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Plakatmotiv: My Fair Lady (1964)

Ein fröhlich buntes Musical
mit Splittern von Klassenkampf

Titel My Fair Lady
(My Fair Lady)
Drehbuch Alan Jay Lerner
nach dem Theaterstück "Pygmalion" von George Bernard Shaw
Regie George Cukor, USA 1964
Darsteller

Audrey Hepburn, Rex Harrison, Stanley Holloway, Wilfrid Hyde-White, Gladys Cooper, Jeremy Brett, Theodore Bikel, Mona Washbourne, Isobel Elsom, John Holland, Elizabeth Aimers, Helen Albrecht, John Alderson, Mary Alexander, Gertrude Astor, LaWana Backer, Walter Bacon, Al Bain u.a.

Genre Musical, Drama
Filmlänge 170 Minuten
Deutschlandstart
23. Dezember 1964
Inhalt

Der Phonetiker Professor Higgins wettet mit seinem Freund Colonel Pickering, aus der ungebildeten und derben Blumenverkäuferin Eliza Doolittle eine Dame der Gesellschaft zu machen.

Diese ist zunächst gar nicht angetan von der Idee, Unterricht zu nehmen, welchen ihr Higgins aufdrängt, doch als es darum geht, dass sie, die meist auf den Straßen Londons leben musste, ein Dach über dem Kopf bekommt, stimmt Eliza zu …

Was zu sagen wäre

Eine immens gute Laune versprüht dieser Film, als hätten sich die Schauspieler jeden Tag darauf gefreut, ans Set zu kommen, um weitere Szenen dieses musikalischen Märchens zu drehen, das lange vorgaukelt, dass es schöner ist, reich und gelangweilt zu sein, als arm aber von Freunden umgeben. George Cukor (Machen wir's in Liebe – 1960; Ein neuer Stern am Himmel – 1954; Ehekrieg – 1949; Die Nacht vor der Hochzeit – 1940; Vom Winde verweht" – 1939 (nicht genannt); Die Schwester der Braut – 1938) beginnt seinen Film in Covent Garden. Keine gute Gegend in London. Hier arbeitet Eliza Doolittle, verkauft kleine Blumensträuße, um sich ihr tägliches Überleben zu sichern.

Sie wird Spielball eines arroganten Upper-Class-Professors, der die Haltung vertritt, er könne einem Menschen „aus der Gosse helfen“, indem er ihm britisch-adäquates Auftreten beibringt. Die ersten 75 Minuten des bald dreistündigen Films gestalten sich deshalb etwas zäh. Plakatmotiv: My Fair Lady (1964) Der Film folgt dem sehr erfolgreichen Broadwaystück gleichen Titels, in dem Rex Harrison (als Higgins) mit Julie Andrews (als Eliza) spielte. Ich kann mir vorstellen, dass das am Broadway in der Aufführung sehr attraktiv war – sechseinhalb jähre wurde das Stück gespielt! Da war ich aber noch nicht geboren und als der Film in die Kinos kam, war ich drei Jahre alt.

Ich habe den Film also nicht im Kino auf der großen Leinwand und den Zauber der ersten Aufführungen schon gar nicht erlebt. ich bin pubertierender Teenager, als ich den Film das erste Mal – im Fernsehen – sehe. Daher fehlt mir ein bisschen der zeithistorische Charakter für den Film und deshalb finde ich die erste Stunde auch langweilig. Als Medienkind der 70er Jahre ahne ich schon, dass Eliza die strenge Ausbildung erfolgreich durchlaufen wird – da sind die Kostüme bunt, die Bauten gewaltig, die Handlung halt sehr Sechziger Jahre.

Witzig und charmant wird es, als Eliza mit feinstem British English in auf der Pferderennbahn in Ascot die feine Gesellschaft eingeführt wird und wir dort erleben, dass es eben nicht reicht, gestelzt daher zu reden, auch der Inhalt des Gesagten spielt eine Rolle. Am besten der feine Small Talk – Wetter und Gesundheit. Aber Eliza will, in bester Diktion plötzlich lautstark dem Pferd, auf das sie gesetzt hat, „Pfeffer in den Arsch“ streuen – ein mittlerer Eklat. Higgins allerdings, der arrogante Sprachprofessor, hat den Tag unter festlich gekleideten Reitsportfreunden in Tweed verbracht. Auch nicht gerade die hohe Schule britischen Benehmens. Rex Harrison (Cleopatra – 1963) kann in der Rolle seine langjährige Erfahrung ausspielen, die er am Broadway in dieser Rolle gesammelt hat, obwohl er für die Produzenten nach Cary Grant, die die Rolle empört zurückwies: „Ich sehe mir den Film nicht an, wenn Harrison nicht den Higgins spielt!“) erst zweite Wahl war. Arrogant stolziert er über das Blumenmädchen hinweg, behandelt sie als Versuchstier, nicht als Menschen. Und schon gar nicht als Frau, da ist der eingeschworene Junggeselle eisern, gibt seiner Abneigung Frauen gegenüber in drei Liedern Zucker. Schwierig soll es gewesen sein, Harrisons spezifischen Sprechgesang verständlich in den Kinosaal zu transportieren. Einfaches Dubbing, also lippensynchrones Nachsingen wirkte in diesem Fall nicht authentisch, Plakatmotiv: My Fair Lady (1964) deshalb geht Harrison in die Filmgeschichte als erster Filmschauspieler ein, der mit einem drahtlosen Funkmikrofon ausgestattet wurde.

Harrisons Broadway-Partnerin Julie Andrews war im Kino damals noch unbekannt. Die Produzenten weigerten sich daher, sie in ihrer 17-Millionen-Dollar-Produktion zu besetzen. Sie holten Audrey Hepburn, damals der große Star des zeitgenössischen Kinos (Charade – 1963; Infam – 1961; Frühstück bei Tiffany – 1961; Denen man nicht vergibt – 1960; Geschichte einer Nonne – 1959; Ariane – Liebe am Nachmittag – 1957; Ein süßer Fratz – 1957; Krieg und Frieden – 1956; Sabrina – 1954; Ein Herz und eine Krone – 1953). Sie singt letztlich nicht selbst. Sie nahm zwar die Lieder vorher auf, doch wurde im fertigen Film ihre Gesangsstimme durch die von Marni Nixon ersetzt. Es bleibt am Ende angenehm offen, ob sie und Higgins ein Paar werden – Hepburn war 21 Jahre jünger als Harrison, aber alte Männer und junge Frauen waren in jener Zeit für Hollywoodproduzenten kein größeres Problem. Hepburn spielt herausragend (ohne für einen Oscar nominiert worden zu sein). Ihr lebhafter – und vor allem: glaubhafter – Cockney-Akzent zu Beginn (der in der deutschen Synchronfassung in eine Berliner Schnauze verwandelt wurde) weicht feinstem Hochbritisch, gewohnt verschmitzt schüchtert und lacht sie sich durch ihre Szenen und unterstreicht ihre besondere Leinwandpräsenz.

Der Film ist ein großer, bunter Blumenstrauß, der sehr in seiner Musicalstruktur steckt. Wenn die Protagonisten sich nicht ansingen, reden sie miteinander, als stünden sie auf einer Theaterbühne; natürlich ist da kaum etwas. Aber es ist fröhlich und folglich findet sich am Ende eine neue gesellschaftliche Konstruktion: Reich sein und trotzdem von Gönnern und Freunden umgeben zu sein. Schön ist die Welt.

Das zu schaffen, ist Aufgabe eines guten Musicals.

Wertung: 6 von 7 D-Mark
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