Nach vier Jahren kommt Martin endlich aus dem Gefängnis. Er saß wegen Insider-Handels. Emily empfängt ihn draußen und will jetzt so schnell wie möglich in das alte Leben zurück, das sie vor dem Gefängnisaufenthalt führten – mondän, reich, in der New Yorker Society.
Aber Martin findet keinen Anschluss, wird beinah wie ein aussätziger Exot behandelt. Emily verfällt in Depressionen, versucht mehrfach, sich umzubringen. Ihr Psychologe, Jonathan Banks, möchte sie zunächst in die Klinik einweisen, doch Emily überzeugt ihn davon, dass das nicht nötig ist und erlaubt, dass Banks Kontakt aufnimmt Emilys ehemaliger Ärztin, Dr. Victoria Siebert. Die beiden tauschen Pillen-Tipps aus, Antidepressiva und andere Medikamente.
Zu dieser Zeit bietet ein Pharmakonzern Jonathan an, mit seinen Patienten an einer Teststudie des neuen Anti-Depressivums Ablixa teilzunehmen. Wegen der guten Bezahlung willigt Jonathan ein und verschreibt Emily das Medikament. Kurz nachdem Emily Ablixa das erste Mal genommen hat, ersticht sie Martin. Emily hat davon allerdings nichts mitbekommen - sie ist offenbar geschlafwandelt.
Der Justiz ist das egal. Emily Mortimer wird wegen Mordes vor Gericht gestellt …
Steven Soderbergh war schon immer gut darin, Bilder und Szenen zu inszenieren. Immer wieder gelingen ihm besondere Sequenzen in eigentlich durchschnittlichen Stories. Das macht neugierig auf seine Filme und diese – meistens – sehenswert. Dieser hier ist sehenswert. Schon deshalb, weil er mit einer Kopie der Eingangskamera aus Hitchcocks Psycho (1960) in den Film einsteigt – einer langen Kamerafahrt auf ein Wohnhaus in einer US-Großstadt. Das lässt viel zu an Vorfreude und die wird auch nicht enttäuscht - allerdings darf ich nicht zu viel verraten; der Film beginnt früh, Haken zu schlagen.
Soderbergh (Haywire – 2011; Contagion – 2011; Solaris – 2002; Ocean's Eleven – 2001; Traffic – Die Macht des Kartells – 2000; "Sex, Lügen und Video" - 1989) geleitet uns in eine infizierte Gesellschaft, die Symptome heißen unmäßiger Ehrgeiz, unmenschlicher Erfolgsdruck und Gier: Dem Banker fehlt das Unrechtsbewusstsein für den Insider-Handel, Emily hält das Leben im Luxus für selbstverständlich und ihr zustehend, der Arzt lässt sich von der Pharmaindustrie schmieren. Es ist eine Welt, in der die Bewohner Medikamententipps austauschen wie Kochrezepte und in der Ärzte sagen, Stimmungsaufheller „helfen Dir nur, Du selbst zu sein”. Die im Titel angesprochenen Nebenwirkungen ("Side effects") sind aber nicht rein medizinischer Natur. Sie gelten für alle Aspekte des modernen Lebens: Für Banks hat auch die Behandlung Emilys Nebenwirkungen. Dass Jonathan Banks sich eine teure Wohnung in Midtown Manhattan gekauft hat, führt dazu dass er viel mehr arbeiten muss, um das nötige Geld zu verdienen und führt zu dem Pharmakonzern mit seinem neuen Präparat.
Kaum etwas stört, bis auf zwei Situationen, die nicht stimmen – das kann in einem Thriller, der notwendigerweise sehr konstruiert ist (die kluge Konstruktion ist geradezu das Wesen eines Thrillers), schnell tödlich sein – *hoppla* – hier nicht, aber es gibt Punktabzug, weil Psychater Jonathan Banks die mehrfach suizidale Emily im richtigen Leben niemals hätte nach Hause gehen lassen, auch nicht für die zu erwartenden Einkünfte durch die versprochenen Termine („viermal die Woche, wenn Sie wollen”) und der andere fragwürdige Stolperstein liegt jenseits der das-darf-ich-nicht-verraten-Wand.
Es sind kleine Mängel in einem ansonsten wunderbar choreographierten Ganzen, in dessen Mittelpunkt Rooney Mara (Verblendung – 2011; The social Network – 2010) schwebt. Ihre Ausstrahlung fesselt. Ihr Spiel von himmelhochjauchzend-zu-Tode-betrübt ist fein austariert, dazu hilft ausgezeichnetes Make Up – hier wage ich mich mal auf fremdes Terrain und rege eine Oscar-Nominierung an. Und wieso hat das eigentlich so lange gedauert, Rooney Mara zu entdecken (immerhin ist sie seit 2005 mit „Düstere Legenden 3” im Geschäft)?
Um sie herum schwirren Schwergewichte in Haupt- und Nebenrollen. Jude Law, nach Contagion (2011) zum zweiten Mal unter Soderberghs Regie, spielt facettenreich den getriebenen und treibenden Psychater. Catherine Zeta-Jones (Broken City – 2013; Kiss the Coach – 2012; Lady Vegas – 2012; Die Legende des Zorro – 2005; Ocean's Twelve – 2004; Terminal – 2004; Ein (un)möglicher Härtefall – 2003; Chicago – 2002; America's Sweethearts – 2001; Traffic – Macht des Kartells – 2000; High Fidelity – 2000; Das Geisterschloss – 1999; Verlockende Falle – 1999; Die Maske des Zorro – 1998) ist gewohnt divenhaft-undurchsichtig die rätselhafte Lady in Red und selbst Ex-Teenie-Idol Channing Tatum ("21 Jump Street – 2012"; Für immer Liebe – 2012; Das Leuchten der Stille – 2010) kommt hier im Business-Anzug gut über die Rampe.
Mit diesem Film will sich Steven Soderbergh aus dem Hollywood-Geschäft zurückziehen. sagt er. Ihm fehle die Freiheit, noch Stoffe zu entwickeln, die sich nicht um krachende Action oder kostümierte Superhelden drehen. Das kann man verstehen. Glauben muss man das nicht, zumindest fällt es schwer.
Andreas Kilb analysierte für die Frankfurter Allgemeine Zeitung: Und es stimmt ja: Die Führungsschicht Hollywoods ist seit unvordenklichen Zeiten (also ungefähr seit Spielbergs Weißem Hai) immer dämlicher und profitgieriger geworden, sie hat zahllose Cineasten ins Elend oder zumindest ins Kabelfernsehen getrieben. Aber eben nicht Steven Soderbergh. Dieser Regisseur hat immer innerhalb des Systems gearbeitet – abgesehen von jener kurzen Phase in der Mitte der neunziger Jahre, als er mit Filmen wie "Schizopolis" den Kontakt zum Publikum vorsätzlich abzubrechen schien.
Das System hat ihm seine größten Erfolge beschert – Out of Sight, Erin Brockovich, die drei Filme der „Ocean”-Serie – und seine größten Pleiten (Solaris, "The Good German"). Es hat ihm nicht verübelt, dass er mit Werken wie „Full Frontal” oder „Bubble” alles aufs Korn nahm, was den Studiobossen lieb und teuer ist: den Nimbus der Stars, die Ordnung der Plots, die Sicherheit der Vertriebswege. Und es hat ihm bei Filmen wie Contagion, in dem die Hälfte der Hauptfiguren unter schlimmen Qualen an einem Virus stirbt, und "Der Informant!", in dem sich Matt Damon in eine picklig-verfettete Version seiner selbst verwandelt, freie Hand gelassen. Es hat sogar toleriert, dass er sich durch den fast gleichzeitigen Kinostart von Traffic und Erin Brockovich bei den Oscars 2001 selbst ein Bein stellte, ein Missgeschick, das in den guten, alten Zeiten, von denen Soderbergh lautstark träumt, niemals vorgekommen wäre.