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Plakatmotiv: Vergissmichnicht (2010)

Ein sozial-romantisches Märchen, das
von einer bezaubernden Frau lebt

Titel Vergissmichnicht
(L'âge de raison)
Drehbuch Yann Samuell
Regie Yann Samuell, Frankreich, Belgien 2010
Darsteller

Sophie Marceau, Marton Csokas, Michel Duchaussoy, Jonathan Zaccaï, Emmanuelle Grönvold, Juliette Chappey, Thierry Hancisse, Déborah Marique, Roméo Lebeaut, Jarod Legrand, Alexis Michalik, Stéphane Margot, Raphaël Devedjian, Emmanuel LeMire, Christopher Tram u.a

Genre Komödie, Märchen
Filmlänge 89 Minuten
Deutschlandstart
23. Dezember 2010
Inhalt

Margaret Flore ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die dank weiblicher Vorbilder wie Marie Curie, Maria Callas und Coco Chanel stets ihre Haltung bewahrt. Als knallharte Managerin verkauft sie Atomkraftwerke an die Chinesen und setzt dabei auch auf ihre weiblichen Reize.

Zu ihrem 40. Geburtstag erscheint ein alter Notar namens Mérignac im Bürohaus ihrer Firma und besteht darauf, ihr einen Brief persönlich zu übergeben. Ungläubig muss Margaret feststellen: Die Absenderin des Briefes war sie selbst vor 33 Jahren.

Er ist aus der Provinz nach Lyon gereist, um Margaret ein Päckchen mit Briefen zu überreichen. Im Alter von sieben Jahren, als sie noch Marguerite hieß, schrieb Margaret die Briefe an sich selbst. Plakatmotiv (Fr.): L'age de raison – Vergissmichnicht (2010) Mit ihren Eltern und ihrem Bruder Mathieu hatte sie in dem kleinen Ort Saou gelebt und mit Mérignac ausgemacht, dass er ihr die Briefe zu ihrem 40. Geburtstag zukommen lässt. Die Briefe sollen sie an die Dinge erinnern, die ihr als Kind am Herzen lagen.

Zunächst kann Margaret mit den kindlich naiven Briefen nichts anfangen, aber schon, dass sie sich innerlich gegen die Briefe wehrt – anstatt sie beispielsweise einfach wegzuwerfen – wirft sie aus der Bahn. In ihrem Hochfinanz-Job gerät sie ins Stolpern und in den Briefen entdeckt sie eine Kindheit und ein Leben wieder, das sie lange verdrängt hat …

Was zu sagen wäre

Das Leben ist, was passiert, während Du Pläne für ein anderes machst. Die einzige Frage, die sich stellt, lautet: Akzeptierst Du das? Oder wirfst Du in einem Moment, an dem dieses passierende Leben mal nicht so richtig funktioniert, alles über Bord und jagst Deinen Plänen von irgendwann wieder nach.

Dieser Film ist ein Märchen. Und seine Grundidee ist auch nicht ganz neu. Schon Bruce Willis bekam in The Kid als erfolgreiches Geschäftsarschloch im Jahr 2000 Besuch von seinem achtjährigen Ich, um auf den rechten Weg gelenkt zu werden. Sophie Marceau bekommt keinen Besuch, sie erhält Briefe ihres siebenjährigen Ichs. Briefe, die sie selbst vor 33 Jahren geschrieben und einem Notar übergeben hat mit der Bitte, die Briefe 33 Jahre später ihr selbst zuzustellen. Gingen wir davon aus, dass dieser Film eine normale Geschichte – kein Märchen – erzählte, würde er nach zehn Minuten in sich zusammenbrechen (… schon, dass sie erst an ihrem 40 Geburtstag mit Überlegungen beginnt, mit ihrem Freund gleich mehrere Kinder bekommen zu wollen, sprengt eigentlich den Rahmen sogar eines Märchens).

Da ist diese super erfolgreiche, toughe, unglaublich gut aussehende Geschäftsfrau, die ein paar Kinderbriefe bekommt, die sie zwischen zwei Telefonaten erst wegwirft und während des dritten wieder aus der Tonne fischt, den ersten öffnet, ungläubig den Kopf schüttelnd das bunte Gekritzel betrachtet und dann fast den nächsten Geschäftstermin verpasst? Warum? Woher der Sinneswandel? Wo sie das Kindergekritzel doch gerade noch total albern fand?

Yann Samuell weiß um diese Schwachstelle seines Films, aber er braucht das knappe Produktionsbudget – von den 7,2 Millionen Euro dürfte ein guter Teil an den Star Sophie Marceau überwiesen worden sein – für die zweite Hälfte seines Films. Deshalb macht er uns zu Komplizen in seiner Schwärmerei für Mme. Marceau (Don't Look Back – Schatten der Vergangenheit – 2009; Auf der anderen Seite des Bettes – 2008; LOL (Laughing Out Loud) ® – 2008; Fluchtpunkt Nizza – 2005; Belphégor – Das Phantom des Louvre – 2001; James Bond – Die Welt ist nicht genug – 1999; Verborgenes Feuer – 1997; Anna Karenina – 1997; Braveheart – 1995; D'Artagnans Tochter – 1994; Meine Nächte sind schöner als deine Tage – 1989; Die Studentin – 1988; Chouans! – Revolution und Leidenschaft – 1988; Abstieg zur Hölle – 1986; Der Bulle von Paris – 1985; DVD-Cover (US): With love… from the Age of Reason  – Vergissmichnicht (2010)Fröhliche Ostern – 1984; La Boum 2 – Die Fete geht weiter – 1982; La Boum – Die Fete – 1980).

Bis deren Margaret nämlich in der ihr zugedachten dramaturgischen Rolle angekommen ist, sind rund 45 Minuten rum, die Hälfte des Films. Bis dahin hat sie so eine Art On-Off-Beziehung mit ihren Kindheitsbriefen, lehnt sie ab, verliert sich in ihnen, will sie nicht mehr haben, forscht trotzdem nach, und nichts davon wird erklärt. Im Kinosessel verstehe ich Ihre dauernden Sinneswandel nicht. Aber ich schaue ihr in der schönen, südfranzösischen Landschaft gerne zu, weil es Sophie Marceau ist, die ihre „Brüste grenzwertig“ findet, aber weiß, dass die potenziellen Geschäftspartner ihr gerne in den Ausschnitt schauen; weil es Sophie Marceau ist, die mit ihrer vermeintlich mangelhaften Schönheit kokettiert; weil Sophie Marceau, wenn sie ihren Charme über die Leinwand in den Kinosaal fließen lässt, immer noch bezaubernd ist.

Also lassen wir unseren Komplizen Yann Samuell umständlich seine Erzählanordnung aufbauen, während er la belle Sophie uns bezaubern lässt – wer in einen Sophie-Marceau-Film geht, will in erster Linie Sophie Marceau sehen und nicht von einer komplizierten Dramaturgie abgelenkt werden. Und diese Erzählanordnung folgt in etwa der Erkenntnis eines trinkenden Schriftstellers, der meint, unter Alkoholeinfluss die besseren Ideen zu haben, sie aber, wenn er am nächsten Tag aufwacht, alle wieder vergessen hat, oder die Fragmente, die er noch zusammenbekommt, für Tinnef hält. Also schreibt er besoffen, schläft tagsüber seinen Rausch aus, macht abends die Flasche wieder auf und schreibt weiter. Am Ende wird da wohl selten ein guter Roman stehen. Aber viele interessante Fragmente.

So ist das auch bei Margaret, die sich zunehmend mit ihrem korrekten, französischen Namen, Marguerite, ansprechen lässt. Vieles von dem, was das Kind da über der sehr(!) erfolgreichen(!!) Geschäftsfrau(!!!) ausstreut, klingt so schön wie ein smartes, von mir aus unter Alkoholeinfluss geschriebenes Romankapitel, kann aber, nüchtern betrachtet, in ihrem Leben keine Rolle mehr spielen – mit 40 kann man nicht mehr zur Meeresbiologin oder zur Astronautin umschulen. Im Original heißt der Film "Das Alter der Vernunft", und darin findet er viel mehr seine Erfüllung, als in dem hilflos klingenden deutschen Titel.

Der Titel "Das Alter der Vernunft" verbindet die beiden Welten; die des Mädchens und die der Frau. Am Ende des Märchens, das nicht auf … und wenn sie nicht gestorben sind endet, entsteht aus der träumerischen Vernunft in der Kindheit und der rationalen Vernunft als Erwachsene der ganze Mensch. Zyniker werden einwenden So what? Aber ein Tränenzieher ist das Finale, jedenfalls im Kinosessel, trotzdem.

Wertung: 3 von 7 €uro
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