Mark
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