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Plakatmotiv: Alles steht Kopf 2 (2024)

Sehr bunt, sehr schrill, aber
eben doch nur eine Fortsetzung

Titel Alles steht Kopf 2
(Inside Out 2)
Drehbuch Meg LeFauve & Dave Holstein
Regie Kelsey Mann, USA, Japan 2024
Stimmen

Amy Poehler, Nana Spier, Phyllis Smith, Philine Peters-Arnolds, Maya Hawke, Derya Flechtner, Kensington Tallman, Marlene Schick, Liza Lapira, Tanya Kahana, Lewis Black, Hans-Joachim Heist, Tony Hale, Olaf Schubert, Ayo Edebiri, Olivia Büschken, Adèle Exarchopoulos, Jessica Walther-Gabory, June Squibb, Margot Rothweiler, Walter Hauser, Manuel Straube, Diane Lane, Marie Bierstedt, Kyle MacLachlan, Leon Windscheid, Lilimar Hernandez, Tahnee, Ron Funches, Bastian Pastewka, Younes Zarou, Pete Docter, Lutz Schnell, Karlo Hackenberger u.a.

(aufgeführt sind die Original- und die deutschen Synchronstimmen)

Genre Animation
Filmlänge 96 Minuten
Deutschlandstart
12. Juni 2024
Website pixar.com
Inhalt

Riley ist mittlerweile im Teenageralter, die Pubertät setzt ein, daher wird die Kommandozentrale ihrer Emotionen Freude, Kummer, Wut, Ekel und Angst erneuert. Die anfallenden Umbauten sorgen für chaotische Zustände. Rileys von Freude sorgsam behütetes Ich gerät in Gefahr, als die neuen Emotionen Zweifel, Neid, Langeweile und Peinlich hinzukommen.

Riley erlebt die große Enttäuschung, dass ihre beiden besten Freundinnen eine andere Highschool besuchen wollen als sie selbst. Sie sucht daher auf Drängen von Zweifel Abstand zu ihnen und versucht, bei einem gemeinsamen Eishockeytrainingswochenende Anschluss an ältere Eishockeyspielerinnen um die von ihr bewunderte Val zu finden.

Freude, Kummer, Wut, Ekel und Angst finden es allerdings gar nicht gut, dass die Neuen ihre Riley charakterlich so derart verändern wollen …

Was zu sagen wäre

Große Kinoerfolge fortzusetzen ist ebenso unvermeidlich wie gefährlich. Klar: Was einmal ordentlich Geld in die Kassen der Filmstudios gespült hat – und dabei auch noch das hochnäsige Feuilleton zufriedengestellt hat – spült auch ein zweites Mal Geld in die Kassen. Allerdings kann man dabei die zahlenden Zuschauer nachhaltig verärgern und im schlimmsten Fall sogar den Eindruck des einst hoch gelobten Originals verwässern.

"Inside Out" war vor neun Jahren der Geniestreich einiger Könner aus den PIXAR-Studios. Er erzählte davon, was emotional im Kopf eines heranwachsenden, seinen Platz in der Welt suchenden Mädchens vorgeht; tatsächlich suchte es damals seinen Platz in San Francisco, wo die Familie aus Minnesota hergezogen war. Diese Geschichte hat PIXAR nun also fortgesetzt. Das Mädchen damals, Riley, war 11 Jahre alt, nun ist es 13. Es kommt in die Pubertät, sucht also wieder seinen Platz in der Welt, und dafür machen sich in Rileys Kopf vier neue Gefühle breit, die die alten Gefühle, die Rileys Lebensweg so sauber im Griff hatten, von den Schalthebeln vertreiben.

Riley gerät in der Welt da draußen gehörig ins Straucheln, als sie sich zwischen der Loyalität zu ihren alten Freundinnen, ihren eigenen Träumen von der Zukunft und der Erkenntnis, dass sie „nicht gut genug“ ist, verheddert. „Vielleicht geschieht eben genau das, wenn man erwachsen wird: Man empfindet weniger Freude“, erschrickt Freude auf dem Tiefpunkt, als wieder, wie in Teil 1, als Riley von Zuhause weg lief, die Farben beinahe ganz aus diesem Film verschwinden und es so aussieht, als hätten sie und ihre Freunde den Kampf gegen die neuen Gefühle oben in der Schaltzentrale verloren – und Riley in ein fürchterlich trauriges Leben entlassen. Dieses Leben besteht dann aber erst einmal aus einem Wochenend-Trainingscamp für junge Eishockeyspieler. Plakatmotiv: Alles steht Kopf 2 (2024) Auf Rileys Ebene hangelt sich der Film schamlos an den geschätzt 389 Highschool-Dramen der vergangenen 40 Jahre entlang, erzählt nichts Überraschendes, verzichtet sogar auf den in einem Pubertätsabenteuer bislang unvermeidlichen Erste-Liebe-Plot und erzeugt stattdessen mit ein paar falschen Fährten nur kurzfristige Spannung.

Der aufregende Film spielt sich ausschließlich im Kopf ab. Der Kampf der Gefühle ist schrill und endet mit einer ähnlichen Erkenntnis, wie schon der Kampf im ersten Film und wie in allen PIXAR-Filmen: Nur zusammen ist man stark! Und alle Gefühle sind wichtig, auch die negativen.

Von den vielen Fortsetzungen, die sich die PIXAR-Studios nicht haben verkneifen können, ist diese hier eine der gelungenen. Sie ist zwangsläufig mehr Achterbahn, weniger Herz, als das Original; es fallen ja all die schönen Erklärungen darüber weg, wie der Gefühlshaushalt eines Menschen funktioniert. Die Sache mit den Kernerinnerungen und den Persönlichkeitsinseln kennen die Zuschauer im Prinzip schon – jede Erfahrung zahlt positiv oder negativ auf eine der Persönlichkeitsinseln ein. Das wurde 2015 mit viel Liebe zum Detail und Fantasie ausgeschmückt. Der ganze Film galt im Prinzip der Erklärung, wie das Innenleben des Menschen funktioniert, eingepackt in ein großes, melancholisches Abenteuer.

Im neuen Film gibt es die Persönlichkeitsinseln natürlich noch, werden aber aus irgendwie dramaturgischen Gründen jetzt durch Erlebnisfäden ergänzt, die aus Erlebniserinnerungen den Charakter formen; das ist in ein paar Minuten erklärt. Jetzt geht es hauptsächlich darum, dass neue und alte Emotionen lernen müssen, einander zu vertrauen, dass die alten Emotionen verstehen, dass ihre kindliche Riley kein Kind bleiben kann, und die neuen Emotionen Maß und Mitte für Riley nur mit den alten Emotionen hinbekommen. Entsprechend mehr Streit, größere Missverständnisse, schnellere Action steckt in den Film. Das treibt Handlung und Tempo, macht aber die schönen und in die Handlung einbezogenen Schauplätze aus dem Vorgänger zur vorbei rauschenden Kulisse. Auf schöne Ideen wie den Abstraktionstunnel in Teil 1 oder einen mitten ins Herz treffenden Charakter wir Bing Bong ist diesmal niemand im Autorenteam gekommen.

Während die uns vertrauten Emotionen auf der Suche nach Rettung ihrer Kindheit-Riley herumirren, hat an den Schalthebeln der Macht Zweifel das Kommando übernommen, ein schwieriger Zeitgenosse, der seinen Zweifel bezweifelt und zweifelt, ob Zweifel hier angebracht sei. Zweifel hat immer hohen Puls und mag nicht angezweifelt werden. Ganz das Gegenteil fläzt auf der Couch im Kontrollraum, die gelangweilte Ennui, die mit französischem Akzent spricht – Ennui ist französisch und der Snob-Begriff für Langeweile. Dazu gesellen sich die großäugige, nicht sehr durchsetzungsfähige Neid und der bullige Peinlich, der sich in seinem zu kleinen Hoodie vergräbt, unter pubertierenden Teenagern aber eine zentrale Gefühlswallung darstellt.

Kelsey Mann, Meg LeFauve und Dave Holstein haben der lodernden Gefühlswelt nachvollziehbare neue Mitglieder hinzugefügt, die für Schmunzler, Lacher und das ein oder andere Oh-wie-Schön im Kino sorgen; die Designer haben hinreißend animiert, sodass "Inside Out 2" der erhoffte Hingucker ist – der verliert, wenn man als Vergleich das Original hinzuzieht. Aber das ist Schicksal beinahe jedes Fortsetzungsfilms.

Wertung: 6 von 8 €uro
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