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Plakatmotiv: Cruella (2021)

Ein gut gelaunter Blick in
die Abgründe der Bösen

Titel Cruella
(Cruella)
Drehbuch Dana Fox & Tony McNamara & Aline Brosh McKenna & Kelly Marcel & Steve Zissis
nach dem Roman "One Hundred and One Dalmatians" von Dodie Smith
Regie Craig Gillespie, USA, UK 2021
Darsteller

Emma Stone, Emma Thompson, Joel Fry, Paul Walter Hauser, John McCrea, Emily Beecham, Mark Strong, Kayvan Novak, Kirby Howell-Baptiste, Jamie Demetriou, Niamh Lynch, Andrew Leung, Ed Birch, Dylan Lowe, Paul Bazely, Abraham Popoola, Leo Bill, Ninette finch, Sarah Crowden, Harrison Willmottt, Jack Barry, Tipper Seifert-Cleveland u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 134 Minuten
Deutschlandstart
27. Mai 2021
Inhalt

London in den 1970er Jahren: Die junge Estella ist eine talentierte Designerin und träumt von einer großen Karriere als Modeschöpferin. Doch da sie verwaist und mittellos aufgewachsen ist, scheint ihr der Weg in höhere Kreise verschlossen.

Mit ihren zwei Kumpels, den Amateur-Dieben Horace und Jasper, streift sie durch London und begeht hier und da kleine Verbrechen – und wann immer sich die Möglichkeit ergibt, wenigstens kurz in den von ihr ersehnten Luxus der Schönen und Reichen einzutauchen, greift sie schamlos zu.

Dann aber bietet sich ihr endlich eine einzigartige Gelegenheit, um der Gosse zu entkommen: Londons berühmteste Modeschöpferin, die Baronin, entdeckt ihr talent und steckt Estella in ihren Pool von Schneiderinnen und Schneidern, aus deren Kreationen die ihren schnell weit hinaus ragen. Allerdings ist die Baronin keine dankbare Chefin. Designs, die ihr gefallen, reklamiert sie in der Öffentlichkeit als die ihren, Designs, die ihr nicht gefallen, werden samt ihres Schöpfers gefeuert. Estella, die eine schwierige Kindheit hatte und die sich für den Tod ihrer Mutter verantwortlich fühlt, ist fest entschlossen, sich durchzubeißen – bis zu jenem Tag, an dem sie am Hals der Baronin ein Amulett entdeckt, das ihrer Mutter gehörte, das sie trug an dem Tag, an dem sie starb. Die Baronin behauptet, das Amulett sei ein altes Familienerbstück.

Estella beschließt, der Baronin das Amulett abzujagen. Zu diesem Zweck entwirft sie eine eigene Modekollektion, mit der sie die Baronin von ihrem hohen Thron stoßen will und schlüpft dafür in eine andere Identität. Sie nennt sich jetzt Cruella …

Was zu sagen wäre

Der Fluch von Streamingdiensten besteht für deren Betreiber darin, dass die ihre Abonnenten 24/7 mit neuer Ware bei Laune halten müssen. Wenn die Betreiber ein eigenes Filmstudio besitzen, können sie die Ware aber wenigstens gleich selbst produzieren. Die Disneystudios, die seit etwa einem Jahr mit ihrem Streamingdienst Disney+ gegen Netflix, Amazone Prime oder Sky Now antreten, haben da ein reichhaltiges Archiv, aus dem sie schöpfen können. In den zurückliegenden Jahren haben sie begonnen, ihre Zeichentrickklassiker als Realfilm neu zu verfilmen und ein zweites Mal auszuwerten. Gut für Disney, schlecht für die Kreativität, die kaum noch neue Blüten schlägt, wenn nur das Bekannte anders gezeigt wird.

Disneys 101 Dalmatiner aus dem Jahr 1961 hat es 2002 auf eine Fortsetzung, 1996 und 2000 auf zwei Realfilmversionen sowie 1997 und 2018 auf jeweils eine TV-Serie gebracht. Im Mittelpunkt stand jeweils das Schicksal einer Dalmatinerfamilie.  Die böse Hexe im Original war die missgünstige Schneiderin Cruella De Vil, die unbedingt einen Mantel aus Dalmatinerfell haben wollte. Sie gilt seither als Star unter Disneys Schurken. Glenn Close spielte sie in der Realversion 1996 und 2000. Und jetzt spielt sie Emma Stone ("Zombieland 2: Doppelt hält besser" – 2019; "Battle of the Sexes – Gegen jede Regel" – 2017; La La Land – 2016; Irrational Man – 2015; Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) – 2014; Magic in the Moonlight – 2014; The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro – 2014; Gangster Squad – 2013; The Amazing Spider-Man – 2012; The Help – 2011; Crazy, Stupid, Love – 2011; Freunde mit gewissen Vorzügen – 2011; Einfach zu haben – 2010; Zombieland – 2009; "Superbad" – 2007). Stone spielt noch nicht die Dalmatinerräuberin. Sie spielt die Cruella, die als Estella zur Welt kam und durch Schicksalsschläge erst zur bösen Cuella wurde, die wir kennen.

Oder besser: zu kennen glauben. Ähnlich wie in Disneys Maleficent (2014) macht das Studio für die familienkompatiblen Sonntagnachmittagfilme die Schurkin zur Sympathieträgerin, der übel mitgespielt wurde und die deshalb gar nicht anders konnte als zu werden wie sie wurde. Estella mit dem Drang zur Mode wird eine Disneyprinzessin fürs 21. Jahrhundert, eine nach dem Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen überall hin-Prinzip. Frisch zur Waise geworden, wächst sie obdachlos im London der 1970er Jahre auf, lernt zwei Gelegenheitsdiebe kennen, mit denen sie sich über die jähre durchschlägt. Das Dachgeschoss einer runtergedrückten Fabrikhalle liefert ihr ein Dach über dem Kopf. Diese Prinzessin entdeckt den Punk für sich und stiehlt der neuen Schurkin des Stücks die Show. Die Baronin ist ein Ausbund an Kühlschrankcharme und Emma Thompson die geeignete Interpretin (Last Christmas – 2019; Men in Black: International – 2019; Late Night – 2019; Johnny English – Man lebt nur dreimal – 2018; Die Schöne und das Biest – 2017; Picknick mit Bären – 2015; Saving Mr. Banks – 2013; Men in Black 3 – 2012; Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2 – 2011; I Am Legend – 2007; Harry Potter und der Orden des Phönix – 2007; Harry Potter und der Gefangene von Askaban – 2004; Tatsächlich… Liebe – 2003; Mit aller Macht – 1998; Sinn und Sinnlichkeit – 1995; Junior – 1994; Was vom Tage übrig blieb – 1993; William Shakespeare's Viel Lärm um nichts – 1993; Peter's Friends – 1992; Wiedersehen in Howards End – 1992; Schatten der Vergangenheit – 1991).

Die beiden liefern sich mit ihren Modeschauen eine Glamourschlacht, wobei Cruella mit ihren Vivienne-Westwood-artigen Gegenkulturentwürfen bald zum Moderockstar der Stadt wird. Die britische Kostümbildnerin Jenny Beavan hat sich weidlich in der Londoner Modewelt der Siebziger und Achtziger umgeguckt.

Wenn eine als monströs bekannte Schurkin zur Heldin ihres Films umgemodelt wird, braucht sie das richtige Schicksal, das am besten in der Familie liegt. Und in puncto Familie haben sich die Autoren für "Cruella" nicht lumpen lassen; da tauchen Verwandtschaftsverhältnisse auf, die man mit den TV-Soaps der 80er Jahre ausgestorben glaubte. Auf jeden Fall geben sie der Titelfigur reichlich Gelegenheit, melancholisch zu trauern, diabolisch zu hassen, kühl abzuservieren und herzerweichend zu charmieren. Genau der richtige Stoff für Emma Stone, die gerne zwischen den Genres wandelt und sich auf kein Image festlegen lässt. Für solche Figuren hat Regisseur Craig Gillespie ein Gespür. 2017 machte er in I, Tonya aus der real existierenden Eishexe Tonya Harding ein Opfer ihrer Umstände und 2007 in Lars und die Frauen aus einer Gummipuppe ein ernsthaftes Love Interest für Ryan Gosling. Unter seiner Regie wird "Cruella" zu einem Rock 'n' Roll Zirkus mit schrillen Klamotten. Vom Soundtrack röhren teils neu eingespielte Songs von den Beatles, den Stones, Debbie Harry, David Bowie, Supertramp, Bei Gees, The Animals, Nancy Sinatra, The Doors, Ike & Tina Turner, Deep Purple oder Suzie Quatro, so dass es schwerfällt, nicht schon allein wegen der Musik gut gelaunt mitzuschnippen, wenn Cruella auf Rache sinnt.

Wertung: 5 von 8 €uro
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