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Plakatmotiv: Plötzlich im letzten Sommer (1959)

Ein großes Drama, das
auf der Leinwand verliert

Titel Plötzlich im letzten Sommer
(Suddenly, Last Summer)
Drehbuch Gore Vidal & Tennessee Williams
nach dem gleichnamigen Stück von Tennessee Williams
Regie Joseph L. Mankiewicz, UK, USA 1959
Darsteller

Elizabeth Taylor, Katharine Hepburn, Montgomery Clift, Albert Dekker, Mercedes McCambridge, Gary Raymond, Mavis Villiers, Patricia Marmont, Joan Young, Maria Britneva, Sheila Robins, David Cameron u.a.

Genre Drama
Filmlänge 114 Minuten
Deutschlandstart
10. März 1960
Inhalt

Mrs. Venable vergöttert ihren Sohn Sebastian als einen keuschen Ästheten, sieht in ihm einen unsterblichen Dichter. Seit seinem 15. Lebensjahr hatten Mutter und Sohn den Sommer immer in Europa verbracht, nur die letzte Reise, auf der er dann umkam, hatte er ohne sie, in Begleitung seiner schönen Cousine Catherine, gemacht.

Völlig verstört ist Catherine zurückgekehrt. Sie war die einzige Augenzeugin des gewaltsamen Todes von Sebastian. Ihre dunklen Andeutungen über sein schreckliches Sterben beunruhigen und empören Mrs. Venable zutiefst. Unter allen Umständen muss Catherine, die seitdem von Wahnvorstellungen, Erinnerungen und Halluzinationen gequält wird, zum Schweigen gebracht werden. Mrs. Venable lässt Catherine einweisen und versucht den jungen Gehirnchirurgen Dr. Cukrowicz gegen das Angebot einer großzügigen Spende für seine Forschungen zu einer Operation zu bewegen, um „die grässliche Geschichte aus Catherines Kopf zu schneiden“.

Plakatmotiv (US): Plötzlich im letzten Sommer (1959)Der junge Arzt merkt bald, dass der riskante Eingriff bei Catherine völlig überflüssig ist. Es gelingt ihm, Catherine behutsam zum Reden zu bringen. So kommt allmählich die grausame Wahrheit über Sebastian und seine krankhaften Beziehungen zur Mutter und zur Cousine ans Tageslicht. Cukrowicz wird klar, warum Mrs. Venable ihre Nichte so fürchtet …

Was zu sagen wäre

Tennesse Williams ist der Meister der Lebenslügen. Seine besten Stücke sind Dramen über Familien, die sich in Ungesagtem eingerichtet haben. "Die Katze auf dem heißen Blechdach" ist das beste Beispiel. In "Suddenly, last Summer" dramatisiert er Biografisches: Lobotomie und Homosexualität sind hier zentrales Thema.

Auf der Bühne entwickelt sich das große Drama wunderbar. Es ist ein Einakter. Im Kino hat es Joseph L. Mankiewicz (Die barfüßige Gräfin – 1954; Julius Caesar – 1953; Alles über Eva – 1950) zu einem Dreiakter ausgebaut, also verlängert. Das tut dem Drama nicht gut, weil es den Film erst spät in die Gänge kommen lässt. Nach einer raschen Introduktion wissen wir, dass der Held neu an einem öffentlichen Krankenhaus angefangen hat, dem das Geld fehlt, aber eine großzügige Spende einer reichen Witwe in Aussicht hat. Katherine Hepburn ("Eine Frau, die alles weiß" – 1957; Traum meines Lebens – 1955; African Queen – 1951; Ehekrieg – 1949; Die Frau, von der man spricht – 1942; Die Nacht vor der Hochzeit – 1940; Die Schwester der Braut – 1938; Leoparden küsst man nicht – 1938) spielt sie als extrovertierte, besitzergreifende Realtitätsverleugnerin und mit Augen, die mühelos zwischen funkelndem Hass und tief empfundener Liebe wechseln können.

Hepburns erster Auftritt dauert gefühlt eine Ewigkeit – „Sie behandeln mich wie einen Krüppel. Im Frühling hatte ich nämlich eine leichte … winzige Verkrampfung von einem winzigen Blutgefäß.“ „Oh, äh, wie hat der Arzt es genannt?“ „Lebenskrankheit. Was sonst? Schließlich habe ich einen Mann und einen Sohn verloren. Ich bin Witwe und … merkwürdig … da gibt's kein Wort. Verliert man seine Eltern, ist man ein Waisenkind. Verliert man seinen einzigen Sohn, ist man … gar nichts!“.

Diese Mrs. Venable führt den jungen Gehirnchirurgen durch ihren Dschungelartigen Garten, „so, wie ihn Sebastian angelegt hat“, sie schwärmt von der Dichtkunst ihres Sohnes, der sich nach einem Besuch der Galapagos-Inseln, wo er Zeuge der fleischfressenden Grausamkeit der Natur wurde, auf die Suche nach Gott begeben hatte, sie fabuliert über schlechte Einflüsse, die ihren Sohn das Leben gekostet haben. Und da ahnen wir schon, dass da Einbildung als Wissen verklärt wird. Nicht etwa, weil Hepburn schlecht spielte, ganz im Gegenteil, sie geht sehr in dieser Rolle auf. Die Szene ist nur viel zu lang.

Die zweite starke Frauenfigur in diesem Stück ist Catherine, die Cousine, die Sebastian auf dessen letzter Urlaubsreise begleitete, bei der er starb. Eine strahlende Schönheit, der der glänz allerdings seit jenem Sommer im vergangenen Jahr in Anstalten abhanden kam. Eine verzweifelte Zynikerin, die sich mächtigen Umständen unterworfen hat und nur langsam Vertrauen fasst zu jenem Gehirnchirurgen aus Chicago. Das bunte Filmplakat zum Schwarz-Weiß-Drama, auf dem wir Elizabeth Taylor im Badeanzug am Strand sehen (Die Katze auf dem heißen Blechdach – 1958; Giganten – 1956; Ivanhoe – Der schwarze Ritter – 1952; Quo Vadis – 1951; Ein Platz an der Sonne – 1951; "Ein Geschenk des Himmels" – 1951; Vater der Braut – 1950), insinuiert, dass Catherine mit ihrem Sexappeal eine Katastrophe ausgelöst haben könnte. Was nicht annähernd stimmt. Der prüde Hays-Code verhindert hier eine klare Bildsprache. 1959 sind im Kino Themen wie Männerliebe und Kannibalismus ausgeschlossen. Also windet sich der Film um klare Worte über Tennessee Williams' eigentliches Thema und konzentriert sich stattdessen auf jenes Motiv, was Catherines Trauma ausgelöst hat.

Das ist dann sogar Tennessee Williams sauer aufgestoßen, der sich in mehreren Interviews negativ über die Verfilmung seines Stückes äußerte. Williams wird im Vorspann als Co-Autor genannt. Tatsächlich aber hat Gore Vidal, wie Williams homosexuell, das Drehbuch alleine geschrieben.

Der Film stürzt sich auf das Motiv des Kanibalismus'. Anfangs beschreibt Mrs. Venable ausführlich, wie auf den Galapagos Inseln „fleischfressende Vögel“ sich auf frisch geschlüpfte Schildkröten stürzen, die nicht schnell genug vom Nest am Strand ins Wasser kommen. Am Ende stürzt sich die Regie auf das Motiv bettelnder Kinder, die sich auf einen reichen Amerikaner stürzen, nicht dessen Geld, sondern gleich dessen Fleisch nehmen. Das ist eine gruselige Vorstellung, geht an der ursprünglichen Intention des Dramas aber vorbei.

Eine Horrorstory hatte Tennessee Williams nicht erzählen wollen. Sein Drama war das einer Frau, die dem Wahnsinn verfällt, weil ihr vergötterter Sohn der Norm zuwider keine Frauen liebt. Weil das im Kino des Jahres 1959 aber nicht erlaubt ist, rücken die Fleischfresser in den Mittelpunkt. Und bescheren immerhin Elizabeth Taylor, die die ganze Geschichte zum großen Finale erzählen muss – „Ich erzähle ja weiter. Ich könnte jetzt gar nicht aufhören. Selbst wenn ich wollte!“ – einen Auftritt der Extraklasse im Close Up.

Wertung: 4 von 7 D-Mark
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