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Plakatmotiv: Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn (2011)

Wenig Original, viel Indiana Jones
Spielberg 's back to Anything goes

Titel Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn
(The Adventures of Tintin)
Drehbuch Steven Moffat + Edgar Wright + Joe Cornish
nach den Comics von Hergé
Regie Steven Spielberg, USA 2011
Darsteller

Jamie Bell, Daniel Craig, Simon Pegg, Andy Serkis, Cary Elwes, Toby Jones, Nick Frost, Tony Curra, Sebastian Roché, Mackenzie Croo, Daniel May, Kim Stenge, Gad Elmaleh, Mark Ivanir, Phillip Rhys, Enn Reitel, Jacquie Barnbrook, Sonje Fortag, Ron Bottitta, Sana Etoile, Ian Bonar, Joe Starr u.a.

Genre Abenteuer
Filmlänge 107 Minuten
Deutschlandstart
27. Oktober 2011
Inhalt

Flohmarkt in Brüssel. Die Sonne scheint, die Taschendiebe haben Hochkonjunktur, Reporter Tim hat sich gemeinsam mit seinem Foxterrier Struppi in das Modell eines alten Dreimasters verguckt. Kaum gekauft, spricht ihn ein dicklicher US-Amerikaner an, der ihn vor den Gefahren warnt, die er sich mit dem Kauf aufgebürdet hat. Tim lässt sich aber auch nicht von dem spitzbärtigen Iwan Iwanowitsch Sakharin beirren, dem Besitzer von Schloss Mühlenhof, der ihm den Dreimaster ebenfalls gerne für den doppelten Preis abkaufen möchte.

Tims Reporterspürnase juckt erst, als das Modell aus seiner Wohnung gestohlen wird. Erbost begibt er sich nach Schloss Mühlendorf, vermutend, dass Sakharin der Dieb ist. Tatsächlich hat er ein Modell der Einhorn. Aber nicht das von Tim gekaufte. Wie sich herausstellt, gibt es drei Schiffsmodelle der Einhorn. Wer alle drei Modelle hat, hält die Karte zu einem sagenhaften Schatz, den Schatz Rackham des Roten in den Händen. Kaum hat Tim diese Nachricht verarbeitet, findet er seine Wohnung verwüstet vor, stellt beim Aufräumen allerdings fest, dass zwar sein Dreimaster-Modell verschwunden ist, offenbar aber nicht das, was die Diebe eigentlich gesucht hatten. Unter einer Kommode findet Tim einen kleinen Zylinder, in dem sich ein Pergament befindet - offenbar ein Teil der Schatzkarte.

Plakatmotiv (US): The Adventures of Tintin (2011)Der Reporter hat keine Zeit, 1 und 1 zusammenzurechnen, da wird er schon chloroformiert und auf ein Schiff verfrachtet. Hier begegnet er nicht nur Kapitän Haddock, der von einer meuternden Crew unter Kommando von Sakharin unter Alkohol gehalten wird, sondern in Haddock auch den letzten Erben derer von Haddoque, die einst die sieben Weltmeere befuhren, unter anderem in einem Dreimaster namens „Einhorn”. Tim, Struppi und Haddock können nach einer wilden Verfolgung das Schiff verlassen und gelangen nach einigen Abenteuern auf hoher See in die marokkanische Hafenstadt Bagghar.

Hier findet die Jagd nach dem dritten und entscheidenden Modell der „Einhorn” ihren Höhepunkt - verwickelt sind ein Scheich, eine Opernsängerin, die Detektive Schulze und Schultze, Tim, Struppi, Haddock und die Gangster …

Was zu sagen wäre

Endlich kann sich Steven Spielberg, der Abenteuerfilm-Regisseur austoben, ohne auf die Gesetze der Physik Rücksicht nehmen zu müssen. Endlich gibt es Performance-Capture. Ähnlich wie in Avatar wird die Bewegung realer Menschen gefilmt, im Rechner den jeweiligen Erfordernissen des Regisseurs angepasst und der Rest des Bildes – Landschaft, Autos etc. – drumrum gezeichnet oder gepixelt. Jetzt könnte also, nur so als Beispiel, Indiana Jones die Halteseile der Hängebrücke nicht nur durchschlagen. Jetzt könnte er auch abstürzen, einen irren Überlebenskampf mit den Krokodilen ausfechten, gegen Stromschnellen ankämpfen, drei Wasserfälle hinunterfallen und schließlich in einem Brokat-Sessel bei einem trockenen Martini landen, und das alles sähe verdammt echt aus.

Schon beim Formulierten dieser Szene aber wird klar: Funktioniert nicht! Ist nicht spannend! Der vorliegende "Tim und Struppi"-Film ist nicht halb so spektakulär wie James Camerons Avatar. Er ist nur schneller. Aber Kino braucht eben auch eine gute Story. Alfred Hitchcock hat 1948 einen Film gemacht, den er ohne sichtbaren Bildschnitt inszenieren wollte. Der hieß Cocktail für eine Leiche und erzählte von Studenten, die den perfekten Mord planen, aber letztlich an ihrem Professor scheitern, egal. Hitchcock hatte etwas gemacht, was noch keiner versucht hatte, um dann festzustellen, dass es nicht funktioniert. Die Technik ohne Bildschnitt machte aus seinem Film ein Theaterstück. Aber Hitchcock sah sich nicht als Regisseur am Theater.

Plakatmotiv (US): The Adventures of Tintin (2011)Steven Spielberg sieht sich nicht als Comiczeichner oder -autor. Er ist ein Filmemacher. Mit "The Adventures of Tintin" will er offenbar seine Indiana Jones-Möglichkeiten auf ein neues Level heben. Er macht das beste draus. Sein Film ist eine rasante Verfolgungsjagd über Meere und Kontinente geworden. Was ihn als Regisseur umtreibt, kann man beispielhaft in der Hafenstadt Bagghar erleben, in der Spielberg eine irre Jagd durch und über die Gassen der Stadt inszeniert. Da kann man nur den Atem anhalten und begeistert zuschauen, wie er es immer schafft, in solchen Situationen den entscheidenden Twist noch obendrauf zu setzen. Ist die naive Schlichtheit solcher Actionszenen jetzt schon die filmische Umsetzung der in Feuilletons gefeierten ligne claire der Comicvorlage? Ja, schon. Aber sie macht an selber Stelle auch die Grenze zwischen Comic und Kino klar.

Insofern ist Spielbergs in Interviews mehrfach zitierte Behauptung „Würde Hergé heute leben, würde er Filme machen. Seine Bilder sind wie Einzelframes eines Films.“ ebenso falsch wie richtig. Das gezeichnete Comicabenteuer startet ein Kino im Kopf des Lesers. Dem kann die Leinwand natürlich gerecht werden. Aber dann stellt der Leser, der zum Zuschauer mutiert fest – huch – , dass das, was wir auf der Leinwand erleben wollen, doch fetter sein muss, als das, was wir im gezeichneten Comic-Abenteuer erleben wollen. Der Film hat unterm Strich rund 135 Millionen US-Dollar gekostet. Weltweit eingespielt hat er dann 374 Millionen US-Dollar. Schreibt man noch die hohen Werbekosten ab, bleibt übrig: War okay. Braucht aber nicht zwingend eine Fortsetzung.

Unabhängig davon und ganz auf diesen Film bezogen: Spielbergs Designer haben sich streng an die Nasen der Comic-Vorlagen gehalten. Da kommt tatsächlich etwas Heim-kommen-Feeling auf: Die spitze Nase der Vermieterin oder der lange Nasenrücken von Handlanger Allan … sehr schön.

Die 3D-Version ist auch hier wieder überflüssig. Sie bringt keinen Mehrwert, außer, dass die Kinokarte etwa drei Euro teurer ist.

Wertung: 3 von 7 €uro
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