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Plakatmotiv: Mord im Spiegel (1980)

Große Schauspieler-Namen
in einem mäßigen Krimi

Titel Mord im Spiegel
(The Mirror Crack'd)
Drehbuch Jonathan Hales + Barry Sandler
nach dem gleichnamigen Roman von Agatha Christie
Regie Guy Hamilton, UK 1980
Darsteller

Angela Lansbury, Geraldine Chaplin, Tony Curtis, Edward Fox, Rock Hudson, Jason Rudd
Kim Novak, Elizabeth Taylor, Wendy Morgan, Margaret Courtenay, Charles Gray, Maureen Bennett, Carolyn Pickles, Eric Dodson, Charles Lloyd Pack, Richard Pearson u.a.

Genre Krimi
Filmlänge 105 Minuten
Deutschlandstart
5. Februar 1981
Inhalt

Das kleine englische Dorf St. Mary Mead, Heimat von Miss Jane Marple, ist hocherfreut, als eine große amerikanische Filmgesellschaft entscheidet, dort einen Film zu drehen, der die Beziehung zwischen Maria Stuart und Elisabeth I., gespielt von den berühmten Schauspielerinnen Marina Rudd und Lola Brewster, erzählt. Marina reist mit ihrem Ehemann Jason, dem Regisseur, an. Als sie erkennt, dass Lola auch im Film mitspielen wird, reagiert sie cholerisch, da Lola und Marina sich nicht ausstehen können.

Marina hat Morddrohungen erhalten. Kurz darauf stirbt Heather Babcock, ein Fan von Marina, auf einer Feier im Herrenhaus, nachdem sie einen vergifteten Cocktail getrunken hatte, der offensichtlich für Marina bestimmt war. Unmittelbar davor hatte Heather Marina in einem umfangreichen Monolog von einer früheren Begegnung in einem Theater erzählt, bei der Heather Marina geküsst hatte. Jeder glaubt nun, dass Marina das eigentliche Opfer hätte sein sollen, doch Inspektor Craddock, der den Fall bearbeitet, ist dessen nicht sicher, weswegen er seine Tante Jane Marple um Hilfe

Plakatmotiv (UK): The Mirror crack'd – Mord im Spiegel (1980)Eine Dienstbotin sagt während der Untersuchung aus, dass Marina während des Gesprächs mit Heather einen versteinerten Ausdruck angenommen und auf ein Gemälde einer Madonna mit Kind von Bellini gestarrt habe …

Was zu sagen wäre

Ein Spiegel kommt im Film keiner vor. Der Titel, den Agatha Christie ihrem Roman gab "The mirror crack’d from side to side", bezieht sich auf ein Gedicht, dass Miss Marple im Buch an melancholischer Stelle zitiert. Out flew the web and floated wide- / The mirror crack’d from side to side; / "The curse is come upon me," cried / The Lady of Shalott. Die Zeilen stammen aus dem Gedicht "The Lady of Shalott" von Alfred Tennyson. Der deutsche Titel hat sich auch von diesem Ursprung entfernt, nur der Spiegel ist geblieben, in dem aber den ganzen Film über nichts zu Tode kommt.

Die einzige signifikante Spiegelszene im Film kommt, als Inspector Craddock den exaltierten Hollywood-Star Lola Brewster in deren Umkleide befragt und sich, weil er ihr bei deren Umkleide nicht in den nackten ausschnitt glotzen möchte, schamhaft umdreht – und in einen Spiegel schaut, in der er den Ausschnitt genauso ausführlich erkennen kann. Kim Novak (Vertigo – Aus dem Reich der Toten – 1958) spielt diese Lola Brewster so aufgepumpt mit eingebildeter Arroganz, dass dieser Figur jede Natürlichkeit abhanden kommt; und damit jeder Verdacht auf Mord – Schaufensterpuppen begehen keinen Mord, nicht bei Agatha Christie jedenfalls. Zum ersten Mal erleben wir sie, als sie auf einem Empfang auf Marina Rudd stößt, Ikone des Nachkriegskinos. Beide sind in inniger Abneigung einander zugetan und besprühen sich mit giftigen Invektiven, die sich so auch nur Drehbuchautoren an ihrem Schreibtisch ausdenken können.

Der hasserfüllte, mit charmantem Dauerlächeln ausgetragene Wortkampf zwischen Kim Novak und Elizabeth Taylor (Königin für tausend Tage – 1969; "Die Stunde der Komödianten" – 1967; Spiegelbild im Goldenen Auge – 1967; Der Widerspenstigen Zähmung – 1967; Wer hat Angst vor Virginia Woolf? – 1966; Cleopatra – 1963; Telefon Butterfield 8 – 1960; Plötzlich im letzten Sommer – 1959; Die Katze auf dem heißen Blechdach – 1958; Giganten – 1956; Ivanhoe – Der schwarze Ritter – 1952; Quo Vadis – 1951; Ein Platz an der Sonne – 1951; "Ein Geschenk des Himmels" – 1951; Vater der Braut – 1950) ist unterhaltsam, soll mutmaßlich Verdächtige für anstehende Morde hervorbringen. Aber auch er bleibt letztlich lahmes L'Art pour l'Art. Den beiden Megären stellt die Regie erhabene Altstars zur Seite: Taylor lässt sich (wie schon 1956 in Giganten) von Rock Hudson zähmen, Kim Novak darf Tony Curtis (Der letzte Tycoon – 1976; Spartacus – 1960; Unternehmen Petticoat – 1959; Manche mögen's heiß – 1959; Flucht in Ketten – 1958; Die Wikinger – 1958; "Trapez" – 1956; Winchester 73 – 1950) triezen.

Liz Taylor hat mehr Auftritte als Novak – <Nachtrag 2013>einen nur wenige Sekunden langen, stummen mit dem 15 Jahre später zu James Bond-Weihen kommenden Pierce Brosnan</Nachtrag 2013> – und also mehr Möglichkeiten, aus ihrem grob gepinselten Hollywood-Schicksen-Charakter etwa menschelndes zu formen. Das macht sie mit nonchalanten Unterspielen, in dem man die große Erfahrung dieses echten Megastars erkennt. Die besten Szenen hat sie mit Edward Fox (Die Duellisten – 1977; "Der Schakal" – 1973), der, von Taylors Souveränitat angestachelt, seinen vielen trockenen, nahezu humorbefreiten britischen Uniformträgern hier einen ausgesprochen charmanten, witzigen Bruder zur Seite stellt. Sein Inspector ist ein fröhlicher Filmfan in Diensten Scotland Yards, der mit seiner kriminalistisch überaus begabten Tante, Jane Marple, ein großes Dialog-Duett spielt, eine Art Ermittlungs-Ping-Pong, in dem sich die alte Dame und ihr gelehriger Schüler mit eigenem Kopf Recherche-Ergebnisse und Meinungen um die Ohren spielen.

Plakatmotiv (US): The Mirror crack'd – Mord im Spiegel (1980)Jane Marple schließlich, die wir besser mit ihrem zweiten Vornamen, Miss Marple, kennen, sieht nicht mehr aus wie Margaret Rutherford, die Christies Old-Lady-Detektivin in den schwarz-weißen 60er Jahren gespielt hat. Jetzt gibt ihr Angela Lansbury Gesicht und Brillanz (Tod auf dem Nil – 1978; Der lange heiße Sommer – 1958). Kritiker des Films werfen Lansbury vor, halt nicht Margaret Rutherford zu sein, die die Figur so sehr verkörpere – genauso gut könnte man sagen, der Film ist nicht so gut wie das Buch, weil dem Film die vielen Buchstaben fehlen. Lansbury spielt ihre Miss Marple mit Spaß an kriminalistischem Spürsinn, schneller Auffassungsgabe und robuster Körperlichkeit. Das ist viel in einem Film, dessen Drehbuch insgesamt wenig Gelegenheit zum Mitraten und nur mäßige Spannung bietet.

Miss Marple ist auch nicht Hercule Poirot, der andere große Detektive aus Agatha Christies Feder. Das ist insofern bemerkenswert, als dass wir nach den beiden Poirot-Erfolgen, Mord im Orient-Express (1974) und Tod auf dem Nil (1978), einen dritten Poirot-Film erwartet hätten. Dass statt dessen ein Christie-Krimi mit der alten Lady zu Leinwandehren kommt, ist für sich genommen schon eine Meldung wert.

In Agatha Christies Romanvorlage zitiert Miss marple zu Schluss noch einmal aus dem titelgebenden Gedicht Alfred Tennysons. Angesichts einer Toten resümiert sie “He said, ‘She has a lovely face. / God in His mercy lend her grace, / The Lady of Shalott.’

Gerüchten zufolge steckt "Mord im Spiegel"-Regisseur Guy Hamilton (Finale in Berlin – 1966), der als Regisseur vier der wichtigeren James-Bond-Filme verantwortet – Goldfinger (1964), Diamantenfieber (1971), Leben und Sterben lassen (1973), Der Mann mit dem Goldenen Colt (1974) – in ersten Vorbereitungen zu einer weiteren Agatha-Christie-Verfilmung: In Das Böse unter der Sonne steht wieder Hercule Poirot im Mittelpunkt.

Wertung: 4 von 9 D-Mark
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