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Plakatmotiv: Ein Mann sieht rot (1974)

Charles Bronson macht
auf Dirty Harry Callahan

Titel Ein Mann sieht rot
(Death Wish)
Drehbuch Wendell Mayes
nach dem Roman "Der Vigilant oder ein Mann sieht rot" von Brian Garfield
Regie Michael Winner, USA 1974
Darsteller

Charles Bronson, Hope Lange, Vincent Gardenia, Steven Keats, William Redfield, Stuart Margolin, Stephen Elliott, Kathleen Tolan, Jack Wallace, Fred J. Scollay, Chris Gampel, Robert Kya-Hill, Edward Grover, Jeff Goldblum, Christopher Logan u.a.

Genre Action
Filmlänge 93 Minuten
Deutschlandstart
1. November 1974
Inhalt

Paul Kersey kehrt nach seinem Urlaub mit seiner Frau aus Hawaii ins triste New York heim. Während er wieder seinem Job in einem renommierten Architektenbüro nachgeht, werden seine Frau und Tochter nach einem Einkauf von jugendlichen Kriminellen in ihrer Wohnung schwer misshandelt; die Tochter wird von einem der Täter zum Oralverkehr gezwungen. Während seine Frau im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erliegt, stellen die Ärzte bei seiner Tochter ein schweres Trauma fest. Sie wird schließlich in einem Sanatorium untergebracht.

Kersey vereinsamt in Trauer und Wut, vertieft sich mehr und mehr in Arbeit. Bei der Planung eines Immobilienprojekts in Arizona erkennt der dort ansässige Kunde, ein Rinderbaron, Kerseys Talent für den Umgang mit Schusswaffen und schenkt ihm als Dank für die gute Zusammenarbeit einen Revolver. Zurück in New York beginnt er nun systematisch, Räuber in der Nacht das Fürchten zu lehren.

Plakatmotiv (US): Death Wish – Ein Mann sieht rot (1974)Als vermeintliches Opfer wehrt er sich mit seiner Waffe und erschießt als erstes einen Drogensüchtigen, der Geld per Waffengewalt von seinen Opfern abpresst. Weitere Opfer, insgesamt zehn, folgen, aber auch die Polizei schöpft bereits gegen ihn Verdacht …

Was zu sagen wäre

Das New York unter Michael Winners Regie (Scorpio, der Killer – 1973; Kalter Hauch – 1972) ist ein kalter, unwirtlicher Ort. Die Straßen werden von Strolchen und Räubern unsicher gemacht, die Polizei ist überfordert, Krankenhäuser überlastet und wer in dieser Stadt für Gewinner zu den Gewinnern zählt, wünscht Arbeitslose, wenn das Gespräch auf solche kommt, ins Arbeitslager, „und zwar ohne Ausnahme!“ Die Beerdigung von Joanna Kersey verschwindet in einem Schneesturm. Der einzige Mensch, der eine soziale Ader hat, ist der freundliche Architekt Paul Kersey – „Ich war Kriegsdienstverweigerer.

Um so größer ist die Fallhöhe vom sozialen Gewissen zum nächtlichen Rächer. Was der Film ausblendet ist die Frage, wie ein Mann mit einem solchen Verlust wie dem des Architekten, dem die Frau ermordet und die Tochter in die psychatrische Anstalt vergewaltigt wird, umgeht. Dafür ist Charles Bronson aber auch der falsche Mann, der über sein Knittergesicht gerade mal die Gefühle Wut, Trauer und Normal ausdrücken kann (Das Gesetz bin ich – 1974; Kalter Hauch – 1972; Chatos Land – 1972; Die Valachi-Papiere – 1972; Rivalen unter roter Sonne – 1971; Kalter Schweiß – 1970; Spiel mir das Lied vom Tod – 1968; Das dreckige Dutzend – 1967; Die Panzerschlacht in den Ardennen – 1965; Gesprengte Ketten – 1963; Die glorreichen Sieben – 1960; Wenn das Blut kocht – 1959; Vera Cruz – 1954; Massai – Der große Apache – 1954).

Der Vertrauensverlust in die staatlichen Sicherheitsbehörden ist im Kinofilm nicht neu. Gerade geht der San Francisco Cop Harry Callahan zum zweiten Mal eigene Wege, weil die Referate der Stadt sich in ihren Vorschriften gefesselt und kaputt gespart haben. Diese Regeln des Wilden Westens branden hier zurück an die Ostküste, in jenes Manhattan, dass die Filmschaffenden der Westküste als das Sündenbabel schlechthin erkennen. Weil die Polizei untätig bleibt, aus welchen verzeihbaren Gründen auch immer, greift hier der Privatmann zur Sebstjustiz, um der Natur zu ihrem Recht zu verhelfen: „Was ist aus uns geworden?“, fragt Kersey, der Rächer. „Wenn wir keine Pioniere mehr sind. Was sind wir dann?“ Dieses Motiv klang schon in der vorherigen Michael-Winner-Charles-Bronson-Produktion Chatos Land an: Wenn der Mensch nichts mehr zu bekämpfen, zu erobern hat, bleibt das Zivilleben; und das macht den Menschen zum Wolf. Es liegt nicht in der Natur des Menschen, mit Frieden umgehen zu können. Es bleibt ein zwiespältiger Randaspekt des Rachefeldzuges, dass der Rächer allerlei Gesindel auslöscht, den Mördern und Vergewaltigern, die seine Familie auseinandergerissen haben, dabei aber nicht mal nahe kommt.

So fragwürdig wie der Rächer, der Straßendiebe und Schläger erschießt – und dabei den eigenen Tod billigend in Kauf nimmt, ja geradezu heraufbeschwört (der Film heißt im Original nicht aus reißerischen Gründen "Death Wish" – Todeswunsch)  – ist das Verhalten der Polizei. Die führt ungenehmigte Hausdurchsuchungen durch, der Generalstaatsanwalt ist ganz glücklich über den Rächer, der die Stadt befriedet. Die Rate der Überfälle in der Stadt sei binnen einer Woche von 950 auf 470 gesunken: „Die Handlungsweise des mysteriösen Rächers hat zur Folge, dass sich die Bürger der Stadt nun nicht mehr einfach hilflos überfallen und ausrauben lassen“, freuen sich die Medien.

Besonders spannend ist der Film trotz seiner durch die ungewöhnliche Rachestory hohen Schauwerte nicht. Die Handlung ist dünn, es geht nach einem länglichen Intro, das uns mit der Hauptfigur vertraut machen soll – was scheitert, weil Charles Bronson einsilbig spielt – von nächtlicher Schießerei zu nächtlicher Schießerei und dazwischen knurrt Vincent Gardenia als der ermittelnde New York Cop Frank Ochoa seine Befehle.

<Nachtrag 2018>Der Film gilt heute als eine der großen Gewaltstudien des US-Kinos der 1970er Jahre. Hart wurde das Für und Wider zum Thema Selbstjustiz diskutiert, schließlich wurde der Film indiziert; das wurde im Februar 2018 wieder aufgehoben. Nach einer Neuprüfung durch die FSK wurde die ungeschnitte Fassung ab 16 Jahren freigegeben.</Nachtrag 2018>

Wertung: 4 von 9 D-Mark
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