Ein riskantes Unterfangen und zugleich ein Raub, der sich lohnt: Wir schreiben das Jahr 1855. Regelmäßig bringt ein Zug 25.000 Pfund Gold von London nach Folkestone, um die britischen Soldaten im Krimkrieg zu besolden. Edward Pierce, ebenso charmant wie verschlagen, will sich das Geld unter den Nagel reißen. Auf zwei Komplizen kann er dabei bauen: Zum einen ist da seine Freundin Miriam, zum anderen der Schlüsselspezialist Agar.
Pierce hat jede Unterstützung nötig, schließlich wurden die Sicherheitsvorkehrungen des Zuges gerade von Scotland Yard verstärkt. Zudem erweist es sich als schwierig, an die vier nötigen Tresorschlüssel zu gelangen. Um den Aufbewahrungsort des ersten Schlüssels zu erfahren, muss sich Edward zunächst als Heiratskandidat in die snobistische Familie eines hohen Bankbeamten einschleusen und unbemerkt in deren Weinkeller eindringen.
Um an den zweiten Schlüssel zu kommen, den ein Bankier stets um seinen Hals trägt, ködert er diesen mit Hilfe seiner Freundin und lockt ihn in ein Bordell. Die letzten beiden Schlüssel erfordern ein besonderes Kunststück: Es muss in die stark bewachte Amtsstube des Bahnhofs eingebrochen werden.
Und dann bietet die Zugfahrt selbst noch das ein oder andere Hindernis …
Unabhängig davon, dass die Genretypisierung oben als "Abenteuer, Krimi" eher nur so halbwegs stimmt, kann man im vorliegenden Fall auf jeden Fall von einem multiplen Film sprechen. Michael Crichton präsentiert uns mit seinem Heist-Movie – der bisweilen auch als "Der (erste) große Eisenbahnraub" in die Kinos kommt, weil im angelsächsischen Sprachgebrauch der Great Train Robbery mit einem Überfall auf einen Postzug anno 1963 verknüpft ist – mehrere Erzählungen, an deren Ende erst der eigentliche Eisenbahnraub steht.
Den größten Teil der Filmhandlung bestreitet die Beschaffung von vier verschiedenen Tresorschlüsseln, die notwendig sind, um die beiden Tresore im Transportwaggon des Zuges zu öffnen, die alle an verschiedenen Orten von verschiedenen Personen aufgehoben werden. Daraus entstehen Kurzfilme über Heiratsschwindel, Beischlafdiebstahl, Trickbetrügereien und einen minutiös geplanten Einbruch in das Büro des Bahnhofvorstehers, für den zwingend auch noch ein genialer Fassadenkletterer gebraucht wird, der aber erst überzeugt werden muss, aus einem als Ausbruchsicher geltenden Gefängnis zu klettern. Einen weiteren Kurzfilm ergeben die Geplänkel der drei Hauptfiguren.
Sean Connery, der das Mastermind Pierce spielt, ist dabei die undurchsichtigste Figur. Gut, der Mann hat bis vor einigen Jahren James Bond verkörpert und gilt damit als genügend zuverlässig, schon kein Arschloch zu sein – auch wenn er alles daran setzt, wie eines zu wirken. Wer er ist, wo er herkommt, wo er hin will, das sind Fragen, die der Film offen lässt. Connery sonnt sich in seinem Ruhm des gewesenen Bond und darf seinem Nachfolger vormachen, wie man diesen Geheimagenten richtig ausfüllt, indem er minutenlang auf dem Dach eines dahin rasenden Zuges herumklettert – ohne sich, so die Werbung zum Film, dabei doubeln zu lassen: Ob Roger Moore das auch könnte? Eigentlich egal. Auch egal für diesen Film, aber trotzdem schwingt Connerys 007-Vergangenheit hier immer mit, weil … der Mann sieht gut aus, hat ein aufreizenden Schelmenlächeln, kurz: die Ausstrahlung eines Kinohelden (Die Brücke von Arnheim – 1977; Robin und Marian – 1976; Der Mann, der König sein wollte – 1975; Der Wind und der Löwe" – 1975; Die Uhr läuft ab – 1975; Mord im Orient-Express – 1974; Zardoz – 1974; James Bond 007 – Diamantenfieber – 1971; Das rote Zelt – 1969; James Bond – Man lebt nur zweimal – 1967; James Bond – Feuerball – 1965; James Bond – Goldfinger – 1964; Marnie – 1964; Die Strohpuppe – 1964; James Bond – Liebesgrüße aus Moskau – 1963; James Bond 007 jagt Dr. No – 1962; Der längste Tag – 1962). Aber den Beweis, ein variantenreicher Schauspieler zu sein, bleibt er schuldig. Das Drehbuch verlangt aber auch nicht danach – Connerys Pierce ist vom ersten bis um letzten Frame der geheimnisvolle, in der Maske auf sonnengebräunt geschminkte Gewinner, um den wir uns nicht sorgen müssen.
Im Zirkus wäre Connery der weiße Clown, der nur funktioniert, weil er den Dummen August an seiner Seite weiß – also den mit der roten Knollennase und dem bunt geschminkten Gesicht. Im vorliegenden Film ist das der fingerfertige Taschendieb und Schlüsselspezialist Agar, den Donald Sutherland spielt (Ich glaub', mich tritt ein Pferd – 1978; Kentucky Fried Movie – 1977; Der Adler ist gelandet – 1976; "Fellinis Casanova" – 1976; 1900 – 1976; "Der Tag der Heuschrecke" – 1975; Wenn die Gondeln Trauer tragen – 1973; "Klute" – 1971; Stoßtrupp Gold – 1970; M.A.S.H. – 1970; Das dreckige Dutzend – 1967). Agar ist der treue Partner, der immer wieder den Kopf hinhalten muss, ein Meister seiner Profession, der Langfingerei, aber im Film der Punchingball für das strahlende Mastermind Pierce, die Lachnummer, die jammert und zweifelt. Es passt, dass Sutherlands Dummer August in einer Szene als endgültiger Gegensatz zu seinem Sonnenstudio gebräunten Herrn und Gebieter als grünhäutige, verwesende Leiche geschminkt auftreten muss.
Die Dritte im Bunde ist Lesley-Anne Down (Inspektor Clouseau – Der beste Mann bei Interpol – 1976). Sie ist keine Spezialistin, kein Mastermind und keine Expertin im Straßenraub. Als Pierce' Freundin Miriam ist sie dafür da, wann immer nötig im knappen Bustier über großzügigem Ausschnitt notgeile, alte Männer von einer aktuellen Situation – Schlüsseldiebstahl, Zugraub – abzulenken. Was mit ihr nach Ende des Abenteuers passiert – wir befinden uns immerhin im 19. Jahrhundert, damals waren Frauen noch sehr von ihrem männlichen Begleiter abhängig – spielt für den Film keine Rolle; schubst Pierce sie in die Gosse? Geht er mit ihr, wie versprochen, nach Paris? Klärt sich nicht. In der Schlussszene bleibt sie unsichtbar, die gehört allein den beiden Meisterdieben. Was Frauenfragen angeht, bietet dieser Film im Jahrzehnt der Alice Schwarzer erschreckend simples Anschauungsmaterial für die emanzipierte Journalistin.
Im Kinosessel haben wir Zeit, uns mit derlei Fragen zu beschäftigen, denn der Film hat es nicht eilig. Er verlässt sich auf das Pfund seiner vielen Kurzfilme (s.o.), die er im üppig ausgestatteten Ambiente des viktorianischen Zeitalters abspult, und braucht dabei auch Zeit, sich klar darüber zu werden, ob er statt "Krimi" nicht doch lieber "Komödie" im Genre stehen haben möchte. Es ist die Crux solcher Filme, dass heutzutage Leute wie Sean Connery oder – im bescheideneren Budget etwa Burt Ein aufgekochtes Schlitzohr Reynolds – jene Rollen spielen, die früher die existenzielle One-Liner knurrenden John Wayne, Clint Eastwood oder Charles Bronson verkörpert haben (wobei natürlich John Wayne niemals einen Zugräuber gespielt hätte), Kerle, die keinen Spaß verstanden und es deshalb im zeitgenössischen Kino vor abgebrühten Zuschauern zunehmend schwer haben; spätestens seit Connerys späten Bondfilmen gehört die ironisch gezuckte Augenbraue zum lebensgefährlichen Spektakel dazu. Da passiert es dann, dass unser fideles Zugraub-Trio sich frotzelnd der Erfüllung seiner selbstgestellten Aufgabe nähert, während im Hintergrund eine junge Frau unter dem Johlen der Massen zum Galgen geführt und gehängt wird, was der wissenschaftlich interessierte Autor und Regisseur Michael Crichton (Coma – 1978; Westworld – 1973; Andromeda: Tödlicher Staub aus dem All – 1971) grausam anschaulich mit einer hängenden Toten mit grotesk abgeknicktem Kopf ins Bild setzt. Dann wieder lässt er Pierce' loyalen Kutscher Barlow den vom Weg des fröhlich kriminellen Trios abgekommenen Fassadenkletterer brutal erdrosseln.
Beides sind keine im aktuellen Kino vollkommen ungewöhnliche Szenen. Wenn allerdings um solche Szenen herum zwei Filmstars sich ihre charmanten Drehbuch-Clownereien um die Ohren pfeffern, geraten die beschriebenen Szenen ungewöhnlich heftig, ohne dabei irgendetwas auszusagen. Sie sind brutal, ohne die Brutalität zu hinterfragen; sie sind reißerisch, zynisch.
So bleibt als Gesamteindruck ein Film, der opulent ausgestattet ist, also in Kostüm und Kulisse ordentlich Augenfutter bietet, aber auf der Erzählebene sein Fundament nicht findet, folglich schwindelerregend hin und her schwankt zwischen Thriller, Komödie und Krimi.
Die Geschichte lehnt sich an einen wirklichen Eisenbahnraub im Jahr 1855 an, die Details wurden aber verändert: So betrug die gestohlene Summe lediglich 12.000 Pfund, die Schlüssel waren in den Bahnhofsbüros von London und Folkestone untergebracht, es gab keinen Ausbruch eines Beteiligten.