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Plakatmotiv: Die Filzlaus (1973)

Großer Auftritt von Lino Ventura
als Killer mit dem weichem Herz

Titel Die Filzlaus
(L'emmerdeur)
Drehbuch Francis Veber
nach seinem eigenen Theaterstück "Le contrat"
Regie Édouard Molinaro, Frankreich, Italien 1973
Darsteller

Lino Ventura, Jacques Brel, Caroline Cellier, Jean-Pierre Darras, Nino Castelnuovo, Angela Cardile, Michele Gammino, Louis Randoni, Jean-Louis, André Valardy, Jean Franval, Pierre Collet, Arlette Balkis, Jacques Galland, Liza Braconnier, Pierre Forget, Robert Galligani u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 85 Minuten
Deutschlandstart
22. Februar 1974
Inhalt

Ralph Milan ist ein erfolgreicher Profikiller und soll für seinen neuen Auftrag in Montpellier ein verpfuschtes Attentat zu Ende bringen. Um den betreffenden Kronzeugen auf dem Weg ins Gerichtsgebäude zu erschießen, quartiert er sich in einem Hotel gegenüber ein. Sein Zimmernachbar ist der Hemdenvertreter François Pignon.

Pignon wurde vor kurzem von seiner Frau verlassen und ist seitdem depressiv – und selbstmordgefährdet. Nachdem Pignon versucht hat, sich im Badezimmer das Leben zu nehmen, aber stattdessen eine Überflutung auslöste, wird der Profikiller auf ihn aufmerksam. Um Aufsehen zu vermeiden und die Polizei fernzuhalten, beschließt Milan, sich um seinen lebensmüden Zimmernachbarn zu kümmern.

Dieser ist außer sich, weil seine Ehefrau jetzt bei dem Psychiater Fuchs in Montpellier lebt. Da der Auftragskiller kein Aufsehen erregen will, hat er keine andere Wahl, als Pignon zu beruhigen und einzuwilligen, ihn überallhin zu begleiten – erst zu Pignons Noch-Ehefrau, die ihn einmal mehr abweist, später in die Klinik von Dr. Fuchs; der hatte Milan aufgrund einer Verwechslung ein starkes Beruhigungsmittel gespritzt, wodurch Milan sich nicht mehr auf seinen ursprünglichen Auftrag konzentrieren kann …

Was zu sagen wäre

Es kann der Beste nicht in Frieden schießen, wenn es dem depressiven Nachbarn schlecht geht. Die Ausgangslage ist herrlich grotesk: Ein Profikiller kommt nicht zum Schuss, weil er seinem suizidalen Zimmernachbarn im Hotel dauernd das Leben retten muss, damit nicht die Polizei im Hotel rumschnüffelt. Dass der Stoff ursprünglich für die Bühne geschrieben worden ist, sieht man Édouard Molinaros Film noch an. In den Szenen außerhalb des Hotels verliert der Schauplatz seine geografische Logik; der Killer und der Gehörnte sitzen im Auto und fahren ewig über Landstraßen, obwohl sie Montpellier laut Drehbuch gar nicht verlassen. Plakatmotiv (Fr.): L'Emmerdeur (1973) Auf den Landstraßen werden die beiden dann in Unfälle verwickelt, für die sich offenbar keine Polizei interessiert.

In der Rolle des wortkargen Killers mit weichem Herz, der, je hilfreicher er ist, desto verzweifelter wird, brilliert Lino Ventura ("Ich – Die Nummer eins" – 1973; Die Valachi-Papiere – 1972; Der Clan der Sizilianer – 1969; Armee im Schatten – 1969; Die Abenteurer – 1967; Einer bleibt auf der Strecke – 1965; Taxi nach Tobruk – 1961; Der Panther wird gehetzt – 1960; Tatort Paris – 1959; Fahrstuhl zum Schafott – 1958). Die Rolle ist ihm auf den mächtigen Leib geschrieben. Er hat immer wieder den harten Kerl gespielt, der wegen Loyalitäten, der Liebe oder unverbrüchlicher Freundschaft in Schwierigkeiten gerät. Deshalb nehmen wir ihm auch nicht krumm, dass er hier einen Profikiller spielt. Wenn Ventura ihn spielt, muss der Mann im Inneren in Ordnung sein. Sein Antagonist, die titelgebende "Filzlaus" (er im Original nicht als Laus bezeichnet wird sondern als "Nervensäge"), spielt der belgische Chansonnier und Gelegenheitsschauspieler Jacques Brel. Sein François Pignon ist wirklich eine Nervensäge. Brel hat schon mit Molinaro zusammengearbeitet ("Der Mann im roten Rock" – 1969). Da Pignon ununterbrochen plappert, brauchte Molinaro in dieser Rolle einen Mann mit großem Lungenvolumen – ein Sänger hat so etwas und Brel entpuppt sich als wunderbares Gegengewicht zum bulligen Lino Ventura.

Der Film beginnt ausgesprochen langsam und mit einer Autobombe, wie ein klassischer Film Noir. Und dann braucht es eine Zeit, bis wir uns zurechtfinden, wenn erst ein Notar, dann eine aufgewachte Ehefrau, dann ein Hausmeister, dann ein verhinderter Profikiller die Leinwand ausfüllen. Bis dann Lino Ventura das Bild betritt, wie gewohnt im Anzug und schweigend. Überhaupt wird im ersten Drittel des Films wenig geredet, selbst Pignon schweigt, weil er sich ja nur töten will. Aber innerhalb der 85 Minuten, die der Film seiner Geschichte nur gibt, zieht er das Tempo entsprechend an, sodass die letzte halbe Stunde von Hektik regiert wird und wir im Kinosessel tatsächlich um den armen (Killer) Milan bangen, der doch um etwa 14 Uhr einen (Kill)Job zu erledigen hat. Zu dem Zeitpunkt ist aus dem anfänglichen Film Noir längst eine Gag getriebene Komödie geworden, die auch vor Albernheiten nicht Reißaus nimmt. Und das Bild von Lino Ventura in Zwangsjacke in der Gummizelle gehört zu den Magic Moments des Kinojahres.

Wertung: 7 von 8 D-Mark
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