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Plakatmotiv: Das China-Syndrom (1979)

Ein verfilmter AKW-Nee-Button
mit engagierter Star-Besetzung

Titel Das China-Syndrom
(The China Syndrome)
Drehbuch Mike Gray + T.S. Cook + James Bridges
Regie James Bridges, USA 1979
Darsteller

Jane Fonda, Jack Lemmon, Michael Douglas, Scott Brady, James Hampton, Peter Donat, Wilford Brimley, Richard Herd, Daniel Valdez, Stan Bohrman, James Karen, Michael Alaimo, Donald Hotton, Khalilah 'Belinda' Ali, Paul Larson u.a.

Genre Drama, Thriller
Filmlänge 122 Minuten
Deutschlandstart
21. Februar 1980
Inhalt

Die TV-Reporterin Kimberly Wells und ihr Kameramann Richard Adams drehen eine Sendereihe zum Thema Energieversorgung für einen lokalen Nachrichtensender und statten dafür einem kalifornischen Kernkraftwerk einen Besuch ab.

Plötzlich kommt es zu einem Zwischenfall: Die ganze Anlage bebt wie bei einem Erdbeben. Angeblich reine Routine und kein Grund zur Sorge, doch in Wahrheit konnte nur knapp eine Katastrophe verhindert werden.

Obwohl er während des hektischen Treiben angehalten wurde, die Kamera auszuschalten, konnte Adams den ganzen Vorfall filmen. Der Programmdirektor des Senders will das brisante Material jedoch nicht ausstrahlen – aus Angst vor der Atomlobby. Wells und Adams lassen sich davon nicht einschüchtern und recherchieren auf eigene Faust weiter …

Was zu sagen wäre

Die Kraft des Atoms ist eines der großen große Themen unser Zeit neben Linksterrorismus und Emanzipation. wie sicher ist die Atomkraft? Was bringt sie? Kann man die Gefahren gegen die Vorteile vor fossilen Brennstoffen aufrechnen? Regisseur James Bridges tritt nicht an, eine ausgewogene Dokumentation zu erzählen. Die Haltung des Films, den Michael Douglas produziert hat, ist klar: Es geht noch gar nicht um das Arom selbst.

Es geht um die Anlagen in der Hand von Unternehmen, die Profite erwirtschaften müssen, potenzielle Gefahren also möglicherweise klein rechnen und Vorteile herausstellen könnten. Die Filmemacher sehen eindeutig die Gefahren durch profitorientierte Unternehmen. Hier sind es der Vorstandsvorsitzende der Atomanlage, dem die Aktionäre im Nacken sitzen sowie ein Bauunternehmen, „eines der größten Bauunternehmen der Welt“, das Schweißnähte an den Kraftwerkspumpen nicht korrekt verarbeitet hat und die jetzt drohen zu platzen, was dann zu einer Kernschmelze führen würde.

Als der Film in den USA in die Kinos kam, lag der Reaktorzwischenfall auf Three Mile Island, Harrisburg noch zwölf Tage in der Zukunft, die Filmemacher erzählen also eine gut recherchierte, aber frei erfundene Geschichte, Plakatmotiv (US): The China Syndrom (1979) die verblüffende Ähnlichkeiten mit dem Vorfall in Harrisburg aufweist. Dieser Vorfall unterstreicht die Brisanz des Themas und lässt so auch diesen Film in anderem Licht erscheinen. Auf den Film als solchen, der zum Zeitpunkt des Zwischenfalls fertig produziert und in den Kinos war, kann Harrisburg keinen Einfluss haben.

Der Film greift ein heiß diskutiertes Thema auf und strickt dann eine banale Krimigeschichte drumherum. Da stehen profitgeile Silberrücken, die keine fünf Minuten in die Zukunft gucken wollen, statt dessen einen katastrophalen Pfusch am Bau mit einem Handstreich beiseite wischen, wenn nur die Aktionäre zufrieden sind und die Boni stimmen, die keinen Gedanken daran verschwenden, dass die Aktionäre in einer verstrahlten Welt mit ihren schönen Gewinnen nichts mehr anfangen können. Diese Typen erinnern an Murray Hamiltons Bürgermeister in Spielbergs Der weiße Hai, der vor angefressenen Leichen steht und dennoch den Strand in der Hauptsaison nicht sperren lassen will.

Auf der anderen Seite stehen vollbärtige, junge Typen und engagierte Frauen, die unverdrossen vor den Gefahren und ungelösten Problemen der Atomenergie warnen – wohin etwa mit den verbrauchten Brennstäben, dem Atommüll, der noch über Jahrhunderte radioaktive Strahlung abgeben wird? – aber von den mächtigen Atomunternehmen, die auch die Medien kontrollieren (offenbar reicht ein einfaches Gespräch zwischen Pressesprecher und Senderchef, um jede Art von Berichterstattung über Probleme im Atomkraftwerk zu unterbinden), sowie einflussreichen Kreisen mundtot gemacht werden. Und hilft alles nicht, werden Killer losgeschickt, die Mord wie einen Unfall aussehen lassen.

Um der komplexen Sachlage in einem zweistündigen Unterhaltungsfilm, der die Technik und die Probleme eines Atomkraftwerks seinen Zuschauern erst einmal erläutern muss, gerecht zu werden, wirkt diese Schwarz-Weiß-Malerei der Charaktere als sinnvolle Lösung. Die geht aber zu Lasten der Glaubwürdigkeit. Ich lasse mich im Kino gerne manipulieren mit Herzschmerz, Spannung, Grusel, Action, Musik. Aber ich lasse nicht gerne mein Denken manipulieren. Das aber versuchen die engagierten, für ihre Sache eintretenden Filmemacher.

Als roter Faden, der dem Anti-Atomkraft-Anliegen seines Produzenten die notwendige Dramaturgie gibt, wird die Geschichte einer jungen Journalistin erzählt, deren Senderchef ihre offensichtliche Schönheit – „Sie haben wirklich sehr schöne rote Haare.“ – dafür nutzt, sie vor der Kamera bunte Geschichten über Tigerhochzeiten oder Singende Glückwunschtelegramme erzählen zu lassen. Aber sie will mehr, will die harten Nachrichten recherchieren, was bei den männlichen Kollegen müdes Gelächel auslöst – Stichwort: Großthema Emanzipation. Videocover (US): The China Syndrom (1979) Weil ihr die Karriere im Sender aber dann doch wichtiger ist als ihr Stolz, will sie, weil der Sender ihr die Atomstory verbietet, gerade schon klein beigeben, als der freiberufliche, also vordergründig unabhängige und also gegen Atomkraft engagierte Kameramann Richard Adams zur Seite springt. Produzent Michael Douglas spielt Richard Adams selbst und unterstreicht nach seinem Auftritt in Coma (1978) seine Ambitionen, seinen Inspector Steve Keller aus den "Straßen von San Francisco" zu entfernen und auf die Leinwand zu wechseln. Douglas, Nebendarsteller und Produzent in Personalunion, darf in seiner Rolle Bosse und Wichtige beschimpfen und ordentlich auf den Putz hauen. Schauspielerisch gibt seine Rolle nicht viel her.

Anders bei Jane Fonda ("Coming Home" – 1978; "Klute" – 1971; "Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss" – 1969; Barbarella – 1968; Barfuß im Park – 1967; "Cat Ballou – Hängen sollst Du in Wyoming" – 1965). Die engagierte Aktivistin und Schauspielerin Fonda füllt die rolle der zielstrebigen Journalistin Kimberly Wells mit jeder Faser aus und gibt dem Film die nötige Erdschwere zusammen mit einem Mann, der nur zwölf Jahre älter ist als Fonda – und tatsächlich im Film auch einen Anlauf startet, sie ins Bett zu kriegen – , aber irgendwie wirkt, als sei er schon immer im Kino dabei gewesen: Jack Lemmon (Airport '77 – Verschollen im Bermuda Dreieck – 1977; Rettet den Tiger! – 1973; Avanti, Avanti! – 1972; Nie wieder New York – 1970; Ein seltsames Paar – 1968; Der Glückspilz – 1966; Wie bringt man seine Frau um? – 1965; Das Mädchen Irma La Douce – 1963; Das Appartement – 1960; Manche mögen's heiß – 1959; Spiel mit dem Feuer – 1957).

Jack Lemmon ist die unverhoffte Trumpfkarte dieses verfilmten Atomkraft Nein Danke-Buttons. James Bridges weidet sich in Close Ups an der müden Weisheit dieses Mannes, der schon französische Prostituierte zähmte, das Valentine's-Day-Massacre überlebte oder eine Wohngemeinschaft mit Walter Matthau. Jack Lemmon ist in einem Moment der routinierte Alte, im nächsten die fleischgewordene, desillusionierte Leere und wieder im nächsten die hilflose Fassungslosigkeit über den Zynismus und/oder die Dummheit seiner Vorgesetzten.

"Das China-Syndrom" ist ein leidlich spannender Thriller mit reichlich Klischeepersonal, der in einer hitzigen Diskussion einen klaren Standpunkt vertritt und durch die Vorfälle in einem Atomkraftwerk in Harrisburg zusätzliche Brisanz bekommt.

Wertung: 5 von 9 D-Mark
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