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Plakatmotiv: Jurassic World – Ein neues Zeitalter (2022)

Lauter Weißt-Du-noch-Bilder und zu viele
Leute in kaum vorhandener Handlung

Titel Jurassic World: Ein neues Zeitalter
(Jurassic World Dominion)
Drehbuch Colin Trevorrow & Emily Carmichael & Derek Connolly
mit Charakteren von Michael Crichton
Regie Colin Trevorrow, USA, Malta 2022
Darsteller

Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Laura Dern, Sam Neill, Jeff Goldblum, DeWanda Wise, Mamoudou Athie, Isabella Sermon, Campbell Scott, BD Wong, Omar Sy, Justice Smith, Daniella Pineda, Scott Haze, Dichen Lachman, Kristoffer Polaha, Caleb Hearon, Freya Parker u.a.

Genre Abenteuer, Action
Filmlänge 146 Minuten
Deutschlandstart
8. Juni 2022
Website jurassicworld.com
Inhalt

Nachdem sich die von Isla Nubar geflohenen Dinos rund um den Erdball verteilt haben, müssen Menschen und Ur-Giganten koexistieren. Die Dinos sind überall. Zunächst unbemerkt haben sich neue, auffallend große Tiere zur Fauna gesellt: Heuschrecken, die über den mittleren Westen ziehen und die Weizenfelder hektarweise kahl fressen.

In der Sierra Nevada bekommen der Raptoren-Bändiger Owen Grady und die Dino-Aktivistin Claire Dearing davon nur im Fernsehen was mit; und ab und zu schaut Blue vorbei, das Raptoren-Weibchen, das Owen einst groß gezogen hatte und das mittlerweile selbst Mutter ist. Owen und Claire haben ein eigenes Problem: Auf ihrer abgelegenen Hütte kümmern sie sich um die Teenagerin Maisie Lockwood, die von ihrer verstorbenen Mutter mit einem Verfahren geklont wurde, das die Gentechnik revolutionieren könnte.

Kein Wunder also, dass die halbe Welt hinter dem Mädchen her ist – und tatsächlich wird sie schon bald von einer Gruppe Wilderer gekidnappt, zusammen mit Beta, der Tochter der Raptorin Blue.

In Texas ermittelt die Biologin Ellie Sattler gleichzeitig im Fall der offensichtlich genmanipulierten Heuschrecken, die die gesamte US-amerikanische Ernte zu vernichten drohen. Nur die Felder mit dem Saatgut der Gentechnik-Firma Biosyn von Tech-Guru Lewis Dodgson bleiben verschont. Mit Hilfe des Paläontologen Alan Grant und des Mathematikers Ian Malcolm will sie der Sache auf den Grund gehen.

Die Fäden laufen im Biosyn-Dino-Reservat in den Dolomiten zusammen. Hier treffen die drei auf Owen und Claire, die die Spur der entführten Maisie bis hierher verfolgt haben …

Was zu sagen wäre

Nach 29 Jahren sind sie wieder alle zusammen: Ellie Sattler, Alan Grant und Ian Malcom, die 1993 im Jurassic Park erstmals erlebten, wozu Gentechnologie imstande ist. Das ermuntert zu einem wehmütigen Blick zurück in eine Zeit, als Staunen im Kino noch ein Grundprinzip war. Wir hatten nicht fassen können, als Raumschiffe realistisch durchs All rasten und nicht mehr an sichtbaren Bindfäden hingen, hatten einen Roboter aus Stahl vor unseren Augen zerfließen sehen, der dann wieder zu menschlicher Form zusammenfloss, und jetzt stampften Dinosaurier durch einen Park und spielten mit Menschen; keine Stop-Motion-Dinosaurier wie zu Zeiten des King Kong, keine Typen im Gummikostüm, wie bei Godzilla, nein: echte Dinosaurier – die echt sein mussten, weil sie beim Getrampel durchs Unterholz ja sogar Äste abbrachen. Steven Spielberg hatte für seinen Film 1993 an tonnenschwere Animatronik-Puppen gedacht, wie er sie – in früherer Form – 20 Jahre vorher schon im Weißen Hai verwendet hatte. Dann setzte sich ein Tüftler aus seinem Team ungefragt an den Computer und baute ein Dino-Skelett, das sich ziemlich lebensecht bewegte. Das war der erste Schritt in die digitale Kinowelt von heute. Plakatmotiv (US): Jurassic World Dominion (2022) Mit Jurassic Park hat Spielberg das Kino revolutioniert und, wie im Sprichwort, hat auch diese Revolution ihre Kinder gefressen: Das Staunen über Bigger than Life auf der Leinwand ist Gleichgültigkeit gegenüber Computern, die alles können, gewichen. Tobende Monster verstellen heute nicht mehr den Blick auf die Handlung. Wenn die dünn ist, wenn die Schauspieler leere Sätze in leere grüne Wände sprechen, fällt das auf, egal, wieviel Spektakel die Pixelkünstler aus ihren Rechenmaschinen herausholen.

Der jüngste Dinosaurier-Film, 29 Jahre nach Jurassic Park also, hat zu viel Handlung. Zu viele Schauspieler, die Gewichtiges sagen wollen. Zu viele Dinosaurier, die sich auf den Füßen stehen. Aber immerhin einen mit Geschmack: Auf einer Piazza auf Malta schnappt sich ein Dinosaurier einen jungen Mann, der auf seinem E-Scooter quer durch die Fußgängerzone zischt.

Das Ende des vorherigen Films hatte neugierig gemacht: Jetzt leben Dinosaurier neben Menschen. Wie wird das gehen? Dinosaurier in Städten? Da drohte die Godzilla-Apokalypse. Aber tatsächlich haben sich die meisten Dinosaurier in die Savannen zurückgezogen und laufen in Herden mit Elefanten und Wildpferden. Flugsaurier haben sich die Dächer von Wolkenkratzern in den Städten als Nistplatz auserkoren. Und manchmal, klar, gibt es Unfälle auf Bundesstraßen beim Wildwechsel, wenn plötzlich in verregneter Nacht ein Triceratops die Straßenseite wechselt. Das alles zeigen uns Bilder einer Fernsehreportage, die die ersten zwei Minuten des Films füllen. Danach verliert er seinen Faden und springt vom Entführungsdrama um Maisie zur Plage der Giga-Heuschrecken mit Ellie Sattler und Alan Grant und zu Wilddieben, die im Schmuggel von Dinosauriern neue Ertragsfelder gefunden haben und weil alle Geschichten in die Dolomiten zu einem Forschungslabor namens Biosynch führen, schaut die Regie auch da immer wieder mal hin. Zwischendurch gibt es Dinosaurier, mal in Action, mal in Beautyshots. Die Frage der titelgebenden "Dominion" (Herrschaft) beantwortet der Film zugunsten der Menschen.

Dieses neue Zeitalter, das der Filmtitel verheißt, ist eines, in dem der Mensch sich die Erde wieder untertan gemacht hat. Dinosaurier beherrschen die Erde? Wenn Menschen dort leben? Nicht lange! In den vier Jahren, die seit den Ereignissen des Vorgängerfilms vergangen sind, haben die Menschen die Dinosaurier weitestgehend vertrieben; in die Wälder, in die Wildnis, wo sie niemanden stören. Sie haben Dinosaurier eingefangen und an den Meistbietenden verkauft und sich ihre DNA zunutze gemacht, um, und da fängt es an, schwierig zu werden, weil man nicht genau weiß, was den Chef der Forschungseinrichtung Biosynch eigentlich so genau antreibt. Gespielt wird er von TV-Star Campbell Scott (The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro – 2014; The Amazing Spider-Man – 2012), der hier aussieht, wie Apple-Chef Tim Cook und also – das scheint heute ein Grundprinzip in Hollywood, wenn einer aussieht wie Steve Jobs oder Tim Cook oder ein künftiger Apple-Chef – ein Böser ist im Gewand eines Weltwohltäters. Plakatmotiv (US): Jurassic World Dominion (2022)Dieser Lewis Dodgson ist, daraus macht der Film keinen Hehl, verantwortlich für die Giga-Heuschrecken und auch dafür, dass dieses Heuschrecken keine Felder leer fressen, die mit Mitteln von Biosynch gedüngt oder sonst wie bearbeitet worden sind.

Will er die Weltbevölkerung aushungern und dann mit seinen Biosynch-Produkten das große Geld machen? Will er, wie die guten alten Bond-Schurken, die Welt beherrschen? Und schleppt er dann also all diese Dinosaurier in die Dolomiten rund um sein Labor, um damit künftige Angreifer abzuschrecken – die ja sicher kommen werden, denn irgendwer auf der Welt wird schon misstrauisch werden, wenn da ein einzelner Geschäftsmann plötzlich die Lösung für das Welthungerproblem hat, das es vor einem Jahr noch gar nicht gab, und also über dessen Auslöschung nachdenken. Das ist alles egal, denn darum geht es in dem Film nicht, man hat nur im Kinosessel irgendwann darüber nachgedacht, weil es auch sonst um nichts geht. Es gibt die erwähnten Geschichten, aber keinen übergeordneten Handlungsbogen. Am Ende ist die Welt da, wo sie am Ende des letzten Films vor vier Jahren war, nur die Dinosaurier sind auf ihr ein bisschen anders verteilt.

Die Dinosaurier spielen in diesem sechsten Dinosaurierfilm keine Rolle. Sie sind nur da. In überwältigender Vielzahl, als wollten die Produzenten in diesem angeblichen "Finale" noch alle Tiere raushauen, zu denen noch Vorlagen in den Unterordnern lagen. Aber zwischendurch verschwinden sie auch ganz aus der Story und man könnte glauben, Sam Neill als Geheimagent Ihrer Majestät, habe sich als Indiana Jones verkleidet und ginge mit Laura Dern (Little Women – 2019; Marriage Story – 2019; Star Wars – Episode VIII: Die letzten Jedi – 2017; Downsizing – 2017; The Founder – 2016; Der große Trip – Wild – 2014; Das Schicksal ist ein mieser Verräter – 2014; Meine Frau, unsere Kinder und ich – 2010; Jurassic Park III – 2001; Dr. T and the Women – 2000; Perfect World – 1993; Jurassic Park – 1993; Wild at Heart – Die Geschichte von Sailor und Lula – 1990; Blue Velvet: Verbotene Blicke – 1986) als Moneypenny gegen den bösen, schrecklich reichen Welteroberer vor. Währenddessen geht Chris Pratt als CIA-Mann Felix Leiter in Malta gegen eine Bande von Saurier-Schmugglern vor, die dem Welteroberer zuarbeitet. Denn in Malta, erfahren wir, „kommen sie alle durch“, die Schmuggler aus Fernost und aus Afrika mit ihrer heißen Ware. Es bleibt aber offen, wer, mal von dem Biosynch-Chef abgesehen, denn die Kunden der Schmuggler sind? Wer kauft sich einen Dinosaurier? Und warum? Ist das so eine Elfenbeinsache? Der Film verrät es nicht. Aber aus der Schmugglerhöhle entspinnt sich die schönste Actionszene des Films, in der drei Raptoren Owen Grady auf dem Motorrad durch die Altstadt von Malta jagen, wo es dann auch zu dem erwähnten Treffen mit dem E-Scooter-Fahrer kommt.

In Malta taucht auch Omar Cy als CIA-Agent auf, der im ersten Jurassic World noch einfacher Raptoren-Pfleger war. Er verschwindet auch bald wieder. Ebenfalls in Malta gibt eine coole Pilotin, die „auch auf Rothaarige“ steht, tough und bestimmt, aus irgendeinem Grund von jetzt auf gleich ihr gesichertes Söldnerleben auf, um der sympathischen (rothaarigen) Claire Dearing zu helfen. Keine der Figuren hat einen Hintergrund, um keine mag ich mir Sorgen machen.

Ja, die Bilddesigner an ihren hochtourigen Grafikcomputern haben für diesen Film große Arbeit geleistet, spannen mit ihren Monsterbildern den Bogen viel weiter zurück, als nur bis 1993. Wenn gleich nach wenigen Minuten ein Mosasaurus ein Frachtschiff zum Kentern bringt, umspülen uns warme Erinnerungen an die Kindheit vor dem Sonntagnachmittagfernsehen, wenn die Seemonster 20.000 Meilen unter dem Meer (1954) angriffen. Plakatmotiv (US): Jurassic World Dominion (2022)Dieser Mosasaurus ist das Spiegelbild dieses Films. Er steht in keinem Zusammenhang zur Story. Aber den Zuschauern haben die letzten beiden Kurzauftritte von ihm gefallen, also darf er ein weiteres Mal aus dem Wasser springen, einen am Kran hängenden Käfig pflücken und das Fischerboot umwerfen – die Szene zeigen schon die Trailer in nahezu voller Länge; sie ist nur dazu da, die Zuschauer zu befriedigen, die sehen wollen, was zum Franchise dazu gehört. Also legt sich Colin Trevorrow, der nach der Regie des ersten Teils der Jurassic World-Serie auf den Regiestuhl zurückkehrt, ins Zeug und zitiert ein Jurassic-Park-Bild nach dem anderen. Es fehlt nur das vibrierende Wasserglas. Dafür aber gibt es (endlich) ein Bild, in welchem der T-Rex-Kopf in einem Kreis erscheint – nicht als Schädel, wie im berühmten Logo, aber immerhin. Auch der Tyrannosaurus Rex ist also, neben den beliebten Altstars Ellie Sattler und Alan Grant, wieder dabei. Wieder hat er einen größeren Jäger, heute heißt er "Giganotosaurus" zum Fressfeind, gegen den er erst unterliegt, um dann im Finale aber klar Schiff zu machen; aber auch der T-Rex ist in der Serie eine aussterbende Spezies. An die Spitze der Nahrungskette der Beliebtheit haben sich längst die Velociraptoren gespielt. Neben Jeff Goldblum in der Rolle des Mathematikers und Chaosforschers Ian Malcom (Jurassic World: Das gefallene Königreich – 2018; Thor – Tag der Entscheidung – 2017; Grand Budapest Hotel – 2014; Le Week-End – 2013; Morning Glory – 2010; Umständlich verliebt – 2010; Independence Day – 1996; Jurassic Park – 1993; Die Fliege – 1986; Silverado – 1985; Kopfüber in die Nacht – 1985; Buckaroo Banzai – Die 8. Dimension – 1984; "Der Stoff aus dem die Helden sind" – 1983; Der große Frust – 1983; "Die Körperfresser kommen" – 1978; Der Stadtneurotiker – 1977; "Nashville" – 1975; Ein Mann sieht rot – 1974).

Raptoren und Goldblum haben mehr Szenen, als für die "Story" nötig sind. Die Raptoren aber machen ordentlich Wind und Goldblum verströmt ordentlich die Coolness des ironischen Querdenkers. Da hat der Film seine Momente, die aber mehr auch nicht sind neben als den anderen Jurassic-Momenten, die das Franchise ausweidet, ohne sich noch für seine Entwicklung zu interessieren. Nach 29 Jahren auf Erden haben die Dinosaurier alte Freunde zusammengebracht, neue dazu gemischt und dann alle Drehbücher gefressen, die die zunehmend ermatteten Autoren aus ihren Schreibstuben reichten. Es ist ein Film, in dem die Dinosaurier die Pausenfüller in einer Geschichte sind, in der rudimentär die eigentliche Bedrohung der Menschheit zu erkennen ist. Im Anthropozän-Park, in dem der Mensch des Menschen Wolf ist.

Wertung: 3 von 8 €uro
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