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Plakatmotiv: Die 27. Etage (1965)

Rätselraten in scharfem Schwarz-Weiß zwischen
Männern, die sich für was Besseres halten

Titel Die 27. Etage
(Mirage)
Drehbuch Peter Stone
nach dem Roman "Die 27. Etage" (Fallen Angel) von Howard Fast (als Walter Ericson)
Regie Edward Dmytryk, USA 1965
Darsteller

Gregory Peck, Diane Baker, Walter Matthau, Kevin McCarthy, Jack Weston, Leif Erickson, Walter Abel, George Kennedy, Robert H. Harris, Anne Seymour, House Jameson, Hari Rhodes, Syl Lamont, Eileen Baral, Neil Fitzgerald u.a.

Genre Thriller
Filmlänge 108 Minuten
Deutschlandstart
29. Oktober 1965
Inhalt

Atomwissenschaftler David Stillwell muss hilflos mitansehen, wie sein Chef aus einem Fenster im 27. Stock in den Tod stürzt. Stillwell verliert aufgrund des Schocks sein Gedächtnis.

Plötzlich bekommt er es aus für ihn mysteriösen Gründen mit unbekannten Verfolgern zu tun. Nachdem Stillwell bei der Polizei abblitzt, engagiert er einen Privatdetektiv der die rätselhaften Vorgänge entschlüsseln soll …

Was zu sagen wäre

Ein Stromausfall. Ein Fenstersturz. Und plötzlich ist die Erinnerung weg. Dafür wirst Du von schießwütigen Irren gejagt. Eben hast Du noch in aller Harmlosigkeit in Deinem Büro gewerkelt. Du wunderst Dich höchstens, wieso Dein Bürokomplex nur ein Kellergeschoss hat, wo Dein Büro doch im vierten Untergeschoss ist.

Edward Dmytryk macht es spannend. Und der Seitenblick auf Der unsichtbare Dritte (1959) drängt sich schon auf, wenn ein unbescholtener Mann, gespielt von einem veritablen Star, Gregory Peck, als unbescholtener Mann in Schwierigkeiten gerät.

Plakatmotiv: Die 27. Etage (1965)

Aber Dmytryk ("Die linke Hand Gottes" – 1955; Die Caine war ihr Schicksal – 1954) schielt nicht auf das zweischneidige Marketing eines Films à la Hitchcock. Er macht sein eigenes Ding, filmt in kontrastscharfem Schwarz-Weiß und greift nicht zum Mittel des Suspense. David Stillwell muss erst herausfinden, was eigentlich los ist; anders, als bei Hitchcock, der die Motivation der Handlung meistens recht früh offen legt und das MacGuffin nennt – ein Atomkoffer, eine teure Skulptur, irgendwas, das die Figuren in Bewegung zwingt. In "Mirage" ist das Rätsel Teil der Spannung.

Der Held kann niemandem trauen, nicht einmal sich selbst, weil er gar nicht weiß, wer und was er ist. Diesen Rat Suchenden spielt Gregory Peck, in seinen Rollen geübt darin, auch im Chaos einen klaren Kopf zu behalten (Ein Köder für die Bestie – 1962; Die Kanonen von Navarone – 1961; Weites Land – 1958; Bravados – 1958; Moby Dick – 1956; Ein Herz und eine Krone – 1953; "Schnee am Kilimandscharo" – 1952; Der Scharfschütze – 1950; Der Kommandant – 1949; Der Fall Paradin – 1947; Duell in der Sonne – 1946; Ich kämpfe um dich – 1945).

Peck ist für solche Rollen geeignet. Mit seinem kantigen Gesicht kann er jeden Zweifel per Augenbrauen-Lupfen markieren und gleichzeitig über seine warmen Augen Vertrauen signalisieren. Letzteres ist nötig, weil eine Frau im Spiel ist – natürlich – in diesem Fall sogar seine ehemalige Geliebte. Ehemalige Geliebte in einem Thriller wie diesem sind eine doppelte Bedrohung. Sie muss nicht nur der verlorenen Erinnerung Stillwell standhalten. Sie hat einst zudem auch ihn verlassen, nicht umgekehrt. Was mag das für Gründe haben? Diane Baker (Marnie – 1964) macht daraus ein schmerzhaftes Rätsel – ihre großen Augen signalisieren in jeder Großaufnahme Vertraue mir!. Aber in der nächsten Totalen verschweigt sie schon wieder etwas.

An diesem Punkt kommt eine Paraderolle für Walter Matthau ("Angriffsziel Moskau" – 1964; Charade – 1963). Dem Mann steht ins Gesicht geschrieben, dass er ein Loner ist – keine Familie, keine Freunde – einer, der sich halt durchschlägt im Leben. Matthau spielt diesen Privatdetektiv Ted Caselle als unbestechlichen Profi, der seit Tagen nicht aus seinem Anzug gekommen ist. Eine schöne Rolle. 

Das gruselige an diesem Thriller offenbart sich erst gegen Ende. Da steht ein Magnat am Fenster seines Büros hoch über der Stadt, blickt hinunter und sagt: „Siehst Du die Menschen. Sie wirken wie Ameisen.

Darum geht es in diesem Film eigentlich: Einige wenige – Vermögende – halten sich für besser als den großen Rest, nehmen für sich in Anspruch, deshalb weit reichende Entscheidungen treffen zu dürfen – und wenn dabei Menschen drauf gehen, ist das im Sinne des Größeren Ganzen schon nicht so schlimm. Wir erkennen sie im Film an einem Schlüsselanhänger, auf dem steht „The Future is here“.

Neben dem ganz persönlichen Drama, das die Hauptfigur des Films lösen muss, erzählt Edward Dmytryk uns eine Geschichte darüber, dass wir nach dem Kino zwar zur Wahlurne gehen können, um Politiker zu wählen, die unser Land gestalten, unserem Leben einen Rahmen bauen sollen.

Aber eigentlich sitzen jene, die unsere Zukunft definieren, längst in Büros hoch über uns und halten uns für Ameisen.

Wertung: 6 von 8 D-Mark
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