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Kinoplakat: Arlo & Spot

Ein Dino findet seine Bestimmung,
der Film trifft mitten ins Herz

Titel Arlo & Spot
(The Good Dinosaur)
Drehbuch Meg LeFauve + Bob Peterson + Peter Sohn + Erik Benson + Kelsey Mann
Regie Peter Sohn, USA 2015
Darsteller
Raymond Ochoa, Cosmo Clarén, Jack Bright, Sam Elliott, Reiner Schöne, Anna Paquin, Maria Koschny, A. J. Buckley, Tim Sander, Steve Zahn, Tobias Lelle, Mandy Freund, Nina Herting, Steven Clay Hunter, Christoph Drobig, Jeffrey Wright, Torsten Michaelis, Frances McDormand, Christin Marquitan, Marcus Scribner, Sebastian Kluckert, Maleah Padilla, Melina Witez, Peter Sohn, Tom Wlaschiha, Dave Boat, Axel Lutter, Carrie Paff, Britta Steffenhagen, Calum Grant, Stefan Krause, John Ratzenberger, Marlin Wick u.a.
 
aufgeführt sind Synchronsprecher der US- sowie der deutschen Fassung
Genre Animation
Filmlänge 93 Minuten
Deutschlandstart
26. November 2015
Inhalt

Der Meteorit, der die Saurier vor 65 Millionen Jahren ausgelöscht hat, verfehlt die Erde.
Die Dinos werden folglich nicht vom Antlitz der Erde gewischt.

Arlo hat es nicht leicht. Der Apatosaurus ist der Kleinste in der Familie – er ist auch der Jüngste, aber … so richtig groß, so wie seine Geschwister, wird er eben auch nicht. Die foppen ihn ein wenig, weil er dauernd vor allem Angst hat. Arlos Familie bewirtschaftet eine Maisfarm und ihr größtes Problem sind die kleinen Nager, die ihre Silos leer fressen. Arlo soll den Silo der Familie bewachen, kann aber nicht verhindern, dass eines dieser Maisräuber wieder zuschlägt. Zwar bekommt er den Dieb, ein wildes Menschenjunges, zu fassen, kriegt es aber dann nicht übers Herz, es zu töten. Das wiederum erbost Arlos Vater, der kurzerand beschließt, Arlo eine Lektion in Überleben zu geben. Dabei kommt er selbst, Poppa, während eines plötzlich aufkommenden Gewitters in einem reißenden Gebirgsbach ums Leben.

Zu Tode betrübt und sich für alles Übel in der Welt verantwortlich fühlend, beschließt Arlo, das Menschenjunge zu beseitigen. Aber kaum draußen in der Wildnis, abseits der heimischen Farm, stellt sich heraus: Arlo ist den Fährnissen da draußen weit weniger gewachsen, als der kleine Junge, der ihm ein ums andere mal aus der Bredouille hilft. Saurier und Mensch – es stellt sich heraus, dass der Junge auf den Namen Spot reagiert – freunden sich an und das ist gut.

Denn da draußen lauern allerlei gierige Flugsaurier und spinnerte Triceratops. Und Arlo hat die Orientierung verloren; der Fluss, der ihn immer geleitet hat, ist weg.

Wie soll er nach Hause finden…?

Was zu sagen wäre

Ein Junge muss seinen Platz in der Welt, muss seinen Weg finden. In die alte Ordnung passt er so ohne Weiteres nicht hinein. Was also ist seine Bestimmung? Dieses Thema ist das Lieblingsthema der Erzähler im US-Kino. Die verfilmten Drehbücher für Coming-of-Age-Filme füllen Kilometer lang die Regale. Kein Wunder: Es ist die klassische Heldensage. Der Junge muss sich beweisen, muss Gefahren bestehen, Vertrauen zu Fremden lernen, Freundschaften schließen und er muss schließlich das Leben anderer über sein eigenes stellen. Spätestens an dieser Stelle greifen dann auch die Jungs im Kino verstohlen zum Taschentuch. Der Mechanismus funktioniert einfach – deshalb lieben die Autoren diesen Stoff ja so.

„Arlo & Spot“ wäre kein Pixarfilm, wenn nicht einiges trotzdem anders wäre. Dinosaurier bestellen ihr Land, der Tyrannosaurus Rex ist der neue John Wayne, der Rinderherden durch die Prairie treibt, der Mensch ist … naja, ein grunzender Neandertaler, der gerade den aufrechten Gang erlernt, sich ansonsten benimmt, wie ein hechelnder Dackel, der von Herrchen Zuneigung erhofft. Einer von diesen klaut den Dinosauriern ihren Mais-Vorrat. In dieser Welt sind die Menschen sowas wie Schädlinge; die Dinos sind ja die netten mit den familiären Problemen und der Überlebensangst, deshalb finden wir es normal, dass Arlo den Schädling tot schlagen soll – der aber das ist, was auch im Kinosaal sitzt … eben ein Mensch. Mit wenigen Federstrichen zwingen uns die Pixar-Künstler einen Perspektiv-Wechsel auf. Und schon geraten wir ins Grübeln.

Ein buntes Abenteuer, das die Zuschauer ernst nimmt

Pixars „The Good Dinosaur“ ist ein bunter Abenteuerfilm, bei dem Gefahren überschaubar bleiben. Die hinterfotzigen Flugsaurier sind ungefähr so bedohlich, und mit Sicherheit so albern, wie die Geier aus dem Dschungelbuch von 1968. Ein bisschen spinnert, ein bisschen gefährlich, aber wenn sie einem so richtig auf den Geist gehen, haut man eben auch zu und gut ist. Als sich Arlo plötzlich drei zähnefletschenden Tyrannosauriern gegenüber sieht, stellt sich heraus, dass sie zwar Fleischfresser, aber in erster Linie freundliche Cowboys sind, die keine Zeit haben, kleine Apatosaurier zu ärgern, weil sie vor allem eine Longhorn-Herde zu treiben haben – da sind sie enge Wesensverwandte der Haigesellschaft um Bruce aus dem Pixar-Klassiker Findet Nemo. Und so schüttelt sich auch hier schnell alles zum Guten. Der Film wendet sich an das jüngere Publikum, vergisst aber nicht, dass (zwangsläufig) Eltern dabei sitzen, die sich auch nicht langweilen sollen.

Hier steckt das große Plus der Pixarfilme. Deren Produzenten nehmen ihr Publikum ernst. Legion ist die Zahl jener Kinderfilme, die plump bunte Bilder mit ein bisschen Abenteuer füllen und den Rest dem geschäftlichen Kalkül überlassen. Regisseur Peter Sohn und sein Team machen das nicht. Es kommt schließlich zu der Situation, dass der junge Apatosaurus und der junge Mensch sich einander erklären müssen. Nun haben sie sich gegenseitig mehrfach gerettet, sprechen aber die Sprache des anderen nicht, also inszeniert Peter Sohn eine lange wortlose Sequenz, in der die beiden sich mit Stöckchen und Zeichnungen einander erklären und annähern. Das ist großartig in seiner ausufernden, keine Grenzen akzeptierenden Phantasie.

Ein zauberhafter Perspektiv-Wechsel auf der Metaebene

Für die Erwachsenen im Publikum hat sich Pixar sogar eine sehr philosophische Metabene erlaubt, die im Film selbst keine Rolle spielt, sich aber über den Filmtitel transportiert. Im Original heißt der Film „The Good Dinosaur“. Dieser gute Dinosaurier bringt am Ende das Menschenjunge zu einer Menschenfamilie, die den Jungen herzlich aufnimmt und Spot ist hingerissen, als ihm die Stiefmutter-in-Spe über die Wangen streicht (endlich eine menschliche Hand); das erinnert an Mowgli, der dem Mädchen mit den großen Augen in die Menschensiedlung folgt. In diesem Moment, der für Kinder einfach ein herzerwärmender Hach-Moment ist, ändert der Film für Erwachsene seine Erzählperspektive. Denn jetzt wird klar – wie gesagt, der Film heißt Der Gute Dinosaurier, es ist quasi der zweite Perspektiv-, der Rück-Wechsel im Film – dass Spot die Geschichte erzählt, dass Arlo in die Legenden der sich demnächst zur Krone der Schöpfung aufschwingenden Menschheit eingeht als jener Heros, der Spot zurückbrachte – ein Findelkind wie Moses, wie Jesus.

Und wenn die Kinder nach dem Kino ins Bett gebracht sind, können Eltern und Babysitter herrlich darüber philosophieren, was aus dem Menschen geworden wäre, wenn die Dinosaurier nicht ausgestorben wären – oder umgekehrt, was aus den Dinosauriern wurde, nachdem die Menschen ihr Gehirn zu nutzen lernten (mit all den Folgen, die wir alle kennen). Mit „Arlo & Spot“ ist Pixar ein erstaunlich vielschichtiger Kinderfilm gelungen.

Wertung: 7 von 8 €uro
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