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Plakatmotiv: Der Pass des Todes (1979)

Anthony Quinn rettet Leben
und die Nazis sind Sadisten

Titel Der Pass des Todes
(The Passage)
Drehbuch Bruce Nicolaysen & Stephen Oliver
nach dem gleichnamige Roman von Bruce Nicolaysen
Regie J. Lee Thompson, UK 1979
Darsteller

Anthony Quinn, James Mason, Malcolm McDowell, Patricia Neal, Kay Lenz, Christopher Lee, Paul Clemens, Robert Rhys, Marcel Bozzuffi, Michael Lonsdale, Peter Arne, Neville Jason, Robert Brown, Rose Alba, Jim Broadbent, Frederick Jaeger, Terence Maidment, Terry Yorke u.a.

Genre Action, Krieg
Filmlänge 98 Minuten
Deutschlandstart
25. Dezember 1982 (TV-Premiere)
Inhalt

2. Weltkrieg: Auf der Flucht vor der SS steht eine jüdische Familie vor dem Problem, dass es weder vor noch zurück geht – es sei denn, man findet einen Weg von Frankreich nach Spanien durch die Pyrenäen. Dem französischen widerstand liegt viel daran, dass der Ehemann und Vater der Familie, Professor John Bergson, nach Spanien gelangt, weil er mit seinem Wissen und seiner Haltung den Kampfgeist gegen die erdrückende deutsche Übermacht neu entfachen könnte.

Die Résistance wendet sich an einen baskischen Schafhirten, der die Pyrenäen im besagten Abschnitt kennt wie kein anderer. Der sträubt sich zunächst. Was hat er mit dem fernen Krieg zu tun? Warum soll er seine Schafe mehrere Tage allein lassen? Aber schließlich erklärt er sich doch bereit, die Familie über die Berge zu geleiten.

Immer verfolgt von dem fanatischen SS-Offizier von Berkow beginnt eine dramatische Flucht in Eis und Schnee …

Was zu sagen wäre

Für Hollywoodproduzenten sind die Nazis in erzählerischer Hinsicht ein Glücksfall. Sie eignen sich als die perfekten Schurken. Davon gibt es nicht so viele. Die Russen kommen bei Alen Agentenfilmen zum Einsatz, die Araber eher als nicht ganz ernst genommene Wilde mit der Prise Exotik. Die Nazis für alle Kriegs- und Kommando-Dramen, in denen Schauspieler harte Männer mimen, die gegen die deutschen Sadisten in den Kampf ziehen. Das Schöne an diesen Nazi-Deutschen ist, dass man sie je nach Projekt in gute und böse Sadisten einteilen kann, wahlweise, um die Spannung zu erhöhen, oder aber, weil man es sich mit einem wirtschaftsstarken Abspielraum nicht verderben möchte.

In diesem Film von Routinier J. Lee Thompson (Die Schlacht um den Planet der Affen – 1973; Eroberung vom Planet der Affen – 1972; Mackenna's Gold – 1969; Immer mit einem anderen – 1964; Ein Köder für die Bestie – 1962; Die Kanonen von Navarone – 1961) gibt es nur einen bösen Nazi. Aber der ist so richtig fies. SS-Offizier von Berkow. Malcom McDowell (Uhrwerk Orange – 1971) spielt ihn, als habe er die Rolle des sadistisch geifernden Caligula, den er im selben Produktionsjahr für Tinto Brass gespielt hat, einfach in beiden Filmen gespielt. Dieser SS-Mann hat sogar ein Hakenkreuz auf seiner ausgebeulten Unterhose. Und einen Vaterkomplex. Der SS-Mann leidet darunter, dass niemand in seiner Familie, die auf männlicher Seite aus lauter Offizieren der Wehrmacht besteht, ihn in seiner schwarzen Uniform erst nimmt; dabei sei es doch die SS, die den deutschen Sieg erst möglich mache. Plakatmotiv: Der Pass des Todes (1979) Dann vergewaltigt er erst einmal eine Gefangene (die er aber vorher noch unter die Dusche gestellt hat, der Hygiene wegen) und hackt dann einem Résistance-Kampfer irre lachend die Finger ab, jeden einzeln. die übrigen Deutschen sind entweder reine Befehlsempfänger. Oder Offiziere, die das Treiben des SS-Mannes nur widerwillig zulassen.

Das ist die Bedrohungslage für unsere kleine Schar Fliehender. Vor sich die tödliche weiße Wand der Berge, die sie überwinden muss. Hinter sich Sadist von Berkow. Was an dem Familienoberhaupt eigentlich so besonders ist – ist er sowas wie R2-D2, birgt er ein Geheimnis in sich, dass den Widerstand im Nazi-freien Spanien erreichen muss? – man weiß es nicht. Er ist, was Hitchcock einen MacGuffin taufte: Er setzt Menschen in Bewegung, eine Handlung in Gang. Außerdem spielt ihn der große James Mason ("Blutspur" – 1987; Der Himmel soll warten – 1978; Steiner – Das Eiserne Kreuz – 1977; Der Mackintosh Mann – 1973; Kalter Schweiß – 1970; Der Untergang des Römischen Reiches – 1964; Lolita – 1962; Der unsichtbare Dritte – 1959; Ein neuer Stern am Himmel – 1954; 20.000 Meilen unter dem Meer – 1954; Prinz Eisenherz – 1954; Julius Caesar – 1953). Als ambivalenter Charakter, wie zu seinen besten Zeiten, eignet er sich nicht mehr. Aus dem Alter ist er in den Augen den Filmbosse raus. Heute spielt Mason einfach seinen Part als alternde Autorität und wirkt nicht, als wüsste er selbst, was er in diesem Film eigentlich soll. Um den MacGuffin zu erhöhen, klebt dem wichtigen Mann dessen Familie am Bein – die kränkelnde Ehefrau, der aufbrausende Sohn, der seinen Vater verachtet, und die Tochter, die sich in dieser Ausgangslage am ehesten behaupten könnte.

Aber da ist ja noch ihr Bergführer. Der heißt nur Der Baske und wird gespielt von Anthony Quinn, der mit Thompson eben erst "Der große Grieche" (1978) abgedreht hat und seinen Regisseur schon länger kennt, seit den Kanonen von Navarone (1961), in der er als Widerstandskämpfer Andrea eine ganz ähnliche Rolle spielte wie jetzt ("Der große Grieche" – 1978; "In den Schuhen des Fischers" – 1968; "Alexis Sorbas" – 1964; "Lawrence von Arabien" – 1962; Die Kanonen von Navarone – 1961; Der letzte Zug von Gun Hill – 1959; "Der Glöckner von Notre Dame" – 1956; Die Fahrten des Odysseus – 1954; "Das Lied der Straße" – 1954). Quinn spielt den Basken als unnachgiebigen Mann der Berge. Im Leben nur von seinen Schafen umgeben, kann er mit menschlichen Schwächen nichts anfangen. Er weiß um die Gefahren der Berge und um die Gefahren der Nazis. Wer nicht mithält, kommt um. Der Baske ist knurrig wie einst Andrea, der Grieche mit der dramatischen Geschichte. Ob der Baske eine hat, erfahren wir nicht. Es gibt Andeutungen, aber nichts, aus dem Quinn einen echten Charakter machen könnte. Er bleibt ein grimmiger Mann, der am Ende ein paar freundliche Fragen stellt.

Je länger ich dem Film zuschaue – und das geht gut, weil J. Lee Thompson das Wenige, was das Drehbuch hergibt, effektvoll in Bilder umwandelt – desto klarer wird, was schon Der wilde Haufen von Navarone im letzten Jahr deutlich machte: Die Zeit dieser Art Kriegsfilme mit dem Testosteronkommando auf der einen und immer daneben schießenden deutschen Soldaten auf der anderen Seite, geht zu Ende. Es hat lange Spaß gemacht im Kino. Nun gehe in Frieden.

Wertung: 4 von 9 D-Mark
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