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Plakatmotiv: Belle de Jour – Schöne des Tages (1967)

Die Geschichte einer sexueller Befreiung
zwischen der Realität und Surrealismus

Titel Belle de Jour – Schöne des Tages
(Belle de jour)
Drehbuch Luis Buñuel + Jean-Claude Carrière
dem gleichnamigen Roman von Joseph Kessel
Regie Luis Buñuel, Frankreich, Italien 1967
Darsteller

Catherine Deneuve, Jean Sorel, Michel Piccoli, Geneviève Page, Pierre Clémenti, Françoise Fabian, Macha Méril, Muni, Maria Latour, Claude Cerval, Michel Charrel, Iska Khan, Bernard Musson, Marcel Charvey, François Maistre u.a.

Genre Drama
Filmlänge 100 Minuten
Deutschlandstart
15. September 1967
Inhalt

Séverine Sérizy ist eine junge schöne Pariser Bürgersfrau, die mit dem Arzt Pierre verheiratet ist. Séverine liebt ihren Mann, jedoch ist es ihr nicht möglich, mit ihm intim zu werden. Stattdessen gibt sie sich erotischen Tagträumen hin, in denen BDSM und insbesondere Bondage und Demütigungen eine entscheidende Rolle spielen.

Bei einem Gespräch mit einer Freundin erfährt sie, dass eine andere Bekannte in einem Bordell arbeitet. Séverine ist zugleich abgestoßen und fasziniert. Henri, ein Bekannter von Pierre, nennt ihr die Adresse eines Bordells. Da sie ihre Träume nicht mit ihrem Mann umsetzen kann, beginnt sie, wenn auch zunächst sehr zögerlich, nachmittags in dem Etablissement von Madame Anaïs unter dem Namen "Belle de jour" zu arbeiten. Abends kehrt sie zu ihrem Mann zurück, dem sie ihr Doppelleben verschweigt.

Einer ihrer Kunden, der junge Kriminelle Marcel, verliebt sich in sie. Schwierigkeiten zeichnen sich ab, als Pierre sie für einige Tage zu einem Urlaub am Meer mitnimmt und sie daher nicht im Bordell erscheinen kann. Der von ihr geradezu besessene Marcel macht ihr bei der Rückkehr eine gewalttätige Szene. Später folgt er ihr heimlich und erfährt so, wo sie wohnt und wer sie wirklich ist. Überraschend stellt er sie in ihrer Wohnung zur Rede …

Was zu sagen wäre

Der spanische Regisseur Luis Bunuel seziert die französische Mittelklasse. Bunuel, der mit 25 nach Paris kam, dort den Film und den Surrealismus für sich entdeckte, erzählt hier eine wilde Träumerei, bei der am Ende nicht ganz klar ist, was wir gesehen haben. Aber natürlich haben wir etwas gesehen, unabhängig davon, ob das innerhalb des Films real war oder nicht.

Wir sehen soignierte Herren, die verheirateten Frauen in aller Öffentlichkeit sexuelle Anzüglichkeiten zurufen. Einen Grafen, der sich eine Prostituierte auf sein Schloss holt, um mit ihr in der Rolle seiner toten Tochter eine Schwarze Messe zu lesen. Wir erleben einen sanften Ehemann, dem es gar nichts ausmacht, dass seine Gattin nicht mit ihm schlafen möchte und dabei eher ein schlechtes Gewissen hat, er könne sie möglicherweise unbotmäßig drängen. Dazu kommen einige seltsame Gestalten im Etablissement von Mme. Anaïs – Spielzeugfabrikanten, die sich aufführen, wie die Zielgruppe ihres Spielzeugs, ein Professor, der mal ordentlich bestraft werden möchte. Kurz: Die Männer, die sich in Bunuels Paris der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft zugehörig fühlen, sind Scheinriesen, Blender und Sexisten, denen ein paar Tassen im Schrank fehlen.

Aber die sind alle harmlos gegen jene Vertreter, die Séverine in deren Tagträumen drangsalieren mit Peitschen, Fesseln und Ketten. In zwei nur wenigen Sekunden langen Rückblenden in Séverines Kindheit wird deutlich, dass sie als kleines Mädchen offenbar von einem Priester sexuell missbraucht worden ist. Dieses Erlebnisse konnte sie nicht verarbeiten, was heute zu ihrer Verweigerung im Bett des wirklich sehr lieben, verständnisvollen, sanftmütigen Ehemannes führt – mit Sanftmut kann Séverine nichts anfangen, sanfte Männer lassen sie kalt, weshalb sie immer wieder in ihrer Bonsage-Tagträume flieht.

Erst, als sie im Etablissement von Madame Anaïs von ungehobelten Kerlen genommen wird oder selbst zur Peitsche greifen darf, kann sie sich langsam ihrem Mann Pierre nähern und öffnen. Bunuel lässt mit der Schlussszene des Films plötzlich offen, ob es Madame Anaïs in Séverines Leben tatsächlich gibt, oder ob auch sie – und damit nahezu die gesamte Filmhandlung – ein weiterer Tagtraum Séverines ist. Das macht aber nichts. Das Medium Film selbst ist ja Illusion, Traum. Das, was Bunuel erzählen will, die für das Jahr 1967 unerhörte sexuelle Befreiung der Frau von den Fesseln eines spießig-bornierten, verlogenen Patriarchats, ist, wenn das Wort "Fin" das Ende des Films besiegelt, erzählt.

Natürlich ist das Vexierspiel mit den Erzählebenen viel spannender und abwechslungsreicher, als wenn Bunuel einfach nur die reale Geschichte einer Frau gezeigt hätte, die sich befreit – immer noch unerhört für 1967, aber konventionell. Konventionell aber ist des Surrealisten Sache nicht. Ohne störende Filmmusik folgt der elegant unterkühlten Catherine Deneuve (Ekel – 1965) durch die Straßen von Paris und schaut, was sie macht. Das zeigt er dem Zuschauer. Was davon real ist und was nicht ist unerheblich. Buenos Films steht.

Wertung: 7 von 8 D-Mark
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