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Plakatmotiv: Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All (1971)

Die Science Fiction in
ihrer schönsten Form

Titel Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All
(The Andromeda Strain)
Drehbuch Nelson Gidding
nach dem gleichnamigen Roman von Michael Crichton
Regie Robert Wise, USA 1971
Darsteller
Arthur Hill, David Wayne, James Olson, Kate Reid, Paula Kelly, George Mitchell, Ramon Bieri, Kermit Murdock, Richard O'Brien, Eric Christmas, Mark Jenkins, Peter Helm, Joe Di Reda, Carl Reindel u.a.
Genre Science Fiction, Thriller
Filmlänge 131 Minuten
Deutschlandstart
5. Januar 1972
Inhalt

Nachdem eine verirrte Weltraumsonde in der Nähe eines entlegenden Dorfes in New Mexico auf der Erde zerschellt ist, entdeckt die Rettungsmannschaft, dass alle Bewohner an rasanter Blugerinnung gestorben sind – mit Ausnahme eines Säuglings und eines alten Mannes. Die Überlebenden werden in ein hochmodernes Labor gebracht.

Unter Leitung von Jeremy Stone und seinem Kernteam Charles Dutton, Mark Hall und Ruth Leavitt sollen die Wissenschaftler in dem unterirdischen Labor in Nevada untersuchen, was den Tod der Bewohner Piedmont ausgelöst hat. Sie erkennen, dass mit der abgestürzten Raumsonde auch eine tödliche außerirdische Lebensform ihren Weg auf die Erde gefunden hat.

Videocover: Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All (1971)Dr. Stone leitet sofort Gegenmaßnahmen ein, doch der Organismus mutiert und droht, zu einer Gefahr für die ganze Menschheit zu werden …

Was zu sagen wäre

Der Film zu Katastrophe baut sich ganz methodisch auf. Wie ein Experiment, das die Ursache einer solchen Katastrophe offenbaren soll. Es ist militärischer Alltag, als die beiden Soldaten die abgestürzte Kapsel in Piedmont bergen sollen. Wenige Filmminuten später stehen wir in einem Dorf, 68 Einwohner, mit 70 Toten; auch die beiden Kapsel-Berger sind tot. Wie ein Fremdkörper schleicht sich eine Anhörung in die Handlung. Und dann lernen wir die Protagonisten kennen: drei Männer, eine Frau.

Das Opening dieses Films ist ein fremdkörperfreies, wunderschönes Kunstwerk. Die Erde ist von etwas sehr Tödlichem bedroht. Und Regisseur Robert Wise (Kanonenboot am Yangtse-Kiang – 1967; West Side Story – 1961; Der Tag, an dem die Erde stillstand – 1951) verbittet sich jeglichen Alarmismus, für Panik hat die Wissenschaft keine Zeit. Es ist dies ein Wissenschaftsthriller, keine US-Soldaten gegen schlitzäugige Phantome, keine Cowboys gegen Indianer, kein Clint Eastwood gegen Serienkiller. Die Wissenschaft geht methodisch vor. Der Film geht methodisch vor.

Nachdem das Personal bekannt ist, wird das beeindruckende Labor tief unter der Erde eingeführt, fünf Stockwerke tief, jedes Stockwerk reiner als das darüberliegende, in der Wüste Nevadas, gut getarnt und das Modernste, was die die Wissenschaft zu bieten hat; allein, bis die vier Protagonisten die fünf Ebenen zunehmender Quarantänestufen und Sicherheitsprozeduren, mit denen die höchstmögliche Keimfreiheit neuer Mitarbeiter gewährleistet werden soll, durchlaufen haben, nimmt 16 Stunden in Anspruch, bevor mit der Forschungsarbeit begonnen werden kann. Ebenfalls methodisch: Erkennen. Isolieren, Neutralisieren.

Schnell wird klar, dass die Ursache ein kristalliner Einzeller ist. Der Einzeller wächst schnell und lässt das Blut jedes Lebewesens, das mit ihm in Kontakt tritt, binnen Sekunden vollständig gerinnen. Und dann mutiert der Einzeller. Jetzt ist er nicht mehr tödlich für die Menschheit, dafür umso gefährlicher für die vier Wissenschaftler, denen wir über eineinhalb Stunden gespannt zugeschaut haben. Jetzt greift der Einzeller das Polycron, aus dem die Dichtungen im Labor bestehen, an; daraus errechnet der Zentralcomputer einen viralen Outbreak und setzt daraufhin die atomare Selbstzerstörung der Anlage in Gang.

Auch hier behält Wise sein Gespür fürs Timing. Gebannt haben wir zugeschaut, weil immer was Neues passierte – obwohl da eher ältere Herrschaften immer an Labortischen sitzen, über Mikroskopen oder in futuristischen Raumanzügen stecken; aber die Bedrohung und die Neugierde drücken uns in den Kinosessel. Zumal es drei vier interessante Sprünge in die Zukunft gibt, in denen eine Senatsanhörung noch ein paar Details enthüllt, die im unterirdischen Labor zwar wichtig sind, dort aber aus dramaturgischen Gründen nicht erzählt werden können. Da wissen wir Zuschauer entscheidendes mehr als die Wissenschaftler, die deshalb Gefahr laufen, ihre Prioritäten falsch zu setzen.

Videocover (US): The Andromeda Strain(1971)Aber dann ist auch irgendwann selbst die Rot-Schwäche von Dr. Leavitt als potenzielle Bedrohung ausführlich markiert, da holt Drehbuchautor Nelson Gidding pünktlich die Thriller-Elemente aus der Romanvorlage von Michael Crichton. Erstens: die Forscher entdecken, dass "Andromeda" – so haben sie den Erreger getauft – nicht zufällig in die Raumkapsel gelangt ist, sondern Ergebnis einer gezielten Suche nach außerirdischen Organismen war, um Waffen zur biologischen Kriegführung zu gewinnen. Kurz: böses Militär. Zweitens: Um den atomaren Selbstzerstörmechanismus abzuschalten, ist einer der vier Wissenschaftler gezwungen, binnen fünf Minuten einen sehr gefährlichen Weg zurückzulegen, um einen bestimmten Schlüssel in ein bestimmtes Schloss zu stecken; dieser Mechanismus wurde zu Beginn der Laborführung erklärt, er basiert auf dem raffinierten Prinzip der Abschaltung durch den Menschen; er muss die Selbstzerstörung nicht etwa initiieren.

Regisseur Robert Wise interessiert sich weniger für das Tempo, das in einem Thriller erzeugt werden kann. Ihn interessiert der Ort, der einen Thriller auslösen kann; das Tempo (vulgo: die Spannung), ist er überzeugt, kommt dann von alleine. So ist sein Film, seine Methodik, von strengem Stil geprägt. Jedes Bild, jede Einstellung ist komponiert. Porträts mit großer Tiefenscharfe, wo wir hinter einem bildfüllenden Gesicht im Hintergrund klein, aber scharf, zwei Menschen agieren sehen, bilden elegante Szenenübergänge, verlagern den Fokus. Dann dieses gigantische Labor, quasi fünfter Protagonist des Films. Es ist klar gegliedert, streng durchkomponiert und von eleganter, farbdramaturgischer Schlichtheit – ein Labor ohne ChiChi eben. Das erinnert – auch wenn wir hier fünf Stockwerke unter der Erde sind und nicht im fernen All – an das Innere des Raumschiffs "Discovery" aus Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum (1968); Kubricks Visual-Effects-Mann Douglas Trumbull hat auch an "Andromeda" mitgearbeitet. Es heißt, allein die Darstellung des "Andromeda"-Organismus' habe 250.000 Dollar gekostet.

Robert Wise hat mit "Andromeda" der Science Fiction zu seiner schönsten, weil reinen Form verholfen. Kein Fantasy-SchnickSchnack, kein sexueller Eskapismus – pures Form-followes-Function. Und drei Jahre nach der Mondlandung – der supertödliche "Andromeda-Stamm" kommt aus dem Orbit der Erde – macht er Mikrobiologie und chemische Analysen zu spannenden Thrillerelementen.

Wertung: 8 von 8 D-Mark
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