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Plakatmotiv: Die zwei Gesichter einer Frau (1981)

Schön anzusehendes Verwirrspiel,
das mich kaum beeindruckt

Titel Die zwei Gesichter einer Frau
(Fantasma d'amore)
Drehbuch Bernardino Zapponi & Dino Risi
nach einem Roman von Mino Milani
Regie Dino Risi, Italien, BRD, Frankreich 1981
Darsteller

Marcello Mastroianni, Romy Schneider, Eva Maria Meineke, Wolfgang Preiss, Michael Kroecher, Paolo Baroni, Victoria Zinny, Giampiero Becherelli, Ester Carloni, Riccardo Parisio Perrotti, Raf Baldassarre, Maria Simona Peruzzi, Liliana Pacinotti, Adriana Giuffrè u.a.

Genre Drama, Mystery
Filmlänge 96 Minuten
Deutschlandstart
21. Mai 1982
Inhalt

Pavia, Ende der 1970er Jahre: Nino Monti, ein bekannter Steuerberater, bezahlt die Busfahrkarte einer elend aussehenden, kranken Frau, die kein Kleingeld hat. Noch am selben Abend will sie ihm die 100 Lire zurückgeben und stellt sich vor: Anna Brigatti, seine große Jugendliebe. Zum Entsetzen seiner Frau ist er wie besessen von Anna, sieht Erinnerungsbilder von ihr, als sie jung und schön war, und versucht, sie wiederzusehen. Umso schockierter ist er, als ein befreundeter Arzt, der Anna kannte, ihm sagt, sie sei vor drei Jahren gestorben.

Nino lässt nicht los und will Anna wiedersehen. Sie ruft ihn an, um ihm zu sagen, dass er sie in einem Herrenhaus auf dem Land besuchen kann. Dort empfängt sie ihn, jung und gut aussehend wie in früheren Tagen, doch inzwischen ist sie mit dem Hausbesitzer verheiratet, Graf Zighi. Um sich wieder wie früher lieben zu können, treffen sie sich auf einem Boot auf dem Fluss – doch Anna verschwindet plötzlich unter Wasser. Nino verständigt die Polizei, die nach Anna sucht – ohne Erfolg.

Nino, der mittlerweile von seiner Frau verlassen wurde, stellt Nachforschungen über Anna an; und er muss sich eingestehen, dass seine vorgeblichen Gewissheiten der Wirklichkeit nicht standhalten. Gleitet er langsam in den Wahnsinn ab, oder gibt es Geister wirklich …

Was zu sagen wäre

Ein Mann in der Mitte seines Lebens: arriviert, vermögend, der Alltag ist ein langer, ruhiger Fluss. Die Ehe plätschert grau vor sich hin, man pflegt höflichen, zugewandten Umgang, aber kaum noch Gemeinsamkeiten. Er trifft auf eine Frau, in der er seine Jugendliebe Anna zu erkennen glaubt. Ist es Anna? Oder nur Einbildung? Existiert die Frau überhaupt?

Dino Risi erzählt seine Geschichte aus der Perspektive des Arrivierten, der eine Steuerkanzlei betreibt. Was real ist oder Einbildung, lässt der Film offen. wir bewegen uns mit Nino Monti. Möglicherweise ist Monti in die Midlife Crisis geraten, jenen Zustand, der immer genannt wird, wenn ein Mann sein gezetteltes Leben auf den Kopf stellt. Monti ist besessen von Anna, er besucht sie zuhause, obwohl ein befreundeter Arzt ihm versichert hat, dass sie vor drei Jahren an Krebs gestorben sei. Aber sie steht doch vor ihm in der Villa, die sie mit ihrem heutigen Mann bewohnt, spricht mit ihm.

Nino Monti isoliert sich zunehmend aus seinem bisherigen Leben. Die Figuren in seinem Umfeld – Ehefrau, Mitarbeiter, Schulfreunde – tauchen nicht mehr auf. Er ist ganz auf Anna fokussiert und löst sich zusehends auf. Marcello Mastroianni (Das große Fressen – 1973; "Was?" – 1972; Fellinis Roma – 1972; Mohn ist auch eine Blume – 1966; Das 10. Opfer – 1965; Achteinhalb – 1963; Das süße Leben – 1960) spielt ihn as Mann, der nicht weiß, wie ihm geschieht, seine Augen sind rot gerändert, seine Bewegungen werden fahriger, nachdem er glaubt, Anna in einem Fluss ertrinken gesehen zu haben, erzählt er erst alles der Polizei, aber als die keine Wasserleiche findet, windet er sich aus der peinlichen Situation, indem er behauptet, dass er in Wahrheit mit einer Prostituierten mit Namen Anna verkehrt habe, die schlicht wieder gegangen sei. Seine Frau hat ihn da schon verlassen.

Das Subjekt seiner Besessenheit, Anna, spielt Romy Schneider (Das Verhör – 1981; "Trio Infernal" – 1974; Cesar und Rosalie – 1972; "Das Mädchen und der Kommissar" – 1971; Die Dinge des Lebens – 1970; Der Swimmingpool – 1969; Spion zwischen zwei Fronten – 1966; Was gibt's Neues, Pussy? – 1965; Nur die Sonne war Zeuge – 1960; Christine – 1958; "Sissi" – 1955) in drei Zuständen – in Rückblenden als junge, strahlend schöne Frau sowie als charmante, in ihrem begüterten Leben gefangene Ehefrau und als alte, krank aussehende, verhärmte Frau, die keine Hoffnung mehr hat. Schneider wechselt souverän zwischen den Frauen, bleibt dabei immer, was sie für Nino ist: eine Projektionsfläche ohne Tiefgang.

In einer Nebenhandlung geschieht ein Mord. Einer Hauswirtin wird die Kehle aufgeschlitzt, verdächtigt wird ihr Neffe, ein Mann, von dem Anna behauptet, sie sei damals, als sie mit Nino zusammen war, vor ihm geflohen. Er habe sie geschwängert. Eine seltsame Geschichte ist das, die nicht zu Nino Erinnerungsexkursionen passt. Woran ist die große Liebe damals eigentlich gescheitert? War es jener Neffe der Hauswirtin? Hatten sich die beiden eifach aus den Augen verloren? Der Film auch auch das in der Schwebe.

"Die zwei Gesichter einer Frau" ist eine Reise durch den Geisteszustand eines verwirrten Mannes, neudeutsch sagt man wohl: ein Psychotrip. Es schweben aber keine Gespenster durchs Bild, keine Monster quälen den Mann. Nur seine Gefühle hat er nicht mehr im Griff. Dino Risi inszeniert das im melancholisch romantischen Rahmen der Vergänglichkeit. Die engen Straßen der Stadt sind verwaist, an den Häusern blättert der Putz, die grandiosen Villen stehen mehr grau als bunt, aber leer im Hinterland; es ist November, hellgrauer Nebel wabert über der Landschaft, der Score von Riz Ortolani unterstreicht mit einsamen Melodien. Es herrscht morbide Abschiedsstimmung.

Der deutsche Titel passt zum Film überhaupt nicht, lässt auf ein Drama um eine Frau mit Doppelleben schließen, so eine Art zweite Belle de Jour (1967). Im Original heißt der Film doppeldeutig "Geist der Liebe" – ist es die romantische Geisteshaltung, die Nino verwirrt? Oder spielt hier wirklich ein geist eine Rolle? Und woher kommen die 100-Lire-Stücke, die immer wieder auftauchen? Ein schön anzusehendes Verwirrspiel entblättert der Film über seine 90 Minuten, nur packen kann er mich nicht; dafür bleibt mir Annas Geheimnis zu verschlossen, um ihr nahe zu kommen, und Nino Lebensprobleme zu weit weg. Aber von mir, Jahrgang 1961, ist die Midlife Crisis ja auch noch ein Stück weg.

Wertung: 4 von 9 D-Mark
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