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Plakatmotiv: Wer Sturm sät (1999)

Zwei große Filmstars im Schlussspurt in
einem Drama zu einem ewig jungen Thema

Titel Wer Sturm sät
(Inherit the Wind)
Drehbuch Nedrick Young & Harold Jacob Smith
nach dem Theaterstück von Jerome Lawrence & Robert E. Lee
Regie Daniel Petrie, USA 1999
Darsteller

Jack Lemmon, George C. Scott, Lane Smith, Tom Everett Scott, Kathryn Morris, John Cullum, Brad Greenquist, David Wells, Peter Mackenzie, Dennis Cockrum, Steve Monroe, Jim Meskimen, Royce D. Applegate, Amzie Strickland, Ronnie Claire Edwards u.a.

Genre Drama
Filmlänge 113 Minuten
Inhalt

In der Kleinstadt Hillsboro in Tennessee wird im Jahr 1925 der junge Lehrer Bertram T. Cates festgenommen. Er hatte seinen Schüler die Evolutionstheorie von Charles Darwin gelehrt – ein Verstoß gegen geltendes Recht in Tennessee. Religiöse christliche Fanatiker, angeführt von Reverend Jeremiah Brown, versuchen den Prozess zu einer Abrechnung mit der Evolutionstheorie zu machen, da diese im Widerspruch zu der biblischen Schöpfungsgeschichte steht.

Der Fundamentalist und frühere US-Außenminister Matthew Harrison Brady vertritt die Anklage gegen Cates. Er sieht in dem Kampf einen heiligen Krieg, da Kinder, die glaubten, sie würden von anderen Lebensformen abstammen, sich wie Tiere benehmen werden würden. Als er vor einer wütenden Menge eine flammende Rede hält, wagt es die Tochter Browns, ihm zu widersprechen, die daraufhin ausgebuht wird. Der Reporter E. K. Hornbeck vom "Baltimore Herald" reist an und berichtet vom Prozess. Der Verteidiger Henry Drummond wird für Cates engagiert. Brady freut sich auf die Auseinandersetzung mit dem angesehenen Rechtsanwalt, denn St. Georg hätte ja auch einen Drachen erlegt und keine Libelle besiegt.

Zuhause angekommen, sagt Browns Tochter, dass sie Cates liebe, was zu einer dramatischen Auseinandersetzung mit ihrem fanatischen und intoleranten Vater führt. Kurz vor Prozessbeginn hat sich die Kleinstadt in einen Rummelplatz verwandelt. Der Prozess zieht nationale Aufmerksamkeit auf sich …

Was zu sagen wäre

Der deutsche Filmtitel ist nun völlig aus der Luft gegriffen. Als Stanley Kramer das Drama "Inherit the wind" 1960 fürs Kino drehte, nannte ihn der deutsche Verleih Wer den Wind sät. Das passte einigermaßen, weil es dann in der Bibel an dieser Stelle mit „… der wird Sturm ernten“, weitergeht. Und was das kleine Städtchen Hillsboro während des Prozesses erlebt, kann man als Sturm umschreiben. Wenn man allerdings einen Sturm sät, wie es nun der deutsche Titel dieser Neuverfilmung fürs Fernsehen und den DVD-Markt will, bekommt man vielleicht noch einen Orkan oder Taifun, aber keine zwei Seiten einer Münze mehr.

Im Original wird der Filmtitel klar: „He that troubleth his own house shall inherit the wind and the fool shall be servant to the wise of heart.“ („Wer sein eigenes Haus zerrüttet, wird Wind zum Erbe bekommen, und der Tor wird ein Knecht dessen, der weise ist.“) Kurz: Es geht um die Bibel, deren Auslegung und was diese Auslegung in einer 1925-Gesellschaft einer Kleinstadt bedeutet. Als der junge Lehrer die Darwinschen Thesen vor der Klasse erläutert, ist er dreißig Sekunden später festgenommen wegen Gesetzesbruchs. und die hohen Herren des Städtchens – Bürgermeister Pfarrer, Ladeninhaber, Staatsanwalt, der Bankier – finden alle, dass das auch richtig so ist. „Ich will meine Kinder nicht in Gottlosigkeit erziehen müssen!“, ruft einer. Dem Bankier ist es ein bisschen peinlich, von den Kollegen an Ost- und Westküste wegen des Falls bespöttelt zu werden; aber im Großen und Ganzen wollen die Herren ihre Geschäfte in Hillsboro ungestört weiterführen. Und dieses Geschäft ist das des Herrschens. Über Hillsboro, über die Frauen, die Kinder und über das, was gedacht werden soll. Wozu gibt es die Bibel schließlich? Und als sich zum Prozessauftakt jede Menge Pressevertreter anmelden, ist die Freude groß. Die Herren sehen eine volle Stadt, in der viel Geld umgesetzt wird. Eine Bestätigung ihrer scharfen Bibelauslegung.

Man sollte meinen, dass dieser TV-Film, eine Adaption eines Theaterstück, das sich wiederum vage anlehnt an das als "Affenprozess" bekannt gewordene Gerichtsverfahren, das gegen den Lehrer John Thomas Scopes 1925 in Dayton (Tennessee) geführt wurde, an der Schwelle zum 21. Jahrhunderts eigentlich irgendwie gestrig anfühlen muss. Aber die christlichen Eiferer sind auch heute überall, die Bigotten, die Wasser predigen und Wein trinken, die Herrscher, die vom Stolz einer Nation reden und sich nur selbst bereichern. Das Stück stellt die Frage, ob denn der Mensch wirklich die Krone der Schöpfung sein kann, wenn er sich selbst das Denken verbietet – wie etwa dem jungen Lehrer auf der Anklagebank, der der wissenschaftlichen Herleitung der Evolutionstheorie mehr zuneigt, als Bibelversen. „Der Elefant ist größer, das Pferd ist schneller“, sagt Verteidiger Drummond. Was den Mensch vom Tier unterscheide, sei seine ihm von Gott gegebene Fähigkeit zu denken.

Dafür könnte man natürlich auch Stanley Kramers Film von 1960 nochmal gucken. Moderner sieht dieser TV-Film auch nicht aus: Das Setting ist ein US-Städtchen im Jahr 1925, selbst die Protagonisten sind alte Männer, die die Generation der Millennials kaum kennen dürfte: Jack Lemmon und George C. Scott. Aber wegen den beiden lohnt sich das Anschauen. Dem Film merkt man jederzeit seine Nähe zur Theaterbühne an. Nicht etwa, weil der Gerichtssaal einziger Schauplatz wäre, das ist er nicht. Sondern wegen der Figurenaufstellung, bei der jede eine Funktion erfüllt: der geifernde Pfarrer, dessen zwischen Liebe zum Lehrer und Liebe zum Vater hin und her gerissene Tochter, der zynische Reporter E.K. Hornbeck, der als Anwalt des TV-Zuschauers die Zweifel äußert und die Fragen stellt, die gestellt werden müssen. George C. Scott als bibelfester Ankläger steht für die alte Zeit, die langsam zerfällt. Buchstäblich. Es schmerzt beim Zusehen, wie er sich und seinen alten Körper durchs Bild schleppt. Wenn er dann aber mit wachem Geist und Lust am Spiel seine rhetorischen Pfeile abschießt, ist er wieder der schneidige Kerl, den er in den 1960er Jahren so oft und gut gespielt hat (Malice – Eine Intrige – 1993; Der Exorzist III – 1990; Die Kadetten von Bunker Hill – 1981; "Patton – Rebell in Uniform" – 1970; Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben – 1964; Haie der Großstadt – 1961). Scott starb wenige Monate nach Ende der Dreharbeiten.

Jack Lemmon spielt,. was er gerne spielt: der vermeintlich Chancenlose, der sich mit Brillanz und Wortwitz gegen eine ganze Kamarilla von konservativen Bestandswahrern auflehnt und am Ende keinen strahlenden Sieg davonträgt – das wäre keine Jack-Lemmon-Rolle (Immer noch ein seltsames Paar – 1998; Tango gefällig? – 1997; Der dritte Frühling – Freunde, Feinde, Fisch & Frauen – 1995; Short Cuts – 1993; Glengarry Glen Ross – 1992; The Player – 1992; JFK: Tatort Dallas – 1991; Das China-Syndrom – 1979; Airport '77 – Verschollen im Bermuda Dreieck – 1977; Rettet den Tiger! – 1973; Avanti, Avanti! – 1972; Nie wieder New York – 1970; Ein seltsames Paar – 1968; Der Glückspilz – 1966; Wie bringt man seine Frau um? – 1965; Das Mädchen Irma La Douce – 1963; Das Appartement – 1960; Manche mögen's heiß – 1959; Spiel mit dem Feuer – 1957). Seine Figur des aufrechten Streiters fährt am Ende ein bittersüßes Ergebnis ein, das weder Sieg noch Niederlage genannt werden kann; aber zwischen diesen Polen spielt Lemmon all sein Können aus.

Kein großes Kino. Aber ist ja auch fürs Pantoffelkino gedreht. Große Schauspieler, ein griffiges Drehbuch mit schönen, bildstarken Dialogen und eine schöne Inszenierung. Reicht für einen anregenden DVD-Abend.

Wertung: 7 von 11 D-Mark
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