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Plakatmotiv: Misfits – Nicht gesellschaftsfähig (1961)

Filmisches Porträt
dreier Verlierer

Titel Misfits – Nicht gesellschaftsfähig
(The Misfits)
Drehbuch Arthur Miller
Regie John Huston, USA 1961
Darsteller

Clark Gable, Marilyn Monroe, Montgomery Clift, Thelma Ritter, Eli Wallach, James Barton, Kevin McCarthy, Estelle Winwood, Peggy Barton, Rex Bell, Ryall Bowker, Frank Fanelli Sr., John Huston, Bobby LaSalle, Philip Mitchell, Walter Ramage, Ralph Roberts, Dennis Shaw u.a.

Genre Drama
Filmlänge 125 Minuten
Deutschlandstart
21. März 1961
Inhalt

Roslyn Taber lässt sich in Reno, Nevada von ihrem Mann scheiden. Auf der Suche nach dem Unbekannten, das ihrem Leben wieder einen Sinn geben könnte, gerät sie unverhofft zwischen die drei Cowboys Gay, Perce und Guido. Alle drei sind Aussenseiter mit einer bewegten Vergangenheit.

Ihre einzige Gemeinsamkeit ist, dass sie in Roslyn verliebt sind. Zu viert machen sie sich auf eine dramatische Mustangjagd, bei der die endgültige Entscheidung um Roslyn’s Gunst fallen wird …

Was zu sagen wäre

Die große John-Wayne-Herrlichkeit mit der Freiheit in der großen Prairie ist vorbei. Die Männer und Frauen, die das Land im 19. Jahrhundert besiedelt haben, wurden sesshaft, gründeten Familien, bauten Städte, bauten Geschäfte auf oder arbeiten in Geschäften, die andere aufgebaut haben. Andere zogen in zwei Weltkriege, in einen Krieg in Korea und kehrten in eine Gesellschaft zurück, die sich ohne sie weiterentwickelt hatte und die dinge, die diese Männer konnten, nicht mehr brauchte. Pferde etwa – die werden heute nicht mehr zugeritten und zur Fortbewegung über weite Strecken genutzt. Heute werden Pferde gefangen, um sie zu Hundefutter zu verarbeiten. „Irgendwie hat sich ringsum alles verändert. Ich tue immer noch dasselbe, was ich früher auch getan habe. Nur die anderen haben alles verändert“, stellt Gay verbittert fest.

John Hustons Film ist ein Porträt der Verlorenen, der Übriggebliebenen, die das Land selbst als ihr Zuhause beschreiben, in dem sie sich frei bewegen können. Aber heimlich träumen sie davon, es mit jemandem zu teilen. Das mit der Freiheit ist nämlich gar nicht so einfach. Gay und Guido sind zwei Jungs, die nicht erwachsen werden wollen, die Pferde mit dem Lasso fangen wollen, wie früher. Hauptsache, Gay und Guido entscheiden selbst über ihr Leben, ihren Alltag: „Besser, als für eine Lohntüte zu arbeiten!“ Perce, der dritte im Bunde, ist ein wenig anders. Eigentlich müsste ihm die Farm seiner Eltern gehören. Aber seine Mutter hat nach dem Tod des Vaters wieder geheiratet und der Stiefvater hat die Farm selbst übernommen. Perce sucht die körperliche Herausforderung in Rodeos und versäuft das wenige Geld, das er dabei bekommt; menschlichen Konflikten geht er aus dem Weg. Montgomery Clift (Plötzlich im letzten Sommer – 1959; Verdammt in alle Ewigkeit – 1953; Zum Schweigen verurteilt – 1953; Red River – 1948) spielt diesen Perce als einsamen Jungen, der sich an jeden Strohhalm klammert, der ihm menschliche Wärme verspricht.

Und schließlich ist da Roslyn. Sie ist die einzige, die das Leben mit Ehe und Haus kennengelernt hat. Aber sie hatte offenbar den falschen Mann, einen, der selten Zuhause war; wie auch die Männer ihrer Vermieterin und Freundin Isabelle, die schon dreimal geschieden ist. Roslyn ist so etwas, wie die Vertreterin der Moderne, die das Leben nimmt, wie es nun mal kommt und nicht, wie sie es gerne hätte – wie Gay, Guido und Perce das tun. Die Träume und Wünsche von Männern und Frauen kommen nicht zur Deckung in diesem Film. Jetzt ist Roslyn geschieden und lässt sich treiben durch Reno, diese kleine Schwester der Spielerstadt Las Vegas. Schnell entwickelt sich eine Bindung zu Gay, dem sie zwar sagt, dass sie „nicht solche Gefühle“ für ihn hege, der sie aber schnell Darling nennt, den Arm um sie legt, Komplimente haucht und sie als sein Mädchen betrachtet. Das würden auch die beiden anderen Männer gern, aber Gay ist der Platzhirsch im Trio, gespielt von Clark Gable, der 25 Jahre älter ist als seine Filmpartnerin, aber eben Clark Gable (Drei Rivalen – 1955; Mogambo – 1953; "Vom Winde verweht" – 1939; ). Alle drei Männer, die sich nicht binden wollen, die Pferde für Hundefutter jagen, „damit ich meine Freiheit behalte. Damit ich ein freier Mann bin“, bemühen sich, bei Roslyn zu landen. Das mit Frau und Familie haben  die Männer eigentlich hinter sich. Hat nicht funktioniert. Guidos Frau ist gestorben. Gay erzählt von seinen beiden Halbwüchsigen, die er immer auf Rodeos treffe. Aber als er sie dann mal trifft, verschwinden sie so schnell sie können, durch die Hintertür. Ist wohl kein so gutes Verhältnis. Plakatmotiv: Misfits – Nicht gesellschaftsfähig (1961) Auf Roslyn sind sie alle scharf. Gerne für immer. Sie ist ein hübsches Schmuckstück, das sie sich umlegen würden, wenn sie es möchten und sie ansonsten ihren Mund hält und keine Forderungen stellt – schon gar keine, wie den Salat im Garten fressende Kaninchen nicht zu erschießen. So wie früher halt, als das noch einfacher war mit den Weibern. Aber über die Sorte ist Roslyn eben schon hinaus; von der hat sie sich ja gerade erst scheiden lassen. Marilyn Monroe ist als Roslyn nicht das wohlbekannte Sexpüppchen, das zum naiven Augenaufschlag lustvoll kiekst (Machen wir's in Liebe – 1960; Manche mögen's heiß – 1959; "Der Prinz und die Tänzerin" – 1957; Bus Stop – 1956; Das verflixte 7. Jahr – 1955; Fluss ohne Wiederkehr – 1954; Wie angelt man sich einen Millionär – 1953; Blondinen bevorzugt – 1953; Niagara – 1953; Liebling, ich werde jünger – 1952; Alles über Eva – 1950; Asphalt-Dschungel – 1950).

Monroes Roslyn ist naiv, aber neugierig, aufgeschlossen genug, um ihren langweiligen Ehemann zu verlassen und neu anzufangen. Aber ohne Idee, wie das Neue denn aussehen soll. So bleibt ihre Bindung an Gay, mit dem sie schlussendlich in den staubigen Sonnenuntergang fährt, eine Behauptung der Filmemacher, eine Konzession an die Sehgewohnheiten der frühen 60er Jahre, in denen Frauen keine neuen Lebensideen abseits von Männern zu haben hatten. Montgomery Clifts Perce wäre vom biologischen Alter her eher ihr Partner, aber er ist noch unreif. Guido entpuppt sich als Schwätzer, der sich als netter, verständnisvoller Kumpel gibt, solange es seinen Zielen nützt. Eli Wallach steht hier nach vielen TV-Engagements noch am Anfang seiner Leinwandkarriere, gerade hatte er einen großen Auftritt in John Sturges' Die glorreichen Sieben (1960). Realistisch wäre, Roslyn stiege in den nächsten Zug und führe gen Westen, dorthin, wo im amerikanischen Kino die Zukunft liegt. Auf der Leinwand muss sie den am Boden zerstörten Gay aufrichten, der erkannt hat, dass er mit seinem Lasso, mit dem er Pferde zum Verwursten einfängt, „nur noch Träume“ jagt, er sich also endlich der Realität stellen muss. Und sie, Roslyn, die Mütterliche, bleibt dann halt bei ihm; ob für immer, lässt der Film offen. Eigentlich geht er auch gar nicht zu Ende. Einen Abspann jedenfalls, wenigstens das sonst übliche Wort "Ende", hat der Film nicht, nach einer Abblende ist einfach Schluss.

John Hustons Film ist ein quälender Blick in die Welt dieser sich selbst verleugnenden Männer, die lieber noch einen Whisky kippen, als sich den Realitäten zu stellen. Die sich die Liebe ihrer erwachsenen Kinder einreden, die tatsächlich nichts mit ihnen zu tun haben wollen. Schlüpft man während der wenigen Situationen, in denen die drei Männer im öffentlichen Raum sind, also beim Rodeo oder in der Kneipe, mal in die Perspektive der umstehenden Personen, dann sähe man in diesen drei Männern die laut grölenden Verlierer mit den Gelegenheitsjobs, die sich ins Vergessen trinken und am Bildrand aus der Kneipe geschmissen werden; eben: "Misfits", Unpassende, Nicht-dazu-Gehörige. John Huston hat ihnen mithilfe des Dramatikers und Monroe-Ehemannes Arthur Miller ein filmisches Denkmal gesetzt (Denen man nicht vergibt – 1960; Moby Dick – 1956; African Queen – 1951; Asphalt-Dschungel – 1950; Gangster in Key Largo – 1948; Der Schatz der Sierra Madre – 1948; Abenteuer in Panama – 1942; Die Spur des Falken – 1941). Es gibt grandiose Aufnahmen von Männern im Ringen mit wilden Pferde, wunderbare Totalen der Wüste von Nevada, über die Guido mit seinem alten Doppeldecker fliegt. Die Schönheit von Freiheit und Abenteuer lockt in kontrastreichem Schwarz-Weiß, bis zum nächsten Bildschnitt, nach dem die Männer dann noch einen Whisky kippen und in ausufernden Dialogen von der Freiheit schwärmen, die sie leben. Und je häufiger sie das tun, desto verbitterter, fordernder wird ihr Tonfall.

Kino als großes Americana. Mit fragwürdiger Frauenrolle.

Wertung: 3 von 7 D-Mark
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