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Plakatmotiv: Thunderbolts* (2025)

Die Rückkehr der
MARVEL-Helden

Titel Thunderbolts*
(Thunderbolts*)
Drehbuch Eric Pearson & Joanna Calo
mit Charakteren von Kurt Busiek & Mark Bagley & Stan Lee & Jack Kirby & Joe Simon & Paul Jenkins
Regie Jake Schreier, USA 2025
Darsteller

Florence Pugh, Sebastian Stan, Julia Louis-Dreyfus, Lewis Pullman, David Harbour, Wyatt Russell, Hannah John-Kamen, Olga Kurylenko, Geraldine Viswanathan, Wendell Pierce, Chris Bauer, Violet McGraw, Alexa Swinton, Eric Lange, Chiara Stella, Stefano Carannante, Gianfranco Terrin, Georgui Kasaev u.a.

Genre Comic-Verfilmung
Filmlänge 127 Minuten
Deutschlandstart
1. Mai 2025
Inhalt

Die Helden der "Avengers" sind Geschichte, aber gewisse Kreise der US-Regierung forschen weiter an der Erschaffung neuer Supermenschen, um die Welt vor Bedrohungen von außerhalb angemessen schützen zu können – oder: um sich selbst eine unbezwingbare Truppe zu sichern, um eigene Machtansprüche zu unterstreichen. Deshalb steht CIA-Direktorin und Contessa Valentina Allegra de Fontaine vor einem Untersuchungsausschuss, der sie des Amtes entheben und weg sperren will. De Fontaine wird verdächtigt, gemeinsam mit der O.X.E. Group im Rahmen des "Sentry-Projekts" Menschenversuche durchgeführt und dabei zahlreiche Menschen getötet zu haben. Deshalb ist De Fontaine im Hintergrund fieberhaft bemüht, weltweit ihre Spuren zu verwischen.

In Malaysia erfüllt die ehemalige Widow Yelena Belova desillusioniert einen weiteren Sabotageauftrag, zerstört im Auftrag der Contessa de Fontaine ein Geheimlabor und lässt zahlreiche Tote zurück. Solche Jobs, ihr Leben sind ihr mittlerweile zuwider. Yelena hat den Tod ihrer Ziehschwester Natasha Romanoff noch nicht verarbeiten können und sucht nach einem Sinn im Leben. Sie würde gerne aussteigen, wieder unter normale Menschen kommen, und bittet die Contessa für die Zukunft um entsprechende Aufträge.

Unter dem Vorwand, ihr danach eine andere Aufgabe zu geben, entsendet sie Yelena zu einer geheimen Lagerhalle in Utah, um die Diebin Ava Starr alias "Ghost" aufzuhalten. Vor Ort trifft sie im Tresor der Lagerhalle allerdings auch auf John Walker alias "U.S. Agent", der sie töten soll, Antonia Dreykov alias "Taskmaster", die Walker als Ziel hat, und Ghost, die sich um Taskmaster kümmern soll. Nachdem die Gruppe sich gegenseitig in Kämpfe verwickelt hat, gibt sich ein junger Mann namens Bob im Tresor zu erkennen. Bob hat allerdings mit Amnesie zu kämpfen und kann sich an wenig erinnern, lediglich an eine medizinische Studie, an der er freiwillig teilnahm.

Als die Gruppe feststellt, dass die Contessa sich ihrer entledigen will, entpuppt sich der Tresor als Verbrennungsanlage, der sämtliche Beweise inklusive den Versammelten einäschern soll. Gemeinsam entkommt die Gruppe der Falle, wobei Bob das Feuer Fußsoldaten der O.X.E. auf sich zieht, sodass die drei anderen fliehen können. Auf der Flucht wird das Trio von Yelenas Ziehvater Alexei Shostakov aufgegabelt, der von Valentinas Aktivitäten Wind bekam.

Yelena, Starr und Walker haben keine gemeinsamen Pläne, nur zu verschwinden und jeder für sich unterzutauchen. Shostakov hingegen, einst bekannt als der "Red Guardian", träumt von der Geburt eines neuen Superteams – natürlich unter seiner Leitung; besonders davon träumt keiner der anderen.

Bob hat das Feuer der Fußsoldaten überlebt. Er entpuppt sich als das eine gelungene unter zahllosen misslungen Experimenten der Contessa. Er ist unverwundbar, kann fliegen und verfügt insgesamt offenbar über die Kraft gleich mehrerer Sonnen. Mit ihm, den sie "Sentry" tauft, will die Contessa de Fontaine ihre geheimen Pläne umsetzen: ein neues Zeitalter der Sicherheit, in dem sie niemandem mehr Rechenschaft ablegen muss; sie beginnt damit, dass sie ihre ehemaligen Auftragskiller Yelena, Starr und Walker ausschalten lässt.

Das entpuppt sich als Fehler, denn es schweißt die vier Einzelgänger, zu denen sich unterdessen Bucky Barnes alias Winter Soldier gesellt hat, zu einem abgestimmten Team zusammen …

Was zu sagen wäre

Eine Heldentruppe, die nicht aus Helden besteht. Nein, das Konzept ist nicht neu. Nebenan im DC Cinematic Universe heißt das Suicide Squad und besteht aus lauter Knackis, die nichts mehr zu verlieren haben, aus der Ferne gesteuert von einer skrupellosen, gefühlskalten Geheimagentin. Wie so häufig bei der Umsetzung dieses Stoffes für die Leinwand macht es MARVEL auch hier wieder besser, weil die Autoren einen leichten Anflug von Humor nicht unterschätzen.

Das MARVEL Cinematic Universe steckt seit mehreren Filmen in einer Krise, wie sie sich der versierteste Superschurke nicht ausdenken könnte: Die Geschichten geraten belanglos, die Figuren schablonenhaft, die Filme zum Füße einschlafen langweilig. Längst ist der ehemalige Plan der MARVEL-Gewaltigen um Kevin Feige, eine möglichst große Anzahl von aufeinander Bezug nehmenden Filmen zu einem großen Kosmos zu stricken, vaporisiert, für mehrere Filme geplante und schon eingeführte Mega-Schurken verschwinden ohne Erklärung wieder in der Versenkung, in den Mid- und Post-Credit-Scenes ausgeworfene Handlungsfäden bleiben lose liegen und werden vergessen. Mit verantwortlich neben Hochmut und kreativen Differenzen zeichnen die Verwerfungen der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 bis 2022, die den Zeitplan der MARVEL-Studios für ihren Kosmos durcheinander gebracht haben. Zeit für einen Neustart.

Zeit für ein neues Team. Neu in jeder Hinsicht. In der Eingangssequenz prügelt und schießt sich Yelena durch ein Labor in Malaysia, und während sie sich mit spektakulären Moves durch Gänge und Glaswände kämpft, kommentiert sie das Geschehen so gelangweilt, wie sich die Zuschauer im Kino der zurückliegenden MARVEL-Filme gefühlt haben; das wirkt gleich wie eine wohlgesetzte, selbstironische Spitze des vor allem mit Musikvideos groß gewordenen MARVEL-Neulings Jake Schreier (Margos Spuren – 2015; Robot & Frank – Zwei diebische Komplizen – 2012) gegen den eigenen Arbeitgeber. Wird er es mit den neuen, nicht so heldenhaften Helden besser machen?

Sein Personal besteht aus lauter gebrochenen Typen. Yelena steckt in einer Identitätskrise, hat seit dem Tod ihrer Schwester Natasha keine Freunde, kein Zuhause und kein Ziel mehr im Leben. John Walker hat einen Mord aus versehen und die Scheidung von Frau und Kind nicht verarbeitet, überspielt seine Schuldgefühle mit Machoallüren und peinlichen Auftritten. Ghost leidet unter einen traumatischen Kindheit und Bobby, der zu "Sentry" wird, kommt aus prügelndem Elternhaus, hatte eine Jugend unter Meth-Abhängigkeit und ist offenbar manisch depressiv, auf ein paar gute Tage, sagt er, folgten viele dunkle Tage; in denen versenkt er dann buchstäblich eine halbe Stadt und deren Bewohner in schwärzeste Dunkelheit. zu ihnen gesellt sich Bucky Barnes, der Winter Soldier, dessen Lebensweg durchdrungen ist von Schmerz und Qual und der gerade versucht, in der Washingtoner Politik Fuß zu fassen und die Vorgenannten eigentlich nur vor den Untersuchungsausschuss zerren will als Zeugen gegen die Contessa de Fontaine. Sie alle eint, dass sie Mörder im Auftrag von Regierungen sind (oder waren), sonst nichts gelernt haben und glauben, dass sie alleine sind, weil sie keine Freunde oder Partner haben.

Der Reiz des Films besteht darin, dass ihre Zusammenarbeit zwingend ist – nicht aus moralischen Gründen erwünscht, weil die Welt gerettet werden müsste (muss sie gar nicht) oder eine die Gesellschaft schädigende Usurpatorin ausgeschaltet werden müsste, sondern weil sie sonst nicht überleben. Daraus mixen die Drehbuchautoren witzige Dialoge und Over-the-edge-Situationen, in denen die gegensätzlichen Typen herrlich aufeinander krachen. Das klingt wie das selbstverständliche Einmaleins der Charakterentwicklung in Drehbüchern und ist das auch und deshalb bezeichnend, weil das in den ersten MARVEL-Filmen selbstverständlich der Fall war und in den letzten eben nicht mehr umgesetzt wurde. Jake Schreier und seine Autoren kauen keine Fantasieprobleme durch, die in schlecht geschriebenen Dialogen erst angekündigt, dann beschrieben und dann nochmal erklärt werden um dann jeweils in einer großen CGI-Prügelei zu gipfeln mit abstürzenden Flugzeugträgern, explodierenden Hubschraubern und einstürzenden Hochhäusern; wen sie nicht ohnehin von vorne bis hinten in einer Fantasiewelt spielen, in den glibberige Monster Nebenfiguren verspeisen.

Hier treffen sich Typen, die sich zusammenraufen müssen und tun das zu Beginn mehr als eine halbe Stunde lang in ein und demselben, noch dazu fensterlosen Gebäude – also einem Raum ohne spektakuläre Aussichten. Der Film nimmt sich Zeit, konzentriert sich auf die Figurenentwicklung – die weiterhin die einer Comic-Verfilmung ist mit Bigger-than-Live-Typen – und hat eine Person klar im Zentrum.

Mittelpunkt des Films ist Yelena, die kleine Schwester der Natasha Romanowa, die wir in Black Widow (2021) kennengelernt haben. Florence Pugh hat sich in dieser Rolle mittlerweile aus dem Schatten Scarlett Johanssons freigespielt (Dune: Part Two – 2024; Oppenheimer – 2023; Black Widow – 2021; Little Women – 2019; "Midsommar" – 2019; The Commuter – 2018; Lady Macbeth – 2016). Yelena ist einsam, genervt, gereizt, mutig, geringschätzend, zynisch oder sehr verletzlich und Pugh macht sie zu einem starken Charakter im Marvel Cinematic Universe. David Harbour ("A working Man" – 2025; Black Widow – 2021; Suicide Squad – 2016; Snitch – Ein riskanter Deal – 2013; James Bond 007: Ein Quantum Trost – 2008; Brokeback Mountain – 2005; Krieg der Welten – 2005) in der Rolle von Yelenas Ziehvater Alexei, diesen verhinderten sowjetischen Helden Red Guardian, ist ein großes, übergewichtiges Großherz, der einem im Kinosessel gerade so peinlich ist, wie der eigene Vater, als man selbst Teenager war. Harbours Alexei ist laut, übertrieben, aber auch einsam und fürsorgend. Dieser MARVEL schafft sogar Szenen großer Intimität mitten im lauten Straßengewimmel, die nicht zuerst peinlich und dann halt so la la sind.

Der dritte personelle Gewinn für den Film ist Julia Louis-Dreyfus, die man vor allem als karriereorientierte US-Vizepräsidentin in der TV-Serie "Veep" kennt. Seit Black Widow taucht sie in Kurzauftritten als Contessa Valentina Allegra de Fontaine auf. Jetzt spielt sie eine Hauptrolle als die Schurkin des Stücks, die aber eben nicht einfach eine Comic-Schurkin mit hämischer Lache ist. Bei ihr wird Valentina zu einer sympathischen Frau mit Herz und Humor, mit der man gerne Small Talk auf einem Empfang hätte – natürlich hat Valentina kein Herz, aber das wüsste man auf besagtem empfang ja nicht. Anders als ihr kaltherziges, von Viola Davis gespieltes Pendant aus den Suicide Squad-Filmen ist Valentina mit gewinnendem Charme gesegnet. Wunderbar. Wyatt Russell, Sohn von Goldie Hawn und Kurt Russell, hat das Schauspiel-Gen seiner Eltern nicht geerbt. Sah es in der MARVEL-TV-Serie "Falcon and the Winter Soldier" noch so aus, als würde ihn in der Rolle des John Walker dieser Maskenhelm beeinträchtigen, wird auf der Leinwand deutlich, dass es doch sein limitiertes Talent ist, das den John Walker nicht über die Rampe bringt.

"Thunderbolts*" geht zwei Schritte zurück in der MARVEL-Historie, zu Filmen wie dem ersten Ant-Man (2015). Er erzählt ein überschaubares Drama und stellt seine Charaktere in den Mittelpunkt, Figuren, die wirken wie echte Menschen (in einer Comic-Verfilmung). Der Film markiert keineswegs die Neuerfindung des Kinos. Aber es ist ein Hoffnungsschimmer für die MARVEL-Studios, ihre beinharte Krise hinter sich lassen zu können.

Wertung: 5 von 8 €uro
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