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Plakatmotiv: The Saint (1997)

Eine alte Fernsehserie mit Charme,
verliert im Kommerzkino ihr Herz

Titel The Saint – Der Mann ohne Namen
(The Saint)
Drehbuch Jonathan Hensleigh & Wesley Strick
nach der von Leslie Charteris entwickelten Figur des Simon Templar
Regie Phillip Noyce, USA 1997
Darsteller

Val Kilmer , Elisabeth Shue, Rade Serbedzija, Valeriy Nikolaev, Henry Goodman, Alun Armstrong, Michael Byrne, Evgeniy Lazarev, Irina Apeksimova, Lev Prygunov, Charlotte Cornwell, Emily Mortimer, Lucija Serbedzija, Velibor Topic, Tommy Flanagan u.a.

Genre Action
Filmlänge 116 Minuten
Deutschlandstart
1. Mai 1997
Inhalt

Für Simon Templar ist kein Einbruch zu schwierig. Der "Mann ohne Gefühle" ist in einschlägigen Kreisen nur bekannt als "The Saint". Der Im Waisenhaus aufgewachsene Mann gilt als Meisterdieb. Er umhüllt sich mit falschen Identitäten und versteckt sich hinter tausend Masken, damit er gewissen Aufträgen nachgehen kann. Für seine falschen Namen verwendet er katholische Heilige. Seinen nächsten Auftrag erhält er von Ivan Tretiak, einem russischen Millionär, der sein Geld im Nachwende-Moskau mit Öl und allerlei korrupten Geschäften gemacht hat.

Tretiak beauftragt Templar, in Oxford der Wissenschaftlerin Emma Russell deren bahnbrechende Formel zur Kalten Fusion zu stehlen. Mit der will Tretiak im aufkommenden Moskauer Winter die russischen Wohnungen beheizen, die unter der Regierung des russischen Präsidenten Karpow zunehmend kalt bleiben, was das Volk in Aufruhr versetzt – der Ölmagnat will mit den warmen Wohnungen die Sympathie des Volkes gewinnen und die Macht in Russland an sich reißen.

Aber die Formel, die The Saint entwendet hat, erweist sich als unvollständig, wertlos. Solche Rückschläge kann Tretiak gar nicht gebrauchen und hetzt Templar und der charmanten Wissenschaftlerin seine Killer auf den Hals.

Das hätte er vielleicht lieber gelassen …

Was zu sagen wäre

Die US-amerikanische Filmindustrie hat sich noch immer nicht vom Fall des Eisernen Vorhangs erholt. Mit einem Mal sind den Produzenten ab 1990 ihre liebsten Schurken abhanden gekommen. In der realen Welt sind die Russen nun Freunde; in der Kinowelt noch nicht so richtig. Russland hat jetzt einen gewählten Präsidenten, aber der kommt mit dem Kapitalismus nicht klar. In Moskau haben sozialistische Kapitalisten oder kapitalistische Sozialisten das Ruder übernommen – böse Menschen auf jeden Fall. Während das Volk wie schon zu den Zeiten von Ernst Lubitschs "Ninotschka" (1939) in kalten, runtergekommen Wohnungen sitzt und zu wenig zu essen hat, köpfen ein paar Millionäre in Nachtclubs die Champagnerflaschen, löffeln Kaviar und lassen sich von leichtbekleideten Schönheiten befriedigen. Eigentlich alles wie immer also, wie zu Zeiten, als James Bond noch gelegentlich mit dem Eisernen Besen durch das kommunistische Moskau kehren musste.

Über die russische Hauptstadt herrscht heute ein schwerreicher Finstermann, der davon träumt, ein neuer Zar zu werden. Auf ihn hören Kleinkriminelle, die gesamte Polizei der Stadt sowie auch die Armee des Landes. Dieser Mann, Ivan Tretiak, könnte die Macht in Russland also einfach an sich reißen. Aus irgendeinem nicht näher genannten Grund will er das aber erst tun, wenn der sich der Sympathie im Volk sicher sein kann, das er ausnehmen will wie eine Weihnachtsgans. Dazu benötigt er eine supermoderne Technologie, von der man bisweilen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften ließt, die Kalte Progression, hinter der in diesem Film bald alle her sind. Sie ist der MacGuffin dieses Films, das Ding also, das die Handlung auslöst und die unterschiedlichen Parteien gegeneinander in Stellung bringt. Hier kommt der Titelheld ins Spiel, The Saint, der Heilige.

Der vorliegende Film ist einer dieser derzeit beliebten Versuche, alte TV-Serien auf ihre Kinotauglichkeit hin zu prüfen, Serien, mit denen das Kinopublikum aufgewachsen ist, an die es gute Erinnerungen hat, deren Hauptfiguren ein Kinofilm also nicht mehr groß erklären muss. Die TV-Serie lebte von britischem Humor und dem Tweed-Charme ihres Hauptdarstellers. Dieser TV-Saint war eine sehr den 60ern verhaftete Figur, die ihre kriminellen Erfolge mit falschen Bärten, Perücken und großem Geschick darin, durch Wände zu gehen, feierte. Und so stellt ihn uns der aktuelle Film auch vor, in einem mit-falschem-Bart-und-Perücke-Tresore-sprengen-und-Wände-erklettern-Opener.

Im Fernsehen hat Roger Moore (James Bond) die Figur des Simon Templar gespielt. Im Kino spielt den Verkleidungskünstler Val Kilmer (Der Geist und die Dunkelheit – 1996; D.N.A. – Experiment des Wahnsinns – 1996; Plakatmotiv: The Saint (1997) Heat – 1995; Batman Forever – 1995; Karen McCoy – Die Katze – 1993; True Romance – 1993; Halbblut – Thunderheart – 1992; The Doors – 1991; Willow – 1988; Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel – 1986; "Was für ein Genie" – 1985; Top Secret – 1984). Kilmer ist für den Film eine schwere Bürde. Im Kinosessel ist es ohnehin schwierig, mit einem Helden ohne Persönlichkeit zu sympathisieren, dessen oberstes Ziel im Leben darin besteht, mit seinen Räubereien ein Guthaben jenseits der 50-Millionen-Dollar-Marke anzuhäufen und dafür sympathische Menschen zu betrügen. Noch schwieriger ist es, wenn der Schauspieler hinter diesem Typen keinen Charme hat, also sowas, was Roger Moore im kleinen Finger versprüht. Das der rätselhafte The Saint aus der schweren Kindheit eines katholischen Waisenhauses kommt und zu Beginn die russische Mafia austrickst, macht ihn für uns interessant. Aber mehr kommt dann nicht mehr.

Der Film ist dumm, die Story krude, das Drehbuch ohne Finesse, die Dialoge ohne Esprit, die Besetzung voller Fehler. Der Held kann alles, gewinnt immer, kriegt nicht einmal was auf die Nase und die Herzen der schönen Frauen fliegen ihm nur so zu. In diesem Fall ist es das der Wissenschaftlerin Emma Russell, die von sich sagt, dass sie den Umgang mit Menschen nicht gewohnt sei, und die sich wundert, dass sie einem Mann überhaupt auffällt. Dabei wirkt Dr. Stone weder im Hörsaal noch im winterlich grauen England wie eine graue Maus, nicht einmal die für Professoren obligatorische Brille trägt sie. Noch dazu wird sie gespielt von der strahlend schönen Elisabeth Shue, der ich die schüchterne, Menschen abgewandte Laborfrau nur schwer abnehmen kann (Harry außer sich – 1997; Leaving Las Vegas – 1995; Zurück in die Zukunft III – 1990; Zurück in die Zukunft II – 1989; Cocktail – 1988; Link, der Butler – 1986)). Miss Shue verfügt über ausgeprägte Schauspielkunst, was ihr und uns im Kinosessel dabei hilft, zu glauben, dass sie sich tatsächlich in diesen windigen Typen, der sie eben betrogen und bestohlen hat, verliebt und dass sie tatsächlich detektivischen Spürsinn entwickelt, der dem der britischen Polizei und Geheimdienste weit überlegen ist und sie binnen zwei Filmminuten von England aus an jene Hotelrezeption in Moskau bringt, an der Simon Templar gerade auschecken will.

Überhaupt die Sicherheitsbehörden. Die jagen den ominösen Mann ohne Gesicht anhand lauter fahler Zeichnungen, die schwer geeignet sind, dahinter das reale Gesicht eines realen Mannes zu erkennen. Aber irgendwann stellen sie nach einem Gespräch mit der charmanten Wissenschaftlerin Russell fest: „Sie ist ihn verliebt!“ Niemand kommt an dieser Stelle auf die Idee, diese Erkenntnis zu nutzen, der Wissenschaftlerin also heimlich zu folgen, wie das in jedem TV-Krimi gemacht wird, um des geheimnisvollen Meisterdiebes habhaft zu werden.

"The Saint" kommt über die Qualitäten eines zweidimensionalen Comicabenteuers nicht hinaus: Hier die doofe Polizei, da schießwütige Gangster, die sich in Moskaus Straßen frei bewegen können, dort ein Held, der keinen Kratzer abbekommt und dazu eine Frau, die etwa alle zehn Minuten ihren Helden lieben oder wegstoßen muss. Das war 1928, als der erste Simon Templar-Roman erschien, als Abenteuerfigur ausreichend; das galt 1962 bis 1969, als die Serie mit Roger Moore im Pantoffelkino flimmerte, als spannende Unterhaltung. Aber im Kino sind wir 1997 mit den Helden doch weiter. Selbst die hartgesottensten Kerle schaffen es nicht mehr ohne Schrammen bis zum Abspann und haben mindestens eine waidwunde Seele und müssen sich irgendwann mit hrer schattigen Vergangenheit auseinandersetzen – Bruce Willis, Sylvester Stallone, Mel Gibson. Das weiß auch Regisseur Philip Noyce, der der solche gebrochenen Figuren ja auch schon inszeniert hat (Das Kartell – 1994; Sliver – 1993; Die Stunde der Patrioten – 1992; "Todesstille" – 1989). Da waren es Harrison Ford oder Sharon Stone, die ihre inneren Dämonen bekämpfen mussten. Die inneren Dämonen, die Simon Templar mit sich herum trägt, sind ein prügelnder katholischer Pfarrer und der Tod einer Freundin im Waisenhaus, über die man keine zwei Sätze erfährt. Es scheint, als habe Philip Noyce mit dem Film bis zum Ende gefremdelt. Wenig passt zusammen, das Szenario einer Allmacht der Schurken und einer Machtlosigkeit staatlicher Strukturen ist veraltet, der Film in seiner Realitätsferne so egal, dass keine Spannung aufkommt – und die zur DNA solcher Filme gehörenden Actionszenen wurden gleich ganz vergessen.

Eine schwedische Autofirma hat ihr Flaggschiff zur Verfügung gestellt. Das fährt ein zweial durchs Bild, der Konzern machte ordentlich Werbung für sich und damit für den Film und das war alles, was hängen geblieben ist von dem Versuch, eine alte TV-Serie auf Kino-Neu zu trimmen.

Wertung: 3 von 11 D-Mark
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