Diana Prince lebt ein freudloses Leben, ganz der Arbeit gewidmet, die sie als leitende Anthropologin ans Smithsonian Institute in Washington D.C. gebracht hat. Sie lebt alleine, geht abends allein aus und wenn ihr auf einer Vernissage ein Mann Komplimente macht, weist sie ihn höflich aber bestimmt zurück. Sie trauert immer noch um Steve, der im Ersten Weltkrieg sein Leben verlor. Diana, heimliche Prinzessin der "Paradiesinsel“ Themyscira im Mittelmeer – und noch heimlicher Wonder Woman – ist seit den damaligen Vorgängen kaum älter geworden.
Am Institut lernt Diana die unsichere und tollpatschig wirkende Wissenschaftlerin Barbara Ann Minerva kennen. Barbara, neu eingestellt, soll für das FBI ein Artefakt analysieren, das aus einem vereitelten Raubüberfall sichergestellt wurde. Diana bietet ihre Hilfe an. Es stellt sich heraus, dass dieses Artefakt, dessen Herkunft und Alter unbekannt ist, zu seiner Zeit als Wunscherfüller gepriesen wurde. Die beiden Frauen witzeln ein wenig über diesen Glauben, aber heimlich wünscht sich Diana, dass doch Steve wieder bei ihr wäre. Und Barbara, dass sie doch so smart und cool wäre wie Diana.
Am Abend auf einer Veranstaltung des schmierigen Geschäftsmannes Maxwell Lord ruft ein Fremder nach Diana und lässt sich nicht abweisen, egal, wie rüde Diana sie ihn ablehnt. Sie erkennt: Ihr gegenüber steht niemand anderer als Steve – im Körper eines Fremden. Und Barbara erkennt am nächsten Morgen, dass sie über Nacht sehr stark geworden ist und auch am Institut begrüßen sie alle überschwänglich und überhäufen sie mit Komplimenten.
Tatsächlich kann der geheimnisvolle Stein, was ihm zugeschrieben wird. Und Maxwell Lord weiß das. Er ist seit Jahren hinter ihm her. Er kann Barbara, der er eine großzügige Spende seines Öl-Unternehmens in Aussicht stellt, überreden, ihm den Stein auszuleihen; er kenne einen Wissenschaftler, der bei der Ermittlung der Herkunft des Steins helfen könne. Maxwell Lord ist pleite, gerade ist ihm der letzte Investor abgesprungen, der in Ölförderung investieren sollte, die es gar nicht gibt. Aber nun hat Maxwell den Stein und sein Wunsch ist es, selbst der Traumstein zu sein. Der Stein zerfällt und nach wenigen Tagen ist Maxwell Lord einer der reichsten Männer der Welt. Und Barbara lernt nach und nach kennen, wie cool Diana Prince wirklich ist und erkennt ganz neue Kräfte an sich.
Die zauberhaften Wünsche haben aber einen Haken. Sie nehmen dem Wünschenden seine psychische Stärke oder, körperliche Robustheit oder seine Gesundheit. Und sie treiben binnen weniger tage die Welt in den Atomkrieg …
Diese Fortsetzung ist ähnlich historisch, wie ihr Vorgänger von 2017. Allerdings auf andere Weise. Wonder Woman war vor drei Jahren ein echter Überraschungshit: ein Superheldenfilm, in dem eine Heldin die Hauptrolle hat und der von einer Frau inszeniert wurde und der an der Kinokasse zum Bestseller avancierte. 149 Millionen Dollar hatte Patty Jenkins für ihren Film ausgegeben, der bis heute rund 830 Millionen Dollar eingespielt hat. Jenkins und "Wonder Woman" haben der notorisch männerdominierten Filmbranche gezeigt, was Frauen können.
Das Historische dieser Fortsetzung jetzt ist der Weg ihrer Veröffentlichung. Eigentlich war ein klassischer Kinostart im Mai 2020 geplant. Daraus und aus den nachgeschobenen Terminen wurde dann aufgrund der Corona-Pandemie nichts. Ende November 2020 beschloss das Studio Warner Bros., den Film in vielen Ländern am 16., beziehungsweise 25. Dezember in die Kinos zu bringen und gleichzeitig über das hauseigene Streamingportal HBOmax anzubieten. Warner Bros., das im Corona-Sommer 2020 mit dem Kinostart des potenziellen Christopher-Nolan-Blockbusters Tenet eine wirtschaftliche Bauchlandung hingelegt hatte, entschied, im Kinojahr 2021 mit allen Filmen aus eigener Produktion so zu verfahren, wie mit "Wonder Woman 1984" – also gleichzeitig für Kinosessel und heimische Couch liefern. Für Filme, die als Spektakel für die große Leinwand geplant sind, ist das ein Wettbewerbsnachteil. Denn solche Filme locken primär mit visuellem Wumms, seltener mit ausgefeiltem Drehbuch und das macht sich auf dem heimischen (im Leinwandvergleich maximal mittelgroßen) Bildschirm deutlich bemerkbar.
Aber das heimische Sofa war bei "Wonder Woman 1984" ja immer noch nur als Zweitverwertung gedacht; zunächst muss des ordentlich krachen. Also muss der schüchternen, tapsigen, plötzlich cool begehrenswerten Barbara-Minerva-Figur eine pandemische Katastrophe fürs Leinwandspektakel zur Seite gestellt werden; ein globaler Terror. Im Mittelpunkt steht die Rekonstruktion eines Glaubenssatzes, der in Hollywood hoch gehalten wird, wie kein zweiter: Glaube an Dich, lebe Deine Träume, dann gehen sie in Erfüllung. Auf dem heimischen Sofa vor dem kleinen Bildschirm wird klar, wie erfrischend "Wonder Woman 1984" diesen Glauben in die Tonne tritt. „Pass auf, was du Dir wünscht. Es gewährt Deinen Wunsch, nimmt aber Deinen wertvollsten Besitz.“ Der Film beruft sich mit dieser Idee auf eine alte Kurzgeschichte von 1902, "Die Affenpfote". Da werden einem drei Wünsche erfüllt. Die Erfüllung der Wünsche fordert aber einen tödlichen Preis. Dieser philosophischen Erwartung folgt im Film: nichts. Wir folgen dem exaltiert schleimigen Maxwell Lord, der schon als einfacher Verlierer schwer zu ertragen ist, wie er nun aller Welt ihre Wünsche erfüllt. Und weil jeder Mensch eine eigene Vorstellung von Glück und der Richtigkeit der Welt hat, ist die Nachbarschaft der acht Milliarden Erdenbewohner plötzlich sehr klein und führt im Handumdrehen zum dritten Weltkrieg, ausgetragen mit übermäßig vielen Atombomben (das Filmtitel-Kürzel "WW84" kann auch übersetzt werden mit World War 1984). Aus den Puschen haut uns Zuschauer das nicht. Wir schmunzeln ein bisschen, weil dieser Maxwell Lord mit seiner blonden Haartolle und seinen riesigen Versprechungen an alle kurz davor steht, die Welt in Schutt und Asche zu legen – und das mit erfüllten Wünschen, von denen uns der Film immer wieder einimpft, dass die Welt ist wie sie ist und man sie sich nicht durch individuelle Wünsche schöner tricksen darf, denn dann werde aus der Welt eine Lüge; der Wunsch als Fake News.
Ja, die atomare Bedrohung war 1984 das beherrschende Thema. Daraus wird aber 2020, egal ob auf dem Sofa oder im Kinosessel kein spannendes Drama mehr – wir wissen ja: Die atomare Katastrophe hat nicht stattgefunden, also wird auch der Film eine Lösung finden. Auch bleibt unklar, was der schurkische Maxwell Lord eigentlich erreichen will, wenn er jedem Erdenbürger dessen sehnlichsten Wunsch erfüllt. Er ist auf dem Weg, der mächtigste Mann der Welt zu werden, die in Tod und Trümmern vor ihm liegt. Lord ist großkotzig ohne Plan, bis er am Ende zusammenschnurrt auf einen Mann, der um die Liebe seines Sohnes buhlt. Das ist nach dem vorherigen weltumspannenden Brimborium ein bisschen zum Fremdschämen, weil doch wieder nur ein alter Hollywood-Glaubenssatz, jetzt der vom unverbrüchlichen Father-and-Son-Gespann.
Und die Liebesgeschichte? Davon lebte das Original von 2017, von den Verwicklungen der beiden Welten, von den Verständigungsschwierigkeiten, die der vermeintlich starke Mann und die tatsächlich starke Frau miteinander hatten, von den Gefühlen, die daraus erwuchsen. Im neuen Film taugt die Liebesgeschichte bestenfalls als Drehbuchkniff. Wonder Woman bekommt zwei neue Fähigkeiten, die wir aus der Comicvorlage schon seit vielen Jahren kennen: Steve, der Pilot aus dem Zweiten Weltkrieg, führt ihr die Leichtigkeit des Fliegens vor Augen, was schließlich dazu führt, dass sie künftig nun auch fliegen kann. Dazu erklärt ihr Steve die Schönheit des Fliegens am Steuerknüppel eines unsichtbaren Jets, den Wonder Woman in der Comicvorlage immer wieder mal zur Hand nimmt. Und schließlich, am wichtigsten: Dianas große Liebe, (der wiedergeborene) Steve, muss der Heldin klar machen, dass sie, wenn sie die Welt retten will, Verzicht üben muss, so schwer ihr das auch fällt. Inhaltlich jedoch erfüllt Steve keine Rolle, er ist halt Wonder Womans Sidekick, der mit großen Augen staunen darf über die Veränderungen, die die Welt zwischen 1917 (seinem Heldentod) und 1984 hervorgebracht hat und der dem Drehbuch dient, damit Diana einen für die die Handlung erklärenden Dialoge hat. Oder, wie die Marketingabteilung sagen würde: Die Heldin braucht einen Kerl, der Flugzeuge fliegen, Panzer und schwere Trucks fahren kann.
Im großen Spektakel auf der Leinwand geht sowas vielleicht unter. Aber auf dem heimischen Sofa, für das Warner Bros. seine Filme fürs erste nun auch immer gleich anbieten wird, ist das ein Thema, das nicht befriedigend erzählt wird. Übrig bleibt ein bunter, tönend konstruierter Superheldenfilm, in dem Gal Gadot in der Titelrolle von der Wucht der Green-Screen-Action erdrückt wird.