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Plakatmotiv: King Kong und die weiße Frau (1933)
Die Zivilisation erobert die Wildnis.
Die Wildnis schlägt erbarmungslos zurück.
Titel King Kong und die weiße Frau
(King Kong)
Drehbuch James Ashmore Creelman + Ruth Rose + Merian C. Cooper + Edgar Wallace + Leon Gordon
Regie Merian C. Cooper & Ernest B. Schoedsack, USA 1933
Darsteller Fay Wray, Robert Armstrong, Bruce Cabot, Frank Reicher, Sam Hardy, Noble Johnson, Steve Clemente, James Flavin, Walter Ackerman, James Adamson, Van Alder, Ed Allen, Etta Mae Allen, Frank Angel, Roscoe Ates u.a.
Genre Abenteuer
Filmlänge 100 Minuten
Deutschlandstart
1. Dezember 1933
Inhalt

Der Regisseur Carl Denham und seine Filmcrew reisen auf dem Frachter „Venture“ zur entlegenen Insel „Skull Island“. Auf der in keiner Karte verzeichneten, nur durch wenige Überlieferungen bekannten Insel will er seinen nächsten Film drehen. Denhams Hauptdarstellerin ist seine Neuentdeckung Ann Darrow.

Bei der Landung gerät die Besatzung in eine Zeremonie der Inselbewohner, deren Dorf durch eine hohe Mauer vom Rest der Insel getrennt ist. Vor dem Tor der Mauer soll gerade eine junge Frau dem lokalen Inselgott „Kong“ geopfert werden. Als Denham die Szene filmen will, werden sie entdeckt. Die Insulaner fordern die Herausgabe der platinblonden Ann. Zwar gelingt der Mannschaft die Flucht, doch in der folgenden Nacht wird Ann von den Eingeborenen vom Schiff entführt und zur Opfergabe Kongs erkoren.

Ann wird auf der landesinneren Seite der Mauer an einem Altar festgebunden, dann rufen die Inselbewohner ihren Gott Kong herbei. Aus dem Dschungel taucht ein Riesenaffe auf, löst Anns Fesseln und nimmt sie mit sich. Die Besatzung der „Venture“, die Anns Abwesenheit bemerkt hat, trifft zu spät ein. Denham stellt einen Rettungstrupp zusammen. Kong bringt Ann in seine Höhle; auf ihrem Weg beschützt er sie vor diversen Gefahren wie Dinosauriern und Riesenschlangen. Der Rettungstrupp wird auf seinem Marsch durch den Dschungel bis auf zwei Mann komplett aufgerieben. Jack Driscoll, der Erste Offizier der „Venture“, rettet Ann in einem günstigen Augenblick, als Kong durch einen Kampf mit einem Flugsaurier abgelenkt ist. Kong verfolgt sie, durchbricht das Tor der Mauer und veranstaltet unter den Eingeborenen ein Massaker. Es gelingt Carl Denham aber, Kong mit Gasbomben zu betäuben und nach New York zu verfrachten.

Plakatmotiv: King Kong und die weiße Frau (1933)Als „King Kong“ wird Kong in einem Theater am Broadway dem zahlenden Publikum als „achtes Weltwunder“ präsentiert. Bei der Premiere wird er vom Blitzlichtgewitter der Fotografen so sehr aufgebracht, dass er seine Fesseln sprengt und auf der Suche nach Ann durch New York zieht. Auf seinem Weg tötet er zahlreiche Menschen, wirft mit Autos um sich und lässt eine Hochbahn entgleisen.

Kong findet Ann und John versteckt in einem Apartment, bringt Ann erneut in seine Gewalt und flieht mit ihr auf die Spitze des Empire State Buildings. Dort wird er von einer Staffel Doppeldecker des United States Army Air Corps angegriffen …

Was zu sagen wäre

Wenn das Ungeheur sich aus dem Fluss erhebt, den der Rettungstrupp auf der Suche nach der Frau gerade mit einem Floß überquert, erreicht der Film seinen schrecklichen Höhepunkt. Das Ungeheuer, eine Art Brontosaurus (allerdings eine fleischfressende Variante), erhebt sich, schleudert die Männer vom Floß, reißt einige von ihnen; den letzten, einen in Panik und dann vor Schmerzen kreischenden Matrosen pickt er von einem Baum. Unter anderem wurde mir in dem Moment klar, wie wichtig der Ton für eine Dramaturgie ist – das Gekreische erzeugte dichte Gänsehaut.

Bis dahin hatte ich, Mitte der 1970er Jahre 14 Jahre alt, auf einem 15-Zoll-Fernseher der Marke Grundig einen spannenden Abenteuerfilm gesehen mit Eingeborenen, die etwas bedrohlicher waren als die, die ich aus der Fernsehserie „Daktari“ kannte, und in dem ein riesiger Gorilla eine kleine blonde Frau bedroht. Ich hatte schon Filme mit Urzeitmonstern gesehen – da stapfte ein Mensch im Godzillakostüm durch Faller-Plastiklandschaften – das schreckte mich nicht; ich war fasziniert von der Geduld, die die Tricktechniker für ihre als Stop-Motion bezeichnete Tricktechnik an den Tag gelegt hatten: Die King-Kong-Puppe, im Wesentlichen ein Drahtgitter-Gestell mit Affenmaske und Fell, musste Frame für Frame minimalst bewegt werden, um im Medium Film, das dem menschlichen Auge mit 24 Einzelbildern pro Sekunde Bewegung vorgaukelt, den Riesaffen zum Leinwand-Leben zu erwecken. Klar, der Affe ruckelt in seinen Bewegungen. Das nahm ihm aber nichts von der Faszination.

Eine großartige Technik, feinste Handarbeit, die mich mehr fesselte, als der Film als solcher. Bis der fleischfressende Brontosaurus auftaucht und alles verändert. Da spielt die Spezialeffekte-Technik keine Rolle mehr. Es erhebt sich ein existenzieller Abenteuerfilm mit mörderischen Ungeheuern.

Wobei man Möderische Ungeheuer durchaus unterschiedlich interpretieren kann. Der riesige Gorilla wird in der kommenden halben Filmstunde einen Tyrannosaurus Rex zerlegen (was die nächste tricktechnische Meisterleistung ist: zwei Monster gleichzeitig bewegen, zu ihren Füßen laufen zwei Menschen um ihr Leben; aber das wird einem dann erst später, wenn man sich von dem Schrecken erholt hat, klar) und in rasender Wut Menschen fressen, Menschen tot treten, Menschen zerreißen.

Aber sind die Menschen, die hier auftreten, eigentlich so viel besser?

Ist Carl Denham, der Filmregisseur auf der Suche nach den spektakulären Bildern, nicht das eigentliche Ungeheuer? Der Film wurde 1933 gedreht und seine Geschichte spielt in eben dieser Zeit – also in der Zeit der großen Depression. Weltwirtschaftskrise: Arbeitslosigkeit hoch! Denham, der gefeierte Regisseur schnappt sich die nächstbeste Blondine von der Straße – „Die Leute wollen schöne Mädchen sehen!“ – und setzt sie einer unkontrollierbaren Gefahr aus. Auf der Insel beutet er die Motive der Eingeborenen aus, drängelt sich zwischen deren Riten wie ein Mächtiger, der Untergebenenland betritt.

Plakatmotiv (US): King Kong und die weiße Frau (1933)Und Kong, der König? Den behandelt der große, weiße Regisseur Denham wie eine Trophäe. Mehrfach jubiliert er in die Schreibblöcke der Reporter, dass der Gorilla auf seiner Insel als Gott verehrt worden sei, aber jetzt befinde er sich sicher in den Ketten der, naja was? Der Zivilisation? Betrachtet man die Geschichte mal aus der Realität der Einwohner von Skull Island, dann avanciert schnell dieser Carl Denham zum Monster des Films, denn bevor der auftauchte, war alles geordnet; ab und zu musste halt eine (vermutlich) Jungfrau geopfert werden, aber dafür hatte die Gemeinschaft lange ihre Ruhe. Denn dieser Kong sorgte für Ordnung auf der Insel der übrig gebliebenen Dinosaurier. Offenbar ist er stärker, als all die andern; und was passiert nun, wenn Kong weg ist? Wenn Pterodactylon, Tyrannosaurus oder Bronto ungehindert Zugang haben zu Menschenfleisch?

War da nicht die bisherige Rechnung der Eingeborenen, ein Menschenleben für das Leben ganz vieler, viel billiger? Das folgt einem archaischen Ausleseprozess. Aber: Denham geht am Anfang ja so ähnlich vor. Er holt sich eine wehrlose Arbeitslose, die dringend Geld braucht, und rettet, indem er ihr Leben zur Disposition stellt, viele Arbeitsplätze seines Filmprojekts (für das keine andere Schauspielerin unterschreiben wollte).

Und dann bricht die Hölle los. Das ist natürlich klar in dem Moment, als wir den mächtigen Kong angekettet sehen in diesem Stahlgerüst, und obwohl er all diese Menschen getötet hat im Laufe des Films, hegen wir Sympathie: Wäre es nach dem Gorilla gegangen, hätte er seine Insel nie verlassen (und dafür ab und an eine Jungfrau verspeist – nicht schön, aber such is life) und also keine Amerikaner verspeist. Um das nicht so einfach zu lassen, bauen Cooper und Schoedsack die Lady mit der Perlenkette ein.

Als King Kong im großen Theater zur Aufführung kommt, will eine Perlen behängte ältere Dame, die sich auf einen dieser „schönen Abenteuerfilme von Herrn Denham“ gefreut hat, sofort gehen, als sie hört, dass es keinen Film über ferne Exoten gibt, statt dessen heute einer dieser fernen Exoten hier ausgestellt werden soll. Der Wilde in echt? Das wahre Leben direkt vor meinem Pelzmantel? Das doch lieber nicht!

Und kurz darauf befreit sich die Kreatur auch schon aus ihren Ketten … aus ihrem Joch … und legt los.

Damals, Mitte der 70er Jahre wusste ich das nicht (und war statt dessen einfach mitgerissen von den Szenen), aber Cooper und Schoedsack etablierten 1933 gleich mehrere Situationen, an denen in der Zukunft kein Monsterfilm mehr vorbeikam:
– Monster tobt durch Hochhausschluchten
– Monster erschreckt Appartement-Bewohner
– Monster zerlegt S-Bahn

Ich kann „King Kong und die weiße Frau“ heute nicht gucken, ohne den filmhistorischen Background – und sowas macht einen Film normalerweise kaputt. „King Kong“ hält der Herausforderung stand. Er ist bis heute ein exotisches Abenteuer. Er ist ein tricktechnisch innovativer Meilenstein. Und er ist ein sozialpolitisches Abbild seiner Zeit.

Wertung: 6 von 6 D-Mark
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