Wir schreiben die 1960er Jahre, wir sind auf der retrofuturistischen Erde 828. Hier leben und arbeiten der Wissenschaftler Dr. Reed Richards, seine Ehefrau Sue Storm, deren Bruder Johnny Storm und Ben Grimm und haben sich seit vier Jahren als die Fantastic Four – Superhelden und Beschützer der Erde – etabliert: Einst flog das Quartett ins All und wurde kosmischer Strahlung ausgesetzt, wodurch jeder von ihnen übermenschliche Fähigkeiten erhielt. Reed kann seinen Körper unermesslich ausdehnen, Susan kann sich und andere unsichtbar machen und Kraftfelder erzeugen, Johnny kann sich in eine lebende Fackel verwandeln und aus Benn Grimm wurde der mächtige Steinkoloss, genannt Das Ding.
In der Vergangenheit haben die Vier schon mehrfach die Menschheit vor Übel bewahrt; vor dem MoleMan ebenso wie vor dem Monster Giganto oder dem Red Ghost mit seinen gefährlichen Affen. Aber jetzt kündet Galactus sein Kommen, der in den Weiten des Alls auch als "Der Weltenverschlinger" gefürchtet ist: In New York City erscheint der mysteriöse Silver Surfer, eine sich auf einem Surfbrett bewegende junge Frau in Silber. Als Heroldin verkündet sie das Ende der Menschheit sowie die Zerstörung der Erde durch Galactus.
Alarmiert durch die drohende Gefahr und das Verschwinden weiterer Planeten, starten die Fantastic Four eine Weltraummission, um Galactus aufzuspüren. Auf ihrer Reise erreichen sie schließlich einen entfernten Planeten, dessen unmittelbarer Zerstörung sie tatenlos zusehen müssen. Anschließend empfängt sie Galactus und stellt die Vier vor eine ultimative Entscheidung …
Als hätten die MARVEL-Studios den Rat einer jeden IT-Abteilung befolgt: „Schon mal aus- und wieder angemacht?“. als hätten sie also den Stecker gezogen, 30 Sekunden gewartet, dann den Stecker wieder gesetzt und einen kompletten Neustart initiiert. Nichts an "The Fantastic Four: The First Steps" ist pathetisch oder total ernstes Reality-Kino, so wie wir das in den zurückliegenden MARVEL-Jahren oft hatten, wenn die Helden unbedingt ganz doll geerdet sein mussten, die Farben nur ganz entsättigt auftreten durften und alle immer mit Leichenbittermine herumliefen und dauernd erklärten, was nun war, was gerade ist und was das Schicksal denn nun vorhat.
Der vorliegende Film orientiert sich an seiner Comicvorlage aus den 1960er Jahren. Die "Fantastic Four" kamen als Comic 1961 in die Regale und darin lebten sie das Leben einer schwer zu erklären reichen Familie in einem gläsernen Skyscraper in Manhattan und retteten fortan aufgrund von Kräften, die ihnen Kosmische Strahlung bei einer Weltraummission verpasst hatte, dauernd die Welt. Oder mindestens aber New York. Dazwischen hatten sie familiäre Themen zu lösen. Der junge Johnny war zwar die Menschliche Fackel, aber eben auch noch ein Teenager im Alter von Peter Parker aka Spider-Man, mit dem er eine Zeitlang enger befreundet war, als mit seiner viel älteren Schwester Susan und deren Ehemann Reed Richards, der einer der intelligentesten Männer des Planeten ist und dauernd vor riesigen Schiefertafeln steht, die er mit Formeln voll schreibt. Außerdem ist da Ben Grimm, der Steinkoloss mit dem Herz aus Gold, der ein bisschen hadert mit seinem Schicksal als Steinkoloss, was zu ein paar der sehr lesenswerten Comics unter den ohnehin lesenswerten FV-Comics in jenen Jahren führte.











Und die Welt liebt die Vier. Denn sie muss sich um nichts mehr kümmern. Anders, als in anderen Filmen aus dem MCU, gibt es in dieser Welt hier offenbar kein Militär. Wenn es Probleme gibt, sind zuverlässig die Fantastic Four zur Stelle. Konflikte der Länder untereinander gibt es nicht. Als Reed die ganze Weltbevölkerung braucht, um die Bedrohung durch Galactus abzuwehren, steht die binnen Minuten mit Tat und Schaufel und Schraubendreher und IT-Kenntnissen bereit und baut in kürzester Zeit hochkomplexe Teleportationsmaschinen jeweils von der Größe des Eiffelturms. Sie haben da im Baxter Building sogar Empfangsgeräte, mit denen sie Hilferufe und das verzweifelte Sterben Lichtjahre weit entfernter Planeten aufzeichnen können. Das klappt in dieser Welt einfach so, das wird nicht hinterfragt und muss auch nicht hinterfragt werden. Genauso wenig wie der Umstand, das Galactus sich zwar mit Lichtgeschwindigkeit durchs All bewegt, aber als er unser Sonnensystem erreicht hat, plötzlich erstaunlich viele Tage braucht, um nur vom Jupiter bis zur Erde zu kommen. Für den Film ist das alles aber auch nur der Takt gebende Rahmen.
Achtung Spoiler
Denn hier geht es um Familie. Um die Family Values. Und darum, wie Familie und Gesellschaft manchmal mit gegenläufigen Interessen aneinander geraten. Einmal nur setzen die Vier ihre Priorität klar auf den Schutz ihrer Familie. Und prompt ist die Empörung in den Medien groß. Es kommt zu Demonstrationen vor dem Baxter Building. Und hier schleicht sich ein dunkler Ton in die Geschichte, die bisher in leuchtenden, bunten Farben erzählt worden ist. In der ersten Szene offenbart Susan ihrem Ehemann, dass sie schwanger ist. Kurz darauf tritt die Bedrohung Galactus mit dem unendlichen Hunger nach Energie auf den Plan und der verzichtet gerne darauf, die Erde zu verspeisen, wenn Susan ihm ihren ungeborenen Sohn übergibt, in dem Galactus seinen ersehnten Nachfolger erkennt. Der Weltenverspeiser ist des ewigen Hungers müde und will sich endlich zur Ruhe setzen. Plötzlich steht ein Baby gegen die Welt, ein Baby kann die Welt retten, wenn es geopfert wird. Das ist jene Frage, wie man mit einem Flugzeug umgehen sollte, das droht in ein Hochhaus zu fliegen oder in ein vollbesetztes Fußballstadion – ob dann nicht das Opfer der Wenigen das Wohl der Vielen aufrechne (man das Flugzeug also abschießen solle); und hier ist es nur ein Baby für die ganze Welt. Und die Welt ist da klar: Das Baby muss gefälligst geopfert werden. Keiner der normalen Menschen kommt auf die Idee, selbst etwas für die Verteidigung seines Lebens zu investieren. Lieber auf andere zeigen oder halt sterben, aber nicht kämpfen. Auf einer zweiten Ebene verhandelt diese erstaunliche Comic-Verfilmung brandaktuelle Gesellschaftsfragen.
Aber auch die Mutter, Susan, auf der anderen Seite bleibt da klar: ”Ich werde alles Menschenmögliche tun, um mein Kind zu beschützen. Ich werde aber auch alles unternehmen, um die Erde zu retten.“
Und darauf kann man sich dann auch verlassen, vor und auf der Leinwand. Wie damals in den Comics: Wenn der Abspann beginnt, ist die Erde gerettet. Und wir im Kinosessel haben – und darauf konnte man sich bei MARVEL nicht mehr verlassen – einen sehr unterhaltsamen, packenden, bunten, abwechslungsreichen und vor allem nicht überfrachteten Film gesehen. Dieser Ensemblefilm erinnert an den Charme des ersten Thor-, oder des ersten Ant-Man-Films.
Der Film widmet seinen vier Titelfiguren viel Zeit, in der die ihre Beziehungen untereinander ausspielen können – hier das Ehepaar, das im Begriff ist, Eltern zu werden, da Ben Grimm, der seine latente Einsamkeit mit coolen Jokes überspielt und für die Kinder aus seiner alten Schule schon mal einen VW-Käfer in die Luft hebt. Und der junge Johnny, der nicht mehr nur der Aufreißertyp sein will (wie in früheren Verfilmungen), sondern seiner Schwester zeigen will, dass der Kopf auf seinen Schultern auch um Denken taugt – und damit den entscheidenden Durchbruch im Drama um Galactus schafft. Die vier Schauspieler harmonieren gut, spielen sich gekonnt die Bälle zu und zeigen in manchen kleinen Gesten ihre Verbundenheit zueinander.
Vanessa Kirby sticht ein wenig heraus (Napoleon – 2023; Mission: Impossible – Dead Reckoning – 2023; Fast & Furious: Hobbs & Shaw – 2019; Mission: Impossible – Fallout – 2018; "The Crown" – 2016; Jupiter Ascending – 2015; Alles eine Frage der Zeit – 2013), deren Susan eine sehr dominante Figur in dieser Gruppe ist und ihrem Mann, der in seine Formeln vertieft ist, den Weg weisen muss.
Pedro Pascal muss als Reed Richards mit überraschend wenig Eigenleben im Film umgehen. Pascal, der momentan gefühlt in jeder zweiten Großproduktion auftaucht ("Was ist Liebe wert – Materialists" – 2025; Gladiator II – 2024; The Bubble – 2022; Massive Talent – 2022; We Can Be Heroes – 2020; Wonder Woman 1984 – 2020; "The Mandalorian" – 2019; The Equalizer 2 – 2018; Kingsman: The Golden Circle – 2017; The Great Wall – 2016), gibt hier und da die Kommandos und wenn er ein waghalsiges Flugmanöver mit den Worten „Vertrau mir!“ vorschlägt, dann sieht man in des Piloten Ben Grimms Augen, wie alt und vertrauensvoll die Freundschaft der beiden ist (einer von den schönen kleinen Momenten in diesem Film). Ansonsten erfindet er immer die richtigen Dinge zur richtigen Zeit.
Ebon Moss-Bachrach ("The Bear" – 2022-2025) als Ben Grimm macht unter seiner CGI-Maske erstaunlich viel aus dem gutmütigen Koloss mit den blauen Augen und Joseph Quinn, der mich in den Trailern ganz unberührt gelassen hat (Gladiator II – 2024; "Stranger Things" – 2016), erweist sich als sehr menschliche Menschliche Fackel, die auch für den Hausroboter immer eine Streicheleinheit übrig hat.
Endlich hat Galactus seinen ordentlichen Auftritt. 2007 unter der Regie von Tim Story war er sowas wie ein Wolkenwurm mit Zähnen. Hier nun ist er die mächtige Erscheinung mit dem ikonischen Helm, die wir aus den Comics kennen. Der Gigant hat ein paar schöne Auftritte, aber länger in Erinnerung bleibt sein erster, der großartig inszeniert ist. Sein Herold, jene Schicksalsfigur, die die vitaminreichen Planeten für Galactus finden soll, war immer Norrin Radd, der Silver Surfer. Im Comic hatte er, bevor er von Galactus verwandelt wurde, auf seinem hoch entwickelten Heimatplaneten eine Freundin namens Shalla Bal, die später in den Comics hier und da auch zur Silver Surferin wurde. Im vorliegenden Film gibt es diese Vorgeschichte nicht, statt dessen hat Shalla Bal die tragische Biografie, die in den Comics Norrin Radd hatte: Sie rettet ihren Heimatplaneten vor Galactus' Zerstörung, indem sie sich ihm fortan als einsam durchs All streifender Herold anbietet. In "Fantastic Four: First Steps" wird sie mit wenigen Auftritten zu einer zentralen Figur dieses Films. Tragisch, melancholisch, menschlich.
Dass man eine gottgleiche Figur wie Galactus eigentlich nicht bezwingen kann, wussten auch schon Stan Lee und Jack Kirby, als sie sie 1961 erfanden, und erdachten eine wilde Story um ein Gadget, für das Johnny "Human Torch" Storm durch sämtliche Universen fliegen musste – derart haarsträubend, dass sie nur in den 60ern erdacht und dann auch umgesetzt werden konnte und ich sie als kleiner Junge sofort als logisch und richtig akzeptiert habe. Jedenfalls schwor Galactus daraufhin, die Erde nie wieder zu bedrohen.
Das Problem mit der Unbezwingbarkeit hat sich über die Jahre nicht geändert und so ist auch die Lösung im vorliegenden Film durchaus fragwürdig. Wie so vieles in diesem Film fragwürdig erscheint, aber eben nicht hinterfragt werden muss. Dieser Film betont seine Comicwurzeln und macht damit Spaß. Er atmet die Naivität jener frühen Jahre, als Kennedy-Mord, Atomangst, Vietnamkrieg und selbst der große Zweite Weltkrieg noch ständige Begleiter waren, aber in den Comics zwar die irrsinnigsten Schurken die Panels bevölkern konnten, aber sicher nach 34 bunten, abenteuerlichen, beeindruckend bebilderten, lebendigen Seiten aus dem Weg geräumt waren. Bis zum nächsten Mal.
Die Fantastic Four im Kino
- "The Fantastic Four" – Oley Sassone, 1994
- Fantastic Four – Tim Story, 2005
- Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer – Tim Story, 2007
- Fantastic Four – Josh Trank, 2015
Übersicht: Helden im Comic, Helden auf der Leinwand