Maggie Prescott, die so exzentrische wie erfolgreiche Herausgeberin des US-Modemagazins "Quality", ist nur selten mit den Einfällen ihrer Mitarbeiterinnen zufrieden. So entwickelt sie selbst die Idee, eine eigene "Quality"-Frau zu erschaffen, die die Ideale der modernen amerikanischen Frau verkörpern soll: eine nicht nur gut, sondern auch intelligent aussehende Frau.
Bei einer Fotosession in einem Buchladen entdeckt der Modefotograf Dick Avery die junge Buchhändlerin Jo Stockton, die nun die "Quality"-Frau werden soll. Doch der äußerst ernsthaften jungen Frau scheint nichts fremder zu sein als die schillernde Welt der Mode. Nur mit einem Trick gelingt es Dick, Jo zu überzeugen.
Die Fotoaufnahmen sollen in Paris gemacht werden, wo auch Professor Emile Flostre, Begründer des "Empathikalismus", wohnt und lehrt. Nach dieser Theorie muss jeder Mensch versuchen, sich in den anderen hineinzuversetzen. Als überzeugte Empathikerin sieht Jo die Chance, in Paris endlich einmal ihren Meister persönlich kennenzulernen. In der französischen Hauptstadt muss sie dann jedoch feststellen, dass der Professor mehr an ihrem Körper als an ihrem Geist interessiert ist. Kurzerhand verliebt sie sich in den Fotografen Dick.
Unter seinem Einfluss und natürlich mit Hilfe der wunderbaren Kollektion von Maggie Prescott verwandelt sich das unscheinbare Mädchen in eine verführerische Frau. Sie wird zum erfolgreichen Cover-Girl des Modemagazins …
In seinen besten Momenten kann Kino Fragen aufwerfen, die das Leben selbst stellt. Zum Beispiel: Was würde wohl passieren, wenn ich dem Mädchen in meiner Klasse, in das ich verliebt bin, das mich aber maximal als Klassenmitglied zur Kenntnis nimmt, plötzlich auf den Mund küssen würde? In Stanley Donens Film "Funny Face" macht das der Fotograf Dick Avery mit der Buchhändlerin Jo Stockton, deren diffizil sortierten Buchladen er und seine Assistentinnen gerade bei einem unangemeldeten Fototermin verwüstet haben. Die verwirrte Buchhändlerin, Anhängerin der Philosophie des "Empathikalismus", ist ein bisschen beeindruckt, schließt bei dem überraschenden Kuss sogar die Augen und fragt schließlich „Warum haben Sie das getan?“ „Empathie!“, antwortet der schneidige Fotograf. „Ich habe mich in Ihre Person versetzt und gefühlt, dass Sie einen Kuss haben wollten.“
Das Mädchen in meiner Klasse hätte mir wahrscheinlich eine gescheuert. Aber, weiß man's?
Na ja, der Film ist von 1957, vier Jahre vor meiner Geburt, und damals haben vielleicht die Frauen noch darauf gewartet, von einem fremden Mann aus ihrem Graue-Maus-Dasein geküsst zu werden – so, wie die Buchhändlerin Jo hier in ihrem schwarzen Kleid mit grauer Weste. Ich sehe den Film 1977 zum ersten Mal, 20 Jahre nach seiner Entstehung, in Deutschland ist Alice Schwarzer Wortführerin in der Diskussion um die Gleichberechtigung von Mann und Frau, es ist viel von Gewalt gegen Frauen die Rede und wenn ich das richtig verstanden habe, ist der Kuss des Fotografen in der Szene Gewalt.
Der Film "Funny Face" aber ist ein Musical. Musical ist fröhlich und leicht, da wird gesungen und getanzt, werden dramatische Szenen, die den Moment des ersten Kusses nur hinauszögern, kurz gehalten und dann fällt es auch nicht so auf, dass Fred Astaire ("Daddy Langbein" – 1955; "Königliche Hochzeit" – 1951), der den Fotografen spielt, 30 Jahre älter ist als Audrey Hepburn in der Rolle der Buchhändlerin. Hepburn soll sich aber sehr gefreut haben, mit Fred Astaire tanzen zu dürfen. In dem eingangs erwähnten Buchladen setzt das Musical die Vereinfachung der stereotypen gnadenlos um. Da sind die Assistentinnen des Modemagazins, alle ununterscheidbar hübsch und in pink gekleidet, die herrische Chefin des Magazins Maggie Prescott, großartig zickig gespielt und gesungen von Kay Thompson, die sich für das Zentrum der internationalen Modewelt hält. Und da ist die empörte Buchhändlerin, deren Laden von den ungeliebten Modeleuten usurpiert wird.
Jo: „Modemagazine sind eine unsachliche Beeinflussung des Zeitgeschmacks um ökonomischer Vorteile willen.“
Maggie: „Wird Schwierigkeiten geben, sie kann denken.“
Dick: „Mmh, sie kann auch noch reden.“
Jo: „Ich muss Sie ersuchen, das Geschäft zu verlassen. Wir …“
Maggie: „Wir ergeben uns Ihnen auf Gnade und Ungnade. Haben die armen, hilflosen Menschen nicht das Recht, ihren Lebensunterhalt zu verdienen?“
Jo: „Ich habe Sie gebeten zu gehen. Das ist mein Recht. Wenn die Rechte des Individuums nicht von der Mehrheit respektiert werden, kann die Mehrheit selbst nicht lange existieren.“
Maggie: „Kannst du mir das übersetzen?“
Dick: „Das ist sowas wie Behandele andere so, wie Du selbst von anderen behandelt werden möchtest.“
Im Musical sprechen, bzw. singen die Äußerlichkeiten: Die graue Buchverkäuferin mit elaborierter Sprache gegen einfältige Mannequins von hergerichteter Schönheit.
In Deutschland hat der Film einen schweren stand wegen seines Filmtitels "Ein süßer Fratz". Mag sein, dass man hierzulande kleine Kinder hin und wieder noch "Fratz" nennt, aber Audrey Hepburn ist 28, als der Film ansteht und in keiner Hinsicht ein Fratz. "Funny Face", lustiges (fröhliches) Gesicht, trifft den Kern besser, denn es ist im Film allein Hepburns Gesicht, von allem störenden Tand wie Haare und Schmuck befreit, das die Modewelt auf die Knie sinken lässt. Der Fotograf hat es in seiner Dunkelkammer aus einer Testaufnahme aus der Bücherei gefiltert und schnell wird aus der visuell grauen Maus mit dem lustigen Gesicht eine elegante Erscheinung, deren Schönheit durch die großartigen Kleider der Kostümbildnerin und mehrfachen Oscarpreisträgerin Edith Head nur umrahmt werden kann. Bei einer Wiederaufführung in Deutschland hieß der Film Jahre später "Das rosarote Mannequin".
Die Geschichte ist einem Musical angemessen einfach gestrickt. Der Fotograf, dem bisher der äußeren Schein für seine Fotokunst reichte, verliebt sich in die inneren Werte seines Fotomodells und wird ein besserer Mensch. Der französische Nebenbuhler, ein stets in schwarz gekleideter, von der Buchhändlerin verehrter Professor des Empathikalismus, interessiert sich entgegen den Inhalten seiner Philosophie überhaupt nicht für innere Werte und will die Amerikanerin nur ins Bett zerren. Die Buchhändlerin, die schon im ersten Bild in ihrem dunklen Kleid in ihrer dunklen Buchhandlung Audrey Hepburns Schönheit besaß (Krieg und Frieden – 1956; Sabrina – 1954; Ein Herz und eine Krone – 1953), wird erwachsen, heißt: Sie muss keine klugen Sätze mehr sprechen (s.o.), darf stattdessen schöne Kleider tragen und vom freundlichen Fotografen geheiratet werden.
Dass die Frau in dieser Aufzählung nur zweite Gewinnerin bleibt, sei einmal mehr der Zeit geschuldet, in der dieses Musical entstand, das abseits dieser Impression ein fröhlicher Gute-Laune-Macher erster Güte ist. Intelligente Texte für die vielen Gesangseinlagen begleiten wunderbare Tanzszenen, in denen Hepburn die schönste hat. Stanley Donen ("Eine Braut für sieben Brüder" – 1954; Du sollst mein Glücksstern sein – 1952) macht sich ausgiebig über die Stereotypen lustig, mit denen US-Amerikaner Franzosen sehen – die Amerikaner sind die großen, das Leben begrüßenden Optimisten, die Franzosen die dunklen, grüblerischen Philosophen, die es mit dem Sex nicht so eng nehmen. In einem Kellercafé im Quartier Latin voll solcher dunkler Pariser "Philosophen" legt die unscheinbare Buchhändlerin ein Existenzialisten-Ballett mit hohem Spaßfaktor auf den Tanzboden, dem Astaire, der Tanzästhet der alten Schule, mit fröhlich gespielter Fassungslosigkeit folgt. Es heißt, Audrey Hepburn sei eine leidenschaftliche Tänzerin. Das sieht man in dieser Szene, in der sie gut gelaunt, ja übermütig durch die Kellerbar springt und tanzt. Da kann Startänzer Fred Astaire mit seinen Einlagen, in denen er virtuos mit Regenschirm und Hut hantiert, schwer mithalten. "Funny Face" zeigt im Guten wie im Schlechten die Qualitäten Hollywoods.
Der latent kolonialistischen Grundhaltung, es besser zu wissen als der Rest der Welt, und der spießigen Haltung in Fragen zeitgemäßer Lebensführung steht absolut professionelles Handwerk gegenüber, ausgeführt von Menschen, denen das sichtbar keine Qual bedeutet, sondern reine Freude. Menschen, denen es auch mal weniger Freude und auch mal Qual bedeutet, fallen in der Maschinerie der Traumfabrik Hollywood durch den Rost. Aber das ist jetzt der Blick ins wahre Leben, aus dem uns dieser herrliche Film gerade entführt.