Tim ist schüchtern, rothaarig und noch in einem körperlichen Zustand, der einem 21-Jährigen kein tolles Leben beschert – die interessanten Mädchen sehen durch ihn hindurch. Das ändert sich mit seinem 21. Geburtstag. Da eröffnet ihm sein Vater ein … das Familiengeheimnis jedenfalls der männlichen Mitglieder der Familie: Die männlichen Familienmitglieder sind in der Lage, in die Vergangenheit zurückzureisen. Sie müssen nur einen dunklen Ort aufsuchen, einen Wandschrank zum Beispiel, die Fäuste ballen, sich den Zeitpunkt denken, an den sie wollen und schwupps sind sie dort.
Tim probiert das umgehend aus, um bei Charlotte zu landen – Charlotte, Freundin der Schwester – blond, Bombenfigur, superschön, ihn ignorierend. Nach dem zweiten Fäuste-ball-Zeitpunkt-denken-schwupps-Besuch im Schrank hat Tim etwas wichtiges gelernt. Mädchen sind keine klar strukturiert geradeaus denken Wesen, Mädchen sind … kompliziert. Sie meinen zwar, was sie sagen, aber sie meinen es irgendwie anders.
Tim lernt Mary kennen und verliebt sich auf der Stelle und er wird einige Male in den Wandschrank gehen, um die großen und kleinen Fehler zu umgehen, die verhindern, dass Mary ihn kennenlernen will. Schließlich verliebt sich auch Mary und also …
… ist Tim immer noch nicht glücklich und geht wieder in den Schrank – aber er kann nicht mehr so weit zurück, wie er mag, denn mittlerweile ist er Vater und reist er in der Zeit zurück, verändert sich sein Baby. Und endlich lehrt ihn sein Vater die wichtigste Lektion des Zeitreisens …
Das ist ein bisschen unfair, weil natürlich auch ich mich zu den geschätzt 98 Prozent aller Männer zähle, die in Rachel McAdams verknallt sind (Passion – 2012; "To the Wonder" – 2012; Für immer Liebe – 2012; Sherlock Holmes – Spiel im Schatten – 2011; Midnight in Paris – 2011; Morning Glory – 2010; Sherlock Holmes – 2009; State of Play – 2009; Red Eye – Nachtflug in den Tod – 2005). Und für diesen Film entflammt war ich spätestens, als sie in diesem blau-weiß gestreiften Männerpyjama auf ihrem Bett sitzt, darauf wartend, dass ihre neue Bekanntschaft Tim … den Rest erledigt. Frau in Männerpyjama ist, wie Frauen in Männerhemden am Morgen danach – unwiderstehlich; und auch so charmant, dass ihre ersten Auftritte in diesen ganz unmöglichen Kleidern und dieser scheußlichen Ponyfrisur stattfinden. Rachel-Darling versucht wirklich alles, den anderen Mädchen in ihrem Schatten eine Chance zu geben – und eine, Charlotte, ist immerhin die Blondine (Margot Robbie), die etwa zeitgleich auf dem Wolf-of-Wall-Street-Filmset von Martin Scorsese dem Leonardo-DiCaprio-Charakter den Kopf verdreht.
Nach etwa einer Stunde wird geheiratet. Und dann hat es sich mit dem Rachel-McAdams-Festival. Hier passiert nichts mehr Großartiges – sie bleibt niedlich, guckt schelmisch, sagt ab und zu scharfe Sachen, die man(n) ihr kaum zutrauen würde und die sie prompt umso schärfer wirken lassen – aber es geht nicht mehr um sie. Der Mary-Charakter ist auserzählt, war nur ein Puzzlestein in einem moralischen Rührstück von der Lehre, dass nichts den Moment toppt, in dem Du Dich gerade befindest. "About Time" heißt der Film im Original, also in etwa ”Ein paar Gedanken über das Wesen der Zeit“ und das hat es dann ganz gut getroffen, wenn der Abspann durch ist – der Film ist die zweistündige Entsprechung des Spruchs Carpe Diem. Mehr hat er nämlich nicht zu sagen – Nutze den Tag, lebe im Hier und Jetzt, erkenne die Schönheit des Alltags.
Au weia.
Dass wir uns nicht falsch verstehen von wegen: Plakat und Trailer haben Hartung die nächste goldige Rachel-Romanze versprochen, noch dazu aus der Hand eines Könners – Richard Curtis hat schließlich Tatsächlich… Liebe (2003) geschrieben und gedreht und dann bekommt er aber eine Moral-Lehre und nun ist er beleidigt. So einfach ist das nicht. Den Zuschauer aber mit einem Versprechen zu locken, das dann unerfüllt bleibt, ist kontraproduktiv. Ich kann nicht Notting Hill versprechen und dann Lars von Trier zeigen. Das vergößert die Enttäuschung exponentiell. Und dieses leichte Unbehagen, das jeden Moment umkippen kann in Enttäuschung, keimt und wächst ab der Mitte des Films. Plötzlich beginnt eine neue Idee, eine andere Geschichte, in der die Zeitsprünge fast eine Art Droge für Tim werden (ohne dass der Film die düstere Tönung eines Sucht-Dramas annähme), plötzlich ist seine Schwester immens wichtig, dann sein Dad, dem Bill Nighy ("Jack and the Giants" – 2013; Total Recall – 2012; Zorn der Titanen – 2012; Best Exotic Marigold Hotel – 2011; Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1 – 2010; "Underworld – Aufstand der Lykaner" – 2009; Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt – 2007) wunderbar exaltierte Farbe gibt. Es geht vor und zurück, obwohl Tims Vater zu Beginn erklärt, man könne nur in seiner eigenen Zeit zurück reisen, nicht jedoch in die Zukunft – aber wenn ich in die Vergangenheit gereist bin, ist dann nicht meine (eben noch gewesene) Gegenwart nun jene Zukunft, in die ich nicht mehr zu reisen imstande bin?
Es wird diffus. Die Sprünge durch die Zeit sind wie der Zeigestock des Sozialkundelehrers, der an der Tafel einen schlechten Job macht. Der Film zerfällt. Das ist alles durchweg anschaubar, die Schauspieler gut, die Bilder warmherzig, die Tonspur mit ein paar schönen Soundeffekten versehen … aber diese Einzelteile finden nicht mehr zu einem Ganzen zusammen. Eigentlich schade um die verpasste Möglichkeit.
Aber wenn ich den Moment also positiv nutzen soll, kann ich auch sagen: Schön, Rachel McAdams lächeln gesehen zu haben …