IMDB

Videocover: Die Schwester der Braut (1938)

Feuerwerk intelligenter Wortgefechte
zwischen auf Männer fixierten Frauen

Titel Die Schwester der Braut
(Holiday)
Drehbuch Ogden Stewart & Sidney Buchman
nach dem gleichnamigen Theaterstück von Philip Barry
Regie George Cukor, USA 1938
Darsteller

Katharine Hepburn, Cary Grant, Doris Nolan, Lew Ayres, Edward Everett Horton, Henry Kolker, Binnie Barnes, Jean Dixon, Henry Daniell, Harry Allen, Frank Benson, Aileen Carlyle, Edward Cooper, Margaret McWade, Frank Shannon, Charles Trowbridge, Marion Ballou, Brandon Beach u.a.

Genre Komödie, Romanze
Filmlänge 95 Minuten
Deutschlandstart
25. Dezember 1971 (TV-Premiere)
Inhalt

Johnny Case und Julia Seton haben sich im Urlaub kennengelernt und Hals über Kopf ineinander verliebt. Er ist ziemlich überrascht, als er feststellt, dass sie aus einer der reichsten Familien Amerikas stammt. Julias Vater Edward Seton hat beträchtliche Zweifel, Johnny als Schwiegersohn zu akzeptieren, schließlich kommt der junge Mann aus einfachen Verhältnissen.

Julias rebellische Schwester Linda ist von Johnny als Schwager von Anfang an begeistert. Linda unterscheidet sich offenkundig vom Rest ihrer konservativen Familie. Sie hält nicht viel vom großen Wohlstand, der sie umgibt. Als sie bemerkt, dass Johnny ähnlich denkt, fühlt sie sich zu ihm hingezogen.

Unterdessen wird deutlich, dass die Familie trotz ihres Reichtums große Probleme hat: Die Ehe zwischen Edward Seton und seiner verstorbenen Frau verlief unglücklich; ihr Sohn Ned, der ursprünglich Musiker werden wollte und nun in seiner Position als Firmenerbe gefangen ist, hat mittlerweile ein ernstes Alkoholproblem. Plakatmotiv: Die Schwester der Braut (1938) Am prunkvollen Silvesterabend, an dem die Verlobung des Paares bekannt gegeben wird, begegnet Johnny erstmals der ebenso arroganten wie zynischen Welt des New Yorker Geldadels. Er entzieht sich der Gesellschaft und feiert mit Linda eine ausgelassene Gegenparty.

Für Julia und ihren Vater läuft die Situation vollends aus dem Ruder, als Johnny ihnen erklärt, dass er sich mit dem Geld, das er angespart hat, vorläufig aus dem Erwerbsleben zurückziehen und die Welt bereisen möchte. Linda findet die Idee großartig; Julia und ihr Vater versuchen, Johnny davon abzubringen. Er muss sich entscheiden …

Was zu sagen wäre

Ein Film mit vager Ausgangssituation – Julia und Johnny verlieben sich im Skiurlaub – und der für einen Film aus dem Jahr 1938, also noch während der Great Depression, bemerkenswerten Grundhaltung, dass Geld verdienen, um weiteren Reichtum anzuhäufen, keine Befriedigung verschafft. "Die Schwester der Braut" war, als er damals in die Kinos kam, kein großer Erfolg, hätte für Katherine Hepburn sogar beinahe den Stempel "Kassengift" bedeutet. Die in die Millionen zählenden arbeitslosen Kinogänger waren möglicherweise nicht bereit für eigenständige Frauen mit eigenen Ideen und für Männer, die lieber die Welt entdecken als ordentlich Geld verdienen wollen.

Die Vorlage, das Theaterstück "Holiday" hatte Philip Barry allerdings schon Mitte der 1920er Jahre geschrieben, in den Roaring Twenties, dieser gefühlt ewigen Party, als noch keiner an einen Schwarzen Freitag dachte, der dann im Oktober 1929 in Form eines Börsenkrachs über die Welt hereinbrach. Jahrzehnte später lässt sich der Film ganz anders, entspannter sehen; bei uns wurde er zum ersten Mal Ende 1971 im Fernsehen gezeigt. Da hatten wenige Monate zuvor unter Anleitung von Alice Schwarzer prominente Frauen im Magazin "Stern" erklärt, dass sie abgetrieben hätten; damals ein wochenlang die Gesellschaft aufwühlendes Thema. Dagegen waren die beiden Frauen in George Cukors Komödie geradezu herzerfrischend altmodisch auf den Mann fixiert.

Es wird die ganze Zeit nicht klar, was eigentlich Julie an diesem Johnny mit seinen klaren Vorstellungen von Welt bereisen, Leben erkunden und erst dann entscheiden, wohin die eigene Reise gehen soll, fasziniert haben könnte, als sie ihn in Placid beim Skifahren kennenlernt. Die beiden passen mit ihren unterschiedlichen Vorstellungen nicht zueinander. Julie, zweitälteste Tochter, die noch einen jüngeren Bruder hat, der dem Elend der familiären Zwänge mit ordentlich Alkohol zu Leibe rückt, kommt aus altem New Yorker Geldadel und hat offensichtlich keine Vorstellung für ihr Leben. Sie sucht einen Mann, der nicht reich sein muss, aber bitteschön doch reich werden will. Ihre Schwester Linda, die älteste Tochter im Haus, kann mit Geldvermehrung nichts anfangen, man fragt sich allerdings, ob ihr wenigstens bewusst ist, welche Startchancen sie als Tochter eines der Könige der Wall Street hat – wer mit dem Goldenen Löffel im Mund geboren wird, denkt nicht zwangsläufig als erstes an Geldvermehrung. Plakatmotiv: Die Schwester der Braut (1938) Sie träumt unverbindlich davon, aus dem Goldenen Käfig auszubrechen, aber seit sie aus dem prunkvollen Spielzimmer im fünften Stock des prächtigen Familienwohnsitzes in Manhattan herausgewachsen ist, blickt sie nur noch jammernd zurück ohne eigene Idee nach vorn. Das ändert sich erst, als der richtige Mann auftaucht – erst als Julie mit dem unorthodoxen Johnny auftaucht, ist bald auch Linda Feuer und Flamme. Unorthodox findet sie gut; freilich immer noch ohne Idee für das eigene Leben. Für dessen Ausgestaltung wäre dann Johnny zuständig, der ja schließlich schon Ideen hat.

George Cukors Komödie ist ein Kammerspiel, dass seinen Ursprung auf der Theaterbühne nicht versteckt. In wechselnden Konstellationen befeuern sich die Protagonisten ununterbrochen mit eleganten Wortgefechten, stolpern durch hilflosen Small Talk, reden mit ihren Lebensvorstellungen aneinander vorbei und bleiben doch standfest in ihren Überzeugungen. Verändern tun sich Linda und Johnny, der die Liebe zu Julia erst in Zweifel zieht, als er auf dem Silvester-Empfang erstmals der ebenso arroganten wie zynischen Welt des New Yorker Geldadels begegnet. Cary Grant spielt den Johnny mit der körperlichen Agilität, die er in seiner Jugend im Zirkus erlernt hat, und der klaren Vorstellung eines erfüllten Lebens. Kaum ist die Verlobung mit Pomp verkündet, entzieht er sich der Gesellschaft und feiert lieber mit Linda und seinen besten Freunden, dem Professorenpaar Nick und Susan Potter, eine ausgelassene Kleinparty im verlassenen Kinderzimmer der Setons.

Als Julia zum guten Schluss offenbart, dass sie tatsächlich mit Johnnys abweichenden Vorstellungen überhaupt nichts anzufangen weiß und sie dankbar ist, dass er sie verlässt, sitzt der moderne Zuschauer (ab den 1970er Jahren) da und denkt: Zeit wird's. So können nun Linda, die qua Geburt wirtschaftlich abgesicherte "Rebellin", und der engagierte Leben- und Welterkunder Johnny auf Weltreise gehen und sich später ein eigenes, aufregendes, vor Liebe strotzendes Leben aufbauen. Julia wird wohl einen langweiligen Banker oder ebenso langweiligen Anwalt heiraten, Kinder gebären, jederzeit jedermann freundlich lächelnd begrüßen und hinter vorgehaltener Hand über alle lästern (wie wir das auf de Silvester-Empfang erlebt haben).

Aber beide Frauen, so unterschiedlich die Schwestern sind, definieren sich ausschließlich über den Mann an ihrer Seite. Linda, gespielt von der smarten Katharine Hepburn (Leoparden küsst man nicht – 1938) lebt ein Mauerblümchendasein mit Vorstellungen für ein Leben, das ihr niemand zubilligt. Erst, als sie sich ein bisschen verbotenerweise in Johnny, den Verlobten ihrer Schwester Julie, verliebt, lebt sie auf und holt auf den Ausbruch. Julie wiederum, Augenstern ihres Vaters und Clanchefs, will alles richtig machen und also heiraten, selbst, wenn es ein Mann ist, der sich Geld und gesellschaftliche Stellung erst noch erarbeiten muss.

"Die Schwester der Braut" ist eine temperamentvolle Komödie, eine Art Vorläufer des Films Die Nacht vor der Hochzeit (1940) vom selben Regisseur: Beides sind Meisterwerke der 'sophisticated comedy', beiden liegen Broadway-Stücke von Philip Barry und Drehbücher von Donald Ogden Stewart zugrunde.

Wertung: 6 von 8 D-Mark
IMDB