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Plakatmotiv: Open Range – Weites Land (2003)

ein melancholischer Großwestern über
eine Nation im gesellschaftlichen Umbruch

Titel Open Range – Weites Land
(Open Range)
Drehbuch Craig Storper
nach dem Roman "The Open Range Men" von Lauran Paine
Regie Kevin Costner, USA 2003
Darsteller

Robert Duvall, Kevin Costner, Annette Bening, Michael Gambon, Michael Jeter, Diego Luna, James Russo, Abraham Benrubi, Dean McDermott, Kim Coates, Herb Kohler, Peter MacNeill, Cliff Saunders, Patricia Stutz, Julian Richings u.a.

Genre Western, Drama
Filmlänge 139 Minuten
Deutschlandstart
29. Januar 2004
Inhalt

Boss Spearman und Charley Waite ziehen als Cowboys im Jahr 1882 durch die Weiten Amerikas und lassen ihre Rinderherden auf dem gesamten freien Land grasen. Da Eigentum an Boden noch nicht vorherrscht, sind sie als sogenannte "Freegrazer" auf ständiger Reise. Begleitet werden sie dabei vom stämmigen Mose und dem Mexikaner Button.

Doch als sie in ein Dorf geraten, das vom skrupellosen Denton Baxter geführt wird, wird ihr Leben in turbulente Bahnen gedrängt. Baxter verabscheut Freegrazer und scheut nicht vor Gewalt zurück, um Boss und seine Begleiter vom Land zu entfernen.

Als sich die Situation immer weiter zuspitzt und es letztendlich auch Tote gibt, greifen auch Boss und Charly zu den Waffen, um ihr Leben und ihren Besitz zu verteidigen …

Was zu sagen wäre

Kevin Costner hat sich eine gute Zeit für seinen Western ausgesucht. 1882 war das Wilde am Westen im Niedergang, der Cowboy, der Junge, der, wie seine Berufsbezeichnung andeutet, die Kühe übers Land zu den großen Märkten trieb, wurde nicht mehr gebraucht; die Eisenbahn breitete sich aus, konnte das Vieh aus dem Westen in den Osten bringen. Städte wurden aus dem Boden gestampft, in denen für einen Cowboy, der gewohnt war, sein Leben unter freiem Himmel zu verbringen, kaum noch Platz war. Plakatmotiv: Open Range – Weites Land (2003) Auch die industrielle Entwicklung schritt voran. Einige Cowboys versuchten sich als Fleischer, Kutscher oder Saloon-Inhaber. Aber viele wurden in ihrer Verzweiflung Outlaws, die sich nicht in der neuen Gesellschaftsform zurecht fanden.

Ganz so weit war es 1882 noch nicht. Der Lincoln County War lag sechs Jahre zurück. Dieser Krieg um Weiderechte, in dem es um den Kampf Eingezäuntes Weideland gegen Freie Prairie ging, ging in die Geschichte ein und wurde von Hollywood unter anderem in dem John-Wayne-Western Chisum (1970) thematisiert. Die großen Viehtrecks, die das Land durchzogen und im vorliegenden Film von Robert Duvall und Kevin Costner getrieben werden, bekommen Grenzen gesetzt. Noch gilt das Gesetz des Freien Weidelandes, des Open Range, über das Viehtreiber, die Freegrazer, ihre Rinder führen dürfen. Aber längst haben im Westen, in dem die Gesetze, die im Osten, wo es schon große Städte gibt, ersonnen werden, nicht greifen, erste Männer begonnen, Zäune zu ziehen, Land abzustecken und für das eigene Vieh zu reklamieren. Freegazer, die Station machen, wo ihr Vieh grasen kann, bis alles Weideland abgefressen ist und sie weiterziehen, sind diesen Großfarmern ein Dorn im Auge, der mit Gewalt beseitigt wird.

Kevin Costner führt uns also in das Grenzgebiet, in dem die Romantik des freien Cowboys zu Ende geht und der industrielle Fortschritt den Menschen zu einer wirtschaftlichen Einheit im Kosten-Nutzen-Plan macht. Dass es mit der Romantik des freien Cowboys nicht immer gemütlich ist, zeigt Costner uns gleich in den ersten Minuten. Da geraten seine vier Hauptfiguren um den grummeligen Boss Spearman in einen gewaltigen Gewittersturm, den sie unter einer aufgespannten Plane durchstehen müssen – gemütlich ist anders. Aber die vier sind eine Art Familie. Sie reden wenig, haben eine klare Hierarchie und lassen den anderen in Ruhe. Ihr Job ist es, gemeinsam die Herde durchs Land zu treiben. Ob zu einer Auktion oder einfach, weil die Herde beständig Gras zum fressen braucht, bleibt offen. Dieses bunt zusammengewürfelte Kleeblatt personifiziert die Freiheit der Cowboys, die die Enge der neu entstandenen Städte fürchten.

Ihnen entgegen steht der klassische Schurke im Western: der Viehbaron, dem hier die halbe Stadt gehört, die bevölkert ist von Kaufleuten, Fuhrleuten, Schmied, Stallbesitzer oder Arzt. Brave Leute, aber keine Figuren, die sich einem despotischen Viehbaron in den Weg stellen. Was dann folgt, ist ein bisschen Gunfight at the O.K. Corral, ein bisschen 12 Uhr Mittags, ein bisschen was aus allen Western, die wir gesehen haben und was wir in einem Western auch erwarten – neben dem schurkischen Viehbaron sind das Freiheit liebende Cowboys, Lagerfeuerromantik, saftiges Weideland, korrupte Sheriffs und noch ein bisschen Liebe; Annette Bening (American Beauty – 1999; Jenseits der Träume – 1999; Ausnahmezustand – 1998; Mars Attacks! – 1996; Hallo, Mr. President – 1995; Bugsy – 1991; In Sachen Henry – 1991; Schuldig bei Verdacht – 1991) als Love Interest ist klug besetzt, eine patente Herzwärmerin. Es ist eine Leistung des Films, dass er die vermeintlichen Klischees so selbstverständlich, souverän und unaufdringlich verarbeitet. Dass das Genre aus US-Sicht in erster Linie Historienfilme liefert, vergessen wir hierzulande bisweilen. Kevin Costner, der Konservative, der als Regisseur auf das Verbindende in den United States of America zielt (Postman – 1997; Der mit dem Wolf tanzt – 1990), erinnert uns wieder daran. Die Menschen in der Stadt haben sich in den Umständen eingerichtet. Sie machen ihre Geschäfte, blenden gelegentliche Übergriffe heißsporniger Jungs aus, haben dafür ihre Ruhe und gründen Familien. Dass der Stärkere automatische Recht hat, kennen sie nicht anders.

Bis der Virus der Freiheit in die Stadt reitet. In Person von einigen Cowboys. Es sind nur noch zwei; ein dritter liegt beim Doc auf der Trage, der vierte ist tot, erschossen von den Schergen des Viehbarons. Plakatmotiv (US): Open Range (2003) Aber genau deshalb können Boss und Charley nicht einfach Fünfe gerade sein lassen. Denton Baxter, der Viehbaron, hat Unrecht begangen und das muss gesühnt werden. Und als die geduckten Stadtbewohner sehen, dass sich da zwei der Übermacht in den Weg stellen und dafür ihr eigenes Leben in die Waagschale werfen, horchen sie auf; sie werden nicht gleich zu glühenden Kämpfern wider die Unfreiheit, aber sie sehen: Für die Freiheit kannst Du kämpfen. Es startet dann ein bisschen eine Heldensaga, wenn sich der alte, knurrige Robert Duvall ("John Q. – Verzweifelte Wut" – 2002; The 6th Day – 2000; Nur noch 60 Sekunden – 2000; Zivilprozess – 1998; Deep Impact – 1998; Gingerbread Man – 1998; Phenomenon – 1996; Schlagzeilen – 1994; Falling Down – Ein ganz normaler Tag – 1993; Tage des Donners – 1990; Der Unbeugsame – 1984; Apocalypse Now – 1979; Der Adler ist gelandet – 1976; Network – 1976; Der Pate II – 1974; Sinola – 1972; Der Pate – 1972; THX 1138 – 1971; M.A.S.H. – 1970; Bullitt – 1968) vom ewigen Unter-freiem-Himmel-Übernachter zum sarkastisch lächelnden, geträumten Saloon-Besitzer entwickelt, und auf dem Weg dahin mit Bauchschuss noch allerlei Böse erschießt. Aber er erfüllt damit die Intention seines Regisseurs, dem sehr daran gelegen scheint, seinen Landsleuten nach NineEleven und den Folgen zu signalisieren: Wenn wir zusammenstehen, werden wir als Gruppe (als Nation) überleben – auch, wenn der ein oder andere das nicht überlebt.

"Open Range" ist deutlich ein Produkt seines Regisseurs. Kevin Costner gehört zu der Sorte Film-Charakter, die nicht viele Worte macht, weil der Weg doch eigentlich offensichtlich ist ("Im Zeichen der Libelle" – 2002; Crime is King – 2001; Thirteen Days – 2000; Aus Liebe zum Spiel – 1999; Message in a Bottle – 1999; Postman – 1997 Waterworld – 1995; Wyatt Earp – Das Leben einer Legende – 1994; Perfect World – 1993; Bodyguard – 1992; JFK – Tatort Dallas – 1991; Robin Hood – König der Diebe – 1991; Der mit dem Wolf tanzt – 1990; Feld der Träume – 1989; No Way Out – 1987; Die Unbestechlichen – 1987; Die Sieger – American Flyers – 1985; Silverado – 1985) – auch, wenn man unterwegs mal den ein oder anderen Störenfried beseitigen muss. Auch sein Charley Waite redet eingangs nicht viel, lässt Fragen seines Gegenübers gerne unbeantwortet im Wind der Prairie verwehen. Erst, als er auf eine Frau trifft, die ihren Mann steht, nicht jammert, nicht schimpft – eben: Annette Bening –, fängt er an, sein bisheriges Leben zu überdenken und sich auf diese Zivilisation einzulassen, in der überlieferte Porzellankannen und -tassen die Rolle spielen, die in jener wilden Welt vergleichbar ist mit dem Gewittersturm für den Cowboy im weiten, "freien", Land.

Dieser Western ist ein melancholischer Abschied von den Cowboys, die die Nation ermöglichten, aber kein zynischer, wie ihn Clint Eastwood mit Erbarmungslos 1992 vollführte. Sondern einer, der den Abschied mit einer Hoffnung auf Neues verbindet. Costner erweist sich als der wahre Regisseur des geträumten American Way of Life.

Wertung: 5 von 6 €uro
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