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Plakatmotiv: Der Tiger (1951)
Ein harter Kriminalfilm, der seine
Geheimnisse nach und nach preisgibt
Titel Der Tiger
(The Enforcer)
Drehbuch Martin Rackin
Regie Bretaigne Windust & Raoul Walsh (uncredited), USA 1951
Darsteller Humphrey Bogart, Zero Mostel, Ted de Corsia, Everett Sloane, Roy Roberts, Michael Tolan, King Donovan, Bob Steele, Adelaide Klein, Don Beddoe, Tito Vuolo, John Kellogg, Jack Lambert u.a.
Genre Crime, Film Noir, Thriller
Filmlänge 87 Minuten
Deutschlandstart
9. November 1951
Inhalt

Joe Rico soll am nächsten Morgen gegen den mutmaßlichen Gangsterboss Albert Mendoza aussagen. Ein Versuch, ihn von einem Scharfschützen ermorden zu lassen, schlägt knapp fehl. Staatsanwalt Martin Ferguson lässt ihn in eine Zelle mit Polizeiwache sperren. Dennoch kann er nicht verhindern, dass Rico entkommt und in den Tod stürzt. Ferguson hat jetzt nur noch die angebrochene Nacht bis zur Verhandlung, um aus dem gesammelten Beweismaterial etwas Belastendes gegen Mendoza zu finden. Ansonsten muss dieser auf freien Fuß gesetzt werden.

Alles begann damit, dass James „Duke“ Malloy der Polizei gesteht, dass er seine Freundin im Rahmen eines Auftragmordes getötet hat. Er bringt die Polizei zu einem leeren Grab. Er wird verhaftet und erhängt sich in der Gefängniszelle. Ferguson stößt bei seinen Ermittlungen auf „Big Babe“ Lazick. Dieser gesteht, dass er zu einer Gruppe von Auftragskillern gehört, die ihre Aufträge von Rico übermittelt bekommen. Sie beziehen dabei ein regelmäßiges Gehalt und die Organisation kümmert sich auch bei Gefängnisaufenthalten um sie und ihre Familien. Der eigentliche Boss ist ihnen unbekannt. Dadurch, dass keine Beziehung zwischen ihnen und den Opfern besteht, verdächtigt sie niemand. Die Auftraggeber verschaffen sich für die Tatzeit Alibis.

Plakatmotiv: Der Tiger (1951)Lazick führt die Polizei zur Leiche von Nina Lombardo, der Freundin Malloys. Der Mord ist eigentlich ein Auftrag von „Duke“ Malloy. Dieser verliebt sich jedoch in sie und kann die Tat nicht ausüben. Die Komplizen Malloys zwingen ihn schließlich zu der Tat. Ninas Mitbewohnerin Teresa Davis sagt der Polizei, dass Lombardos richtiger Name Angela Vetto war. Vetto versteckte sich, seit ihr Vater ermordet worden war. Ihr Vater und sie waren vor zehn Jahren Zeugen des Mordes an John Webb.

Die Polizei entdeckt ein Massengrab und kommt der Mörderbande auf die Spur. Nur gegen Mendoza bleiben die Beweise dünn. Ferguson zerinnen die Stunden bis zu Anhörung vor dem Richter zwischen den Aktendeckeln …

Was zu sagen wäre

Ein Dialogsatz umreißt das ganze Dilemma, aus dem der Film seinen Nektar saugt: „Etwas muss mit unseren Gesetzen nicht stimmen. Ha, ich weiß genau: Unsere Gesetze sind gemacht, um die Unschuldigen zu schützen. Es genügt nicht, dass wir wissen Jemand ist ein Mörder, wir müssen auch den Beweis führen.“ Recht contra Gerechtigkeit im kleinen Proseminar im Kinosessel: Ein Mann sitzt in Untersuchungshaft, von dem klar ist, dass er gemordet hat, beziehungsweise hat morden lassen. Weil aber der gerichtsverwertbare Beweis fehlt – eine Augenzeugenaussage oder ähnliches – muss der Inhaftierte, nur so halb Überführte auf freien Fuß gesetzt werden. So will es das Gesetz.

Und hier kommt Humphrey Bogart ins Spiel (s.u.). Er soll dem Zuschauer – bleiben wir beim Bild mit dem Proseminar – die Kompexität der Rechtslage verdeutlichen. Obwohl wir Bogart als integren Mann akzeptieren, der keinen Unschuldigen über die Klinge springen ließe, muss auch dieser moderne Held sich an die Gesetze halten und Beweise vorlegen. Hier beginnt das, was Autoren als „Dramaturgie“ kennen, die Kunst, etwas so trockenes wie einen juristischen Sachverhalt spannend zu erzählen.

Bogarts erster Auftritt: Er sitzt in seinem dunklen Büro. Die Schreibtischlampe erhellt etwa ein Drittel seines Gesichts, in dem eine Zigarette qualmt. Tatsächlich sieht der Film (ohne das bereits Erwähnte schon zu kennen) zunächst aus, wie ein weiterer Bogart-trägt-Hut-und-Kurzläufige-Rolle; und das ist der Auftakt der Dramaturgie, wie ihn Regisseur Bretaigne Windust sich vorgestellt haben muss. Der erkrankte allerdings, nur wenige Tage nach Drehbeginn, schwer und musste aus dem Projekt aussteigen. Für ihn übernahm Raoul Walsh („Sprung in den Tod“ – 1949; „Späte Rache“ – 1947; „Blutiger Schnee“ – 1943; Entscheidung in der Sierra – 1941; Nachts unterwegs – 1940; Die wilden Zwanziger – 1939). Um seinem Kollegen den in seinen Augen verdienten Ruhm nicht zu nehmen, wollte er aber in Vor- und Abspann des Films nicht genannt werden. Bretaignes/Walshs Dramaturgie sieht zunächst vor, dass der Zuschauer sich in besagte Bogart-tägt-Hut-und-Kurzläufige-Rolle sacken lässt und das Mulieu der Mobster als Schauplatz erkennt. Beides unterlaufen die Dramaturgen und schälen Haut um Haut ihr eigentliches Thema frei. Dafür nutzen sie das Werkzeug der Rückblende. Und zwar sehr ausführlich. Bisweilen müssen wir uns in der Rückblende innerhalb einer Rückblende im Rahmen einer Rückblende zurechtfinden – schön, dass Bretaigne/Walsh auf optische Mätzchen verzichten, um Rückblenden sichtbar zu machen. Aber das erschwert im vorliegenden Fall das jederzeit nötige Verständnis der Strafsache – was den Zuschasuer aufmerksam hält, der nebenbei erstaunt zur Kenntnis nimmt, dass Humphrey Bogart schon lange nicht mehr einen so harten, rücksichtslosen, düsteren Charakter gespielt hat, wie hier diesen Ferguson.

Der Film gilt als einer der gewalttätigsten seiner Epoche. Ein Spiegel menschlicher Verworfenheit – mit guter Kamera, knappen Dialogen und einer nüchtern erzählten, gleichzeitig aber packend inszenierten Polizeiarbeit, präzise wie am Fließband.

Wertung: 4 von 6 D-Mark
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