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Plakatmotiv: Der Maulwurf (1982)

Die alten Männer wollen
es noch einmal wissen

Titel Der Maulwurf
(Espion, lève-toi)
Drehbuch Michel Audiard & Claude Veillot & Yves Boisset
nach dem Roman "Chance Awakening" von George Markstein
Regie Yves Boisset, Fr., Schweiz 1982
Darsteller

Lino Ventura, Michel Piccoli, Bruno Cremer, Bernard Fresson, Marc Mazza, Roger Jendly, Heinz Bennent, Krystyna Janda, Beate Kopp, Christian Baltauss, Kurt Bigger, Jean-Paul Franky, Yves Boisset, Daniel Plancherel, Philippe Brizard, Dieter Moor, Pierre Boffety, Ali Lexa u.a.

Genre Drama, Thriller
Filmlänge 98 Minuten
Deutschlandstart
3. Juni 1983
Inhalt

Der französische Finanzexperte Sébastien Grenier führt zusammen mit seiner Frau Anna, einer jungen deutschen Literaturdozentin, ein ruhiges und beschauliches Leben in Zürich, der Stadt des Geldes und der vermeintlichen Neutralität. Doch Grenier hat eine Vergangenheit, von der Anna nichts weiß: Er hat bis vor acht Jahren als Geheimagent für die französische Regierung gearbeitet – ein Lebensabschnitt, den Grenier so weit wie möglich aus seinem Bewusstsein verdrängt hat.

Eines Nachts taucht aus dem Nichts der Regierungsvertreter Jean-Paul Chance auf: Französische Agenten wurden in Zürich während eines Terroranschlags ermordet, Grenier soll wieder aktiv werden. Sein ganzes Leben steht mit einem Schlag Kopf. Während er, um die Fassade zu wahren, weiterhin als Anlageberater arbeitet, versucht er, über frühere Kollegen aus Geheimdienstzeiten an Informationen über Chance und seine Hintermänner zu kommen.

Grenier traut der Sache nicht. Ist Chance ein Doppelagent, der ihn täuschen will? Warum braucht Paris Grenier gerade jetzt? Noch bevor er herausfinden kann, wer ihn wirklich kontaktiert hat, werden seine alten Verbündeten unter mysteriösen Umständen ermordet …

Was zu sagen wäre

Das Leben der Geheimdienste findet im Verborgenen statt, im Stillen. Wenn alles seinen professionelle Gang geht, hören und sehen wir keinen Mucks vom Treiben der Schlapphüte. In diesem Bewusstsein inszeniert Yves Boisset seinen Film über ehemalige Agenten, die den aktuellen Agenten offenbar irgendwie im Wege stehen. Es ist ein ruhiger Film. Und Lino Ventura ist ein augenscheinlich gemütlicher Anlageberater, der schon rein körperlich mit seinem früheren Leben als Agent nichts mehr zu tun hat, ein paar Kilo zu viel, Tennisfreunde, Einladungen zum Abendessen.

Komponist Ennio Morricone untermalt das mit wenigen, sehr nach ihm klingenden, aber die Handlung eher pointierenden Tonfolgen – ein bisschen klingt es, als habe er verworfene Ideen für den melancholischen Score zu Der Profi im vorigen Jahr hier besser unterbringen können.

Sébastien Granier, der ehemalige Agent, der sich aus diesem komplizierten Leben komplett zurückgezogen hat, wird gespielt von Lino Ventura, der, Jahrgang 1919, längst die anspruchsvollen Großvaterrollen bekommt (Das Verhör – 1981; "Mann in Wut" – 1979; Der Schrecken der Medusa – 1978; Die Macht und ihr Preis – 1976; Adieu Bulle – 1975; Die Filzlaus – 1973; Die Valachi-Papiere – 1972; Der Clan der Sizilianer – 1969; Armee im Schatten – 1969; Die Abenteurer – 1967; Einer bleibt auf der Strecke – 1965; Taxi nach Tobruk – 1961; Der Panther wird gehetzt – 1960; Tatort Paris – 1959; Fahrstuhl zum Schafott – 1958). Wo Ventura draufsteht, ist heut nicht mehr die Action seiner schwarz-weißen Jahre drinnen. Das hat längst Jean-Paul Belmondo bunter und viel wilder übernommen. Heute bekommt man da die Abgeklärtheit des Alters, in diesem Fall gepaart mit der Schulterzuckenden Erkenntnis, dass man die Schatten von einst nie los wird; Lino Ventura trägt den Film auf seinen breiten Schultern als ein Mann, der sich klaglos in sein Schicksal fügt, aber nicht wehrlos. Sein Sébastien weiß genau, wen er kontaktieren kann und wen besser nicht. Man schaut dem Mann, dessen Welt gerade schleichend auseinander bricht, gerne zu.

Yves Boisset erzählt von einem letzten Aufbäumen der Kalten Krieger. Nochmal spielen die Geheimdienste der Blöcke eine gewichtige Rolle, aber was sie eigentlich wollen, bleibt nebulös. Die Welt der Geheimdienste ist bei Boisset ein in sich geschlossenes Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spiel, in dem auch Michel Piccoli ("Atlantic City, USA" – 1980; Das große Fressen – 1973; Die Dinge des Lebens – 1970; Topas – 1969; Belle de Jour – 1967; Brennt Paris? – 1966), Bruno Cremer (Atemlos vor Angst – 1977; Der Greifer – 1976; Brennt Paris? – 1966) und Bernard Fresson (Der Mieter – 1976; French Connection II – 1975; Belle de Jour – 1967; Spion zwischen 2 Fronten – 1966) nochmal ihre enigmatischen Charaktere entfalten können, in dem sie wahlweise wenig Worte machen oder charmant geheimnisvolle Wahrheiten von sich geben. Die alten Männer des französischen Großkinos der 60er und 70er Jahre sind hier auf wehmütiger Abschiedstournee – noch nicht am Ende ihrer Zeit, aber jenseits des Zenits ihrer großen Filme. Ventura lässt sich das versüßen mit einer Schauspielpartnerin, die 33 Jahre jünger ist als er und hier seine Lebensgefährtin spielt.

Worum es eigentlich geht in diesem Reigen von Spion gegen Spion, ist für den Zuschauer nicht so wichtig. Es gibt natürlich Erklärungen, Aufdeckungen und geheime Hinterleute. Aber ist das nicht bei jeder Geheimagenten-Geschichte so? Die alten Männer wollen es noch einmal wissen und Yves Boisset bereitet ihnen die Bühne dazu.

Wertung: 7 von 9 D-Mark
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