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Plakatmotiv: Warte, bis es dunkel ist (1967)

Audrey Hepburn und ein cleveres Drehbuch
machen das Kammerspiel zum Nägelbeißer

Titel Warte, bis es dunkel ist
(Wait Until Dark)
Drehbuch Robert Carrington & Jane-Howard Hammerstein
nach dem Bühnenstück "Wait Until Dark" von Frederick Knott
Regie Terence Young, USA 1967
Darsteller
Audrey Hepburn, Alan Arkin, Richard Crenna, Efrem Zimbalist Jr., Jack Weston, Samantha Jones, Julie Herrod, Robby Benson, Jean Del Val, Mel Ferrer, Packy McFarland, Gary Morgan, Frank O'Brien, Bill Walters u.a.
Genre Thriller
Filmlänge 108 Minuten
Deutschlandstart
25. January 1968
Inhalt

Die Drogenschmugglerin Lisa bringt aus Montréal eine mit Heroin gefüllte Puppe nach New York. Um sich der riskanten Ware zu entledigen, steckt sie die Puppe am Flughafen dem ahnungslosen Fotografen Sam Hendrix zu. Kurz darauf wird Lisa ermordet – und ihr Auftraggeber, der skrupellose Harry Roat, setzt alles daran, die Puppe wiederzufinden.

Gemeinsam mit zwei Komplizen spürt er Sams Wohnung auf. Dort trifft das Trio auf Susy, Sams Ehefrau, die nach einem Unfall kürzlich erblindet ist und sich erst langsam an ihr neues Leben gewöhnt. Die Gangster locken Sam aus der Wohnung und täuschen Susy mit einer perfiden Geschichte: Sie behaupten, die ermordete Lisa sei Sams Geliebte gewesen. Wenn die Polizei die Puppe in der Wohnung finde, werde Sam des Mordes verdächtigt.

Doch Susy schöpft Verdacht und beginnt, sich gegen die Eindringlinge zu wehren. Nach deren Verschwinden entdeckt Susy, dass das Nachbarmädchen Gloria die Puppe an sich genommen hat. Als ihr klar wird, dass die ungebetenen Besucher sie belogen haben, schraubt sie alle Lampen in ihrer Wohnung heraus, um die Dunkelheit zu ihrem Vorteil zu nutzen.

Kurz darauf dringt Roat in die Wohnung ein – entschlossen, um jeden Preis an das Rauschgift zu gelangen …

Was zu sagen wäre

Die Herausforderung bei Kammerspielen im Kino ist, dass der beengte Spielraum wenig Platz für originelle, abwechslungsreiche Kamerapositionen und in sich wenig – buchstäblich – Schauplatz bietet. Da haben Art Director Tyrus Wong und Set Designer Ward Preston schon mal alles richtig gemacht, in dem sie als Schauplatz eine Souterrain-Wohnung gebaut haben, deren Eingangstür man über ein paar Stufen erreicht. Im vorderen Teil ist der Wohnbereich mit offener Küche, im hinteren Bereich ein Bad und ein Schlafzimmer, die man aber nur einmal im Anschnitt zu sehen bekommt. Weil dazu Audrey Hepburn eine zierliche Person ist, wirkt das Appartement gleich noch größer.

Audrey Hepburn ist eine großartige Besetzung (Wie klaut man eine Million? – 1966; My Fair Lady – 1964; Charade – 1963; Infam – 1961; Frühstück bei Tiffany – 1961; Denen man nicht vergibt – 1960; Geschichte einer Nonne – 1959; Ariane – Liebe am Nachmittag – 1957; Ein süßer Fratz – 1957; Krieg und Frieden – 1956; Sabrina – 1954; Ein Herz und eine Krone – 1953) und fantastisch in der Rolle des blinden, augenscheinlich wehrlosen Opfers, die drei brutalen Raubmördern gegenübersteht: „Verflucht nochmal, wir sind doch nicht im Kindergarten! Das ist die bitterböse Welt, von wilden Bestien bevölkert, die übereinander herfallen“, droht der zunehmend verzweifelter werdende Schurke der tapfer schweigenden Frau. „Wem sagen Sie das?“ erwidert die erstaunlich gelassene Blinde. Plakatmotiv: Warte, bis es dunkel ist (1967) Hepburn spielt das blindsein glaubhaft, bewegt sich zügig durch die Wohnung, in der alles steht, wo sie es hingestellt hat und wirkt sich mit zunehmender Unordnung in der Wohnung, nachdem die suche nach der Puppe ergebnislos geblieben ist, immer hilfloser – aber nur körperlich. Im Kopf bleibt sie sehr klar und analysiert messerscharf die Geräusche, die andere in ihrem Zuhause machen. Um das glaubhaft zu machen, hat das Drehbuch ihrem freundlich unauffälligen Ehemann eine etwas unschöne Charaktereigenschaft zugeschrieben: Er fordert seine Frau jeden Tag, ihren blinden Alltag alleine zu meistern, ja „Weltmeisterin unter den Blinden“ zu werden.

Dass die Gangster zahlenmäßig überlegen sind, spielt eine untergeordnete Rolle. Die Frage, warum sie die blinde Suzy nicht töten und anschließend auf der Suche nach der Puppe in Ruhe die Wohnung auseinandernehmen, wird oberflächlich gerade so glaubhaft erzählt. Allerdings wirken zwei der Männer auch kaum wie die bedrohlichen Killer, die sie sein müssten. Jack Weston (Cincinnati Kid – 1965; Die 27. Etage – 1965) wirkt, wie der gemütliche Dicke, der zum Schmiere stehen taugt und ab und zu eine Katze ertränkt, um sich abzureagieren. Richard Crenna (Kanonenboot am Yangtse-Kiang – 1966) wirkt als der charmante, hilfreiche Hausfreund, den er Suzy eine Weile vorspielen soll, wesentlich glaubwürdiger und ist schauspielerisch so limitiert, dass er am Ende gleichsam richtigerweise wie ein geprügelter Hund das Feld räumt.

Unheimlich hingegen und damit ein angemessener Gegenspieler der zierlichen Blinden spielt Alan Arkin (Siebenmal lockt das Weib – 1967) den Killer Harry Roat, der sogar im Dunkeln seine Sonnenbrille selten abnimmt. Er ist ruhig, spielt seinen Killer ganz zurückgenommen und geht tatsächlich über Leichen, um an die Koks-Puppe zu kommen. Und im Finale erschrickt er den Zuschauer einmal tief in den Sessel. <Nachtrag1997>Alan Arkin war ein großer Fan von Audrey Hepburn, daher brachte er es nicht übers Herz, seine Filmpartnerin am Set anzugreifen. Selbst der Gedanke, sie nur zu erschrecken, erschien ihm zu brutal.</Nachtrag1997>

Den Fingelnägerknabber-Höhepunkt erreicht Regisseur Terence Young (Spion zwischen zwei Fronten – 1966; Mohn ist auch eine Blume – 1966; James Bond 007 – Feuerball – 1965; James Bond 007 – Liebesgrüße aus Moskau – 1963; James Bond 007 jagt Dr. No – 1962), wenn alle Lichter aus sind, die Leinwand nahezu schwarz, die Zuschauer nur kleine Geräusche und Atmen hören, während nur Roat und Suzy in der Wohnung sind. Der Film startet gemächlich, wirkt, wenn man vorher gar nichts gelesen hat, beinahe sinnentleert, was Terence Young die Möglichkeit gibt, einige Hoppla-Überraschungen wie eine Leiche im Kleiderschrank einzubauen. Audrey Hepburn sorgt mit ihrer ganzen Erfahrung im Spielerischen, dass der Zuschauer sich dennoch keine Minute langweilt.

Gemeinsam mit ihrem Regisseur erlaubt sie sich einen kleinen Insider-Spaß. Einmal klopft sie im Treppenhaus an ihre Wohnungstür und fragt ihren Mann, der in der Wohnung ist, ob sie eintreten darf. Wer denn da sei, fragt der. Audrey Hepburn antwortet: „James Bond!“ Das ergibt überhaupt keinen Sinn an dieser Stelle – aber wo der Regisseur doch drei Bond-Filme gedreht hat.

Wertung: 8 von 8 D-Mark
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