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Plakatmotiv: Das rote Zelt (1969)

Großer Abenteuerfilm, der
moralische Fragen stellt

Titel Das rote Zelt
(Krasnaja palatka / La tenda rossa)
Drehbuch Ennio De Concini & Richard DeLong Adams & Robert Bolt
Regie Mikhail Kalatozov, Italien, UdSSR 1969
Darsteller

Sean Connery, Peter Finch, Claudia Cardinale, Hardy Krüger, Eduard Martsevich, Grigoriy Gay, Nikita Mikhalkov, Luigi Vannucchi, Mario Adorf, Donatas Banionis, Massimo Girotti, Yuriy Solomin, Otar Koberidze, Boris Khmelnitskiy, Yuriy Vizbor, Nikolay Ivanov, Vladimir Smirnov, Tengiz Archvadze u.a.

Genre Abenteuer, Drama
Filmlänge 158 Minuten
Deutschlandstart
15. Oktober 1971
Inhalt

Rom in den 1960er Jahren: Wie jeden Abend streicht der ehemalige General Umberto Nobile – weltbekannt durch seine Luftschiff-Expeditionen in den 1920er Jahren – durch seine edle Wohnung mit Blick auf das Kolosseum und kann nicht schlafen. Er wird von Schuldgefühlen geplagt, weil die von ihm geleitete Nordpol-Expedition spektakulär scheiterte und viele der Beteiligten ihr Leben verloren.

Jeden Abend ruft er die Geister der Verstorbenen, um in einem Tribunal von ihnen Absolution zu erhalten. Mit den Verstorbenen durchlebt er noch einmal die Fahrt von 1928 mit dem Zeppelin "Italia" zum Nordpol. Als die Crew wegen schlechten Wetters nicht am Nordpol landen kann, dreht das Luftschiff um und stürzt über dem ewigen Eis nahe Spitzbergen ab.

Zehn Expeditionsteilnehmer überleben den Absturz und richten sich in einem rot gestrichenen Zelt auf dem Eis ein. Während sie verzweifelt um ihr Leben kämpfen und ein defektes Funkgerät zum Laufen bringen, nimmt die ganze Welt Anteil an ihrem Schicksal.

Doch diese Rettungsaktion im ewigen Eis stellt eine große Herausforderung dar …

Was zu sagen wäre

Der Film erzählt eine wahre Geschichte, womöglich ein wenig fürs Kino dramatisiert, aber Personen, Handlung und Schicksale stimmen mit historischen Begebenheiten überein. Ein großer Abenteuerfilm, der uns in die selten von Filmkameras besuchte Wüste im ewigen Eis bringt, in der wir keine malerischen Sonnenuntergänge über einer Sandwüste sehen, keine nach einem Tropfen Wasser dürstende Menschen; dafür elend frierende Gestalten, die Schutz vor beißender Kälte in einer zerstörten Gondel eines havarierten Luftschiffs suchen, wo sie wochenlang auf Hilfe hoffen, die nicht kommt. Es kommt gar nichts. Bis auf einen Eisbär.

Das ist die Krux bei dieser Geschichte, dass sie für einen zweistündigen Film – in der Version für den russischen Markt wird sie sogar über zweieinhalb Stunden Länge erzählt – kaum abwechslungsreiche Bilder hergibt. Die Havarierten liegen drei Wochen im Eis, frieren, warten, zerlegen den Eisbären, der neugierig um die abgestürzte Gondel gestrichen war und setzen Funksignale ab. Gleichzeitig finden keine Rettungsaktionen statt, weil das Wetter immer zu schlecht ist. Später bleibt der russische Eisbrecher Krasin mit Schraubenschaden im Eis stecken und man kann sich leicht vorstellen, in welchen Szenen die russische Version des Films länger geworden ist. Die italienisch-sowjetrussische Koproduktion findet einen interessanten Kniff, um dem Abenteuer genügend Drama und menschliche Schicksale zuzufügen, dass ein sehr spannender Film daraus geworden ist, der mit großartigen Spezialeffekten beeindruckt.

Regisseur Mikhail Kalatozov und seine drei Autoren erfinden ein Tribunal, das gegen den italienischen General Umberto Nobile zu Gericht sitzt, besetzt mit all den Menschen, die damals beteiligt waren und längst nicht mehr leben, wobei wir erst mit der Zeit verstehen, dass nicht alle Toten während der damaligen Geschichte umgekommen sind; einige sind später eines natürlichen Todes gestorben. Das Tribunal besteht also aus Geistern, die der bedauernswerte Nobile nicht los wird, weil er damals, 1928, einen moralischen Fehler gemacht hat. Plakatmotiv (US): The Red Tent (1969) Wenn dann die große Expedition Richtung Nordpol mit grandiosen Luftschiff-Aufnahmen und viel Tamtam losgeht – den dazu passenden Score hat der italienische Meister Enno Morricone komponiert (Der Clan der Sizilianer – 1969; Spiel mir das Lied vom Tod – 1968; Zwei glorreiche Halunken – 1966) – haben wir von den wichtigsten Personen schon ein klares Bild, sind gespannt, welche Rolle sie im nun beginnenden Drama spielen werden. Kalatozov erzählt das Drama im Widerstreit zwischen Entdecker und Soldat. Die handelnden Figuren sind in ihrer Mehrzahl Soldaten, die an Befehle gebunden sind. General Nobile verkörpert dabei den Entdecker, der erst den Befehl für die Mission erhält, dann aber mit eigenem Ehrgeiz voranschreitet und militärische regeln nicht eng auslegt. Auf der anderen Seite steht Kommandant Romagna, der in Kongsfjord, dem Ausgangspunkt der Expedition, Schritte zur Rettung einleiten müsste, sich vor Entscheidungen aber drückt und alles an seine Vorgesetzten in Rom delegiert. Beide Männer machen Fehler, aber nichts falsch, aber beide haben Entscheidungen getroffen, die Menschenleben kosten.

Auf der Besetzungsliste ganz oben steht Sean Connery, was einigermaßen lächerlich ist (James Bond – Man lebt nur zweimal – 1967; James Bond – Feuerball – 1965; "Ein Haufen toller Hunde" – 1965; James Bond – Goldfinger – 1964; Marnie – 1964; Die Strohpuppe – 1964; James Bond – Liebesgrüße aus Moskau – 1963; James Bond 007 jagt Dr. No – 1962; Der längste Tag – 1962). Er spielt den Nordpol-Pionier Roald Amundsen, der sein großes Abenteuer lange hinter sich hat und als Großes Vorbild durch den Film schwebt, bis er dann wider besseres Wissen in die Rettungsmission einsteigt und dabei ums Leben kommt; er darf am Ende dem schlaflosen General Nobile noch ein paar warme Worte zusprechen. Das ist keine Rolle, die einen Schauspieler fordert. Connery, der gerade seine Bond-Vergangenheit an den Nagel gehängt hat, trägt eine Perücke mit weißen Haaren, spielt einen Abenteurer der Zeitgeschichte und bietet darüberhinaus nur seinen zugkräftigen Namen, der ein kompliziertes Unterfangen wie dieses auf dem weltweiten Markt helfen soll. Für die regionalen Märkte bieten die Produzenten Claudia Cardinale (Spiel mir das Lied vom Tod – 1968; Die gefürchteten Vier – 1966; Held der Arena – 1964; Der rosarote Panther – 1963; Der Leopard – 1963; Cartouche, der Bandit – 1962; Rocco und seine Brüder – 1960), Massimo Girotti und Luigi Vannucchi (Italien), Hardy Krüger (Das Geheimnis von Santa Vittoria – 1969; Der Flug des Phoenix – 1965; Hatari – 1962; Taxi nach Tobruk – 1961) und Mario Adorf (Winnetou, 1. Teil – 1963) für den deutschen Markt und Eduard Martsevich, Grigoriy Gay, Nikita Mikhalkov (UdSSR) an. Die zentrale Hauptrolle spielt aber Peter Finch (Der Flug des Phoenix – 1965; Geschichte einer Nonne – 1959) als mit sich hadernder, im Eis mit seinen Befehlen kämpfender General Nobile.

Der Film vermittelt ein gutes Gefühl dafür, wie es den Männern im Eis ergangen sein muss und lenkt unseren Blick auf eine Zeit, als Männer schon zu neugierigen und lebensgefährlichen Abenteuern aufbrachen, die nicht auf dem Mond zu finden waren, sondern vergleichsweise vor der eigenen Haustür.

Wertung: 7 von 8 D-Mark
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