Karen und Martha sind schon lange eng befreundet. In einer konservativen Region der Vereinigten Staaten haben sie ein Mädchenpensionat eröffnet, das nach einer anfänglichen Durststrecke zu florieren beginnt. Ein häufiger Besucher ist der Arzt Joe Cardin, mit dem Karen verlobt ist. Martha weiß nicht recht wieso, doch hat sie das Gefühl, auf den Verlobten ihrer besten Freundin eifersüchtig zu sein.
Dann werden der Alltag und das sonst friedliche Zusammenleben im Pensionat durch eine der Schülerinnen gestört: Die aufsässige Mary Tilford ist jähzornig, ärgert ihre Mitschülerinnen und scheut sich nicht, die beiden Lehrerinnen anzulügen. Karen und Martha ziehen daraus die Konsequenz, das Mädchen zu bestrafen. Mary fühlt sich ungerecht behandelt und nimmt sich vor, sich an den Lehrerinnen zu rächen.
Sie erzählt ihrer reichen Großmutter Amelia Tilford, sie habe die beiden Lehrerinnen in einer unzweideutigen Situation beobachtet. Um mit dieser Geschichte nicht allein dazustehen, bedient sie sich mittels Erpressung ihrer kleptomanischen Mitschülerin Rosalie. Entsetzt von der Neuigkeit informiert Marys Großmutter die Eltern der anderen Kinder. Das Gerücht verbreitet sich wie ein Lauffeuer, und schon nach kurzer Zeit haben alle Familien ihre Töchter aus dem Pensionat genommen.
Die beiden jungen Frauen sind verzweifelt. Nicht nur stehen sie unternehmerisch vor dem Aus, auch sind sie zum Dorfgespräch geworden und werden gemieden. Zusammen mit Joe stellen sie die kleine Mary zur Rede und fordern eine Richtigstellung, schließlich strengen sie sogar einen Prozess an. Ihr Ruf ist zerstört, und damit nicht genug: Karens Verlobter hat Zweifel an der Beziehung, während Martha unter dem Druck den Boden unter den Füßen verliert …
Es kann der Frömmste nicht nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, heißt es bei Schillers "Wilhelm Tell". Es reicht das böse Kind. William Wyler verfilmt nach 1936 zum zweiten Mal das Theaterstück "The Children’s Hour" von Lillian Hellman. Damals gab er dem Stück ein Happy End, was weder der Intention des Stückes gerecht wird, noch dem Film gut tat. Auch 1961 noch musste Wyler ganz schön rumeiern, um zu verhindern, dass sein Film bei der Zensur aneckt. Auf Drängen des Filmstudios United Artists, das aufgrund der Thematik lesbischer Liebe ein Verbot befürchtete, musste er so viele Änderungen am Drehbuch vornehmen, dass er schließlich behauptete, dass dieser Film die erste Version von "The Children’s Hour" sei.
Es ist kein Stück über lesbische Liebe. Die ist nur der Auslöser für das Drama, das nun seinen Lauf nimmt. Es ist ein Stück über verklemmte Erwartungen, ein Stück über Menschen, die Regeln befolgen, deren Urheber niemand kennt. Als Lillian Hellman ihr Stück schrieb, war das Gerücht, dass da zwei Lehrerinnen mehr füreinander empfinden könnten, als kollegiale Freundschaft, schon für sich genommen existenziell. Als Wyler seine zweite Filmversion inszeniert, ist die Gesellschaft ein wenig weiter, aber lesbische Liebe darf immer noch nicht ausgedrückt werden.
Ich sehe den Film Mitte der 1980er Jahre. Da ist das homosexuelle Thema zwar virulent, aber nicht mehr so zentral, wie in den 30er Jahren. Er liefert das Porträt einer unfreien Gesellschaft. Ein kleines Mädchen stottert ein paar fragwürdige Sätze über ihre Lehrerinnen und eine ganze Gesellschaft zieht den Schwanz ein. Das Stück bietet eine Erpressung unter zwei Schülerinnen als Motor des Dramas an, aber interessant ist ja doch, wie die Erwachsenen auf dieses Kindersprech reagieren – weil es sich um eine Privatschule handelt, dürfen wir die Eltern im Bereich der Unternehmenslenker, Generäle und Juristen verorten, Menschen also, die akademische Weihen erfahren haben – aber offenbar nichts dazu gelernt haben. Statt dessen haben sie furchtbare Angst. Man weiß nur nicht genau, wovor. Niemand spricht. Die stumm beklagten Frauen werden gesellschaftlich ausgelöscht. Ihr Ruf, ihr Lebensunterhalt, ihre Daseinsvorsorge sind dahin. Gut zu machen ist da nichts mehr. Haben die Eltern Angst, ihren lieben Kleinen könnten nachts auf ihren Zimmern „unnatürliche Lebensweisen“ beigebracht werden? Oder haben sie einfach Angst, gesellschaftlich geächtet zu werden, wenn sie nicht mit der Herde laufen? Der Film lässt das offen.
William Wyler (Ben Hur – 1959; Weites Land – 1958; An einem Tag wie jeder andere – 1955; Ein Herz und eine Krone – 1953; "Carrie" – 1952; "Die Erbin" – 1949) verfolgt das Geschehen mit dokumentarischer Kamera. Selten stechen künstlerisch bemerkenswerte Sequenzen heraus, etwa, wenn seine Kamera ein Gesicht sehr close hat und im Hintergrund, ebenfalls scharf, ein zweites Gesicht agiert. Seinem Film sieht man die Bühnenwurzeln deutlich an, immer wieder verstricken sich die Figuren in lange, geschliffene Dialoge, in denen es um Glauben und Wissen, Recht und Unrecht, Schuld und Vergebung geht. Kaum geht es mal um die Frage, was an der kolportierten, nicht bewiesenen Lebensweise der Frauen anstößig sein sollte. Das mag der Zeit der Entstehung des Stückes geschuldet sein, bietet dafür heute einen interessanten Blick in andere gesellschaftliche Zeiten. Die Frauen machen sich verdächtig, weil sie mit Mitte 20 noch nicht verheiratet sind – die eine hat ja nicht einmal einen Freund – und gerne abseits der heimischen Küchen und Socken arbeiten. Wenigstens bilden sie Kinder heran; dass sie sich auch noch bezahlen lassen für etwas, was Ehefrauen und Mütter jener Zeit so selbstverständlich wie unbezahlt machten, macht den Ruf der beiden Freundinnen seit Kindheitstagen nicht besser.
Der Niedergang der beiden Frauen ist besiegelt, da ist der Film gerade mal 40 Minuten alt. Auch die Gerichtsverhandlung, die die beiden Freundinnen außerhalb der verfilmten Handlung wegen Verleugnung angestrengt hatten, ist schon zu ihren Ungunsten entschieden. Da wird es ein bisschen gruselig. Vor dem Haus der beiden Frauen halten Männer in ihren Pick-up-Trucks und glotzen hinein, einer kommt sogar mehrmals einfach zur Tür hinein – „Ich habe geklingelt, aber Sie haben aufgemacht.“ – spaziert durchs Haus und grinst die Frauen lüstern an. Selbst die erfrischende Liebesbeziehung zwischen Karen und dem Arzt Joe ist unter dem Druck zum Scheitern verurteilt. Ein langes Streitgespräch beider legt Joes Zweifel, die sogar verständlich scheinen, offen. Wyler gönnt Audrey Hepburn (Frühstück bei Tiffany – 1961; Denen man nicht vergibt – 1960; Geschichte einer Nonne – 1959; Ariane – Liebe am Nachmittag – 1957; Ein süßer Fratz – 1957; Krieg und Frieden – 1956; Sabrina – 1954; Ein Herz und eine Krone – 1953) hier in ihrer Verzweiflung einige Großaufnahmen und unterstreicht mit deren großen Augen die Ausweglosigkeit des Dramas.
Hepburn hat als Karen den Part der fokussierten, nach vorne schauenden Frau, die einen klaren Plan für ihr Leben hat. Ihre Partnerin, Martha, ist die Gefühlvolle, die, wenn es schwierig wird, erst einmal in die Küche verschwindet. Shirley MacLane (Das Appartement – 1960; Immer Ärger mit Harry – 1955) verschwindet ganz und gar hinter der Maske der ob ihrer Wehrlosigkeit verzweifelten Lehrerin, die doch nichts wollte, als Kindern eine gute Basis fürs Leben zu geben. Eines dieser Kinder hat statt dessen Martha die Basis fürs Leben genommen.
Was tun, wenn man niemanden mehr von der Wahrheit überzeugen kann? Und wenn man beginnt, die eigenen Gefühle anzuzweifeln? Das Drama hätte nicht verfilmt werden müssen. Die Leinwand gibt dem Stück nichts, was es nicht immer schon – und schärfer – hatte. Allerdings bietet es gefeierten und kommenden Schauspielern eine großartige Gelegenheit, mit Talent und beeindruckender Spielfreude zu glänzen.