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Plakatmotiv: Der wilde Haufen von Navarone (1978)

Film mit großem Erbe, ordentlichen
Schauwerten – und Schulterzucken

Titel Der wilde Haufen von Navarone
(Force 10 from Navarone)
Drehbuch Robin Chapman & Carl Foreman
nach dem Roman "Geheimkommando Zenica" von Alistair MacLean
Regie Guy Hamilton, UK 1978
Darsteller

Robert Shaw, Harrison Ford, Barbara Bach, Edward Fox, Franco Nero, Carl Weathers, Richard Kiel, Alan Badel, Michael Byrne, Philip Latham, Angus MacInnes, Petar Buntic, Michael Sheard, Leslie Schofield, Anthony Langdon, Richard Hampton, Paul Humpoletz, Dicken Ashworth u.a.

Genre Action, Drama, Krieg
Filmlänge 118 Minuten
Deutschlandstart
1. Februar 1979
Inhalt

Nachdem Mallory und Miller ihren Auftrag, die Kanonen von Navarone zum Schweigen zu bringen, mit Bravour erfüllt haben, wartet schon die nächste fast unmögliche Aufgabe auf sie: Diesmal verschlägt es die Beiden nach Jugoslawien, wo sie sich Kommando 10 anschließen, einer zähen amerikanischen Elitetruppe unter der Führung von Oberstleutnant Barnsby.

Während die Kampfspezialisten eine strategisch wichtige Brücke sprengen sollen, haben Mallory und Miller die Aufgabe, den Verräter Nikolai Leskovar auszuschalten. Unterstützt werden sie dabei von Sgt. Weaver, den sie unterwegs aus der Gefangenschaft befreien können. Doch dann fallen sie den Deutschen in die Hände und die Mission scheint gescheitert. Aber Mallory und Miller geben nicht auf ...

Was zu sagen wäre

Dieser Film verwaltet ein großes Erbe. Er will die Fortsetzung des 1961er-Filmklassikers Die Kanonen von Navarone sein, dabei irgendwie an die alte Geschichte anknüpfen, gleichzeitig aber – in dem Wissen, dass wir zwei Generationen Kinogänger weiter sind – einfach den guten Namen des Originals ausschlachten.

Unterm Strich aber strahlt der Film all das aus, was an Hollywood nicht mehr funktioniert. "Force 10 from Navarone" ist ein durch und durch kommerzielles Produkt, nicht getrieben von der Lust, eine originelle Geschichte zu erzählen, sondern von dem Kalkül, den alten Film nochmal auszuquetschen, also eins draufzusetzen; die Zutaten des Originals werden neu sortiert und schärfer gewürzt auf die Leinwand gebracht. Das muss nicht automatisch schlecht sein, wie etwa die Fortsetzung von Coppolas Der Pate beweist. Die aber erzählte neue Geschichten, wob den Kosmos der Familie Corleone weiter, konnte die Teile der Romanvorlage verarbeiten, die der erste Teil aus Zeitgründen nicht unterbrachte. Auf eine Romanvorlage stützt sich auch "Force 10".

Aber schon die war kommerziell motiviert. Angesichts des anhaltenden Erfolges des Films "The Guns of Navarone" in den Kinos traten die Kanonen-Produzeten Mitte der 60er Jahre an Alistair MacLean heran, der die Vorlage für die Kanonen geschrieben hatte, ob er nicht eine Fortsetzung schreiben könne, die dann flugs in einen Film umgewandelt werden solle. MacLean schrieb also ein Drehbuch. Aber ein Film wurde nicht daraus. Den Produzenten war zwischenzeitlich klar geworden, dass Gregory Peck (Mallory), Anthony Quinn (Andrea) und David Niven (Miller) für solche Actionrollen wirklich zu alt geworden waren – was sie streng genommen schon 1961 waren. Aber damals waren männliche Kinohelden noch alterslos, hatten auch immer Freundinnen, die selbstverständlich 20, 30 Jahre jünger waren als sie. Das Fortsetzungsprojekt zerschlug sich bald wieder, MacLean arbeitete sein Drehbuch in den Roman "Force 10 from Navarone" um ("Geheimkommando Zenica"), der als Fortsetzung eher auf dem Kanonen-Film von 1961 (nicht auf dessen Vorlage von 1958) basiert.

Warum das Projekt nach rund zehn Jahren aus der Entwicklungshölle der Drehbuchwerkstätten Hollywoods wieder auftauchte, ist nicht ganz klar. Als mögliche Erklärung mag gelten, dass im Kino, abseits der Erfolge eines New Hollywood, zu dem Filme von Martin Scorsese (Taxi Driver), Peter Bogdanovic (Die letzte Vorstellung), Dennis Hopper (Easy Rider) aber auch Steven Spielberg (Sugarland Express) gezählt werden, sich vor allem Harte-Kerle-Filme, die meist als Söldner- oder Kommando-Filme daherkommen, großer Beliebtheit erfreuen. Einer der jüngsten Vertreter ist Die Wildgänse kommen, der wie "Der wilde Haufen von Navarone" auch 1978 entstand. Gleichzeitig gibt es viele neue Haudraufundschluss-Männer auf der Leinwand, die Verwendung suchen – Robert Shaw gibt nicht erst seit Spielbergs Der weiße Hai (1975) den bärbeißigen Draufgänger. Ein eiskalter Killer war er schon in Liebesgrüße aus Moskau (1963), ein perfekt organisierter Entführer in der U-Bahn 1-2-3 (1974) und in Schwarzer Sonntag (1977) ein kühl kalkulierender Geheimagent, der einmal Gefühle zeigt und prompt scheitert. Gerade neu im Geschäft als Haudrauf ist seit dem Überraschungserfolg Star Wars (1977) Harrison Ford. Auch für Carl Weathers, der als Rocky- Gegner Apollo Creed populär wurde, suchen die Produzenten abseits einer Rocky-Fortsetzung Anschlussverwendungen. In dieser Situation entdeckt jemand das Treatment zu "Force 10 from Navarone" in einer Schublade.

Als Regisseur kommt Guy Hamilton an Bord, der nach vier Regiestühlen für James-Bond (Goldfinger, Diamantenfieber, Leben und Sterben lassen, Der Mann mit dem Goldenen Colt) als ausgewiesener Experte für Agentenaction gelten darf. Er legt auch gleich gut los. Gemäß dem Hollywood-Motto Beginne mit einem Erdbeben und steigere dann ununterbrochen die Spannung beginnt er mit einem Zusammenschnitt des explosiven Finales des Kanonen-Films von 1961, das auch heute wenig von seiner Faszination verloren hat. Groß ist die Ernüchterung, dass sich dann lange Zeit nichts mehr steigert, wir lediglich harten Profis bei Hahnenkämpfen zusehen und dann eine Hin-und-Her-Dramaturgie verfolgen, die schon Spannung bietet, auch ordentliche Actionszenen, uns die Figuren aber nicht näher bringt. Es war schon zu Beginn irritierend, dass der einst kühle Mallory und der leidenschaftlich gegen sinnlose Bombeneinsätze kämpfende Miller, die 1961 nur sehr zaghaft zueinander fanden, hier nun plötzlich beste Veteranenkumpel sind und Mallory seinen Best Buddy "Milli" ruft. Aber gut: So sind die Zeiten – ich bin im Jahr der "Kanonen", 1961, geboren worden und bin im Februar 1979 jetzt mit knapp 18 ja auch ein anderer als damals.

Aber es kommt eben gar nichts Persönliches mehr. Die zwischenmenschlichen Szenen, Debatten über Sinn und Unsinn solcher Kommandounternehmen, persönliche Schicksale, wie sie in die Action der "Kanonen" 1961 noch eingewoben waren, finden sich hier nicht. Die Figuren bleiben zweidimensional. Mallory verzieht keine Miene, wenn er (irrigerweise) davon ausgehen muss, dass sein Kumpel Miller wohl tot ist – ist also noch härter gesotten als damals – und der einstige Kriegsgegner Miller entwirft fröhlich Bombenpläne und schreibt explosive Bedarfslisten. <Nachtrag1999>Robert Shaw, der die Mallory-Rolle von Gregory Peck übernommen hatte, war nicht mit großer Freude dabei. Während der Dreharbeiten erklärte er „Ich glaube wirklich, dies könnte mein letzter Film sein … Ich habe eigentlich nichts mehr beizusteuern. Mich erschrecken einige der Drehbuchsätze … Ich bin nicht locker, kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal Spaß beim Drehen hatte.“ Shaw starb kurz darauf während der Arbeit an dem Actionthriller "Lawinenexpress" (1979) im Alter von 51 Jahren an einem Herzinfarkt.</Nachtrag1999> Dazwischen wiederholt Harrison Ford seine Han-Solo-Manierismen – darf auch, wie in Star Wars, mit einem getürkten Gefangenen-Transport Gefangene befreien – bleibt als US-Colonel Barnsby aber jeden Beweis kriegsgeschuldeter Raubeinigkeit schuldig, verliert schon im Anflug auf Jugoslawien die meisten seiner Männer und damit seinen Plan, worauf ihm nichts als Dankbarkeit für den offensichtlich erfahreneren Major Mallory bleibt – „Das haben Sie gut gemacht, Major!“ „Gute Idee, Major!

Die Barnsby-Figur, die es in der Romanvorlage nicht gibt, wirkt, wie nachträglich für den neuen Action-Sonny-Boy am Firmament, Harrison Ford, eingebaut. Er bleibt Stichwortgeber. Franco Nero spielt den dritten Charakter, den es im Film von 1961 schon gab. Aber dessen Metamorphose von damals zu heute ist derart an den Haaren herbeigezogen, dass auch sie wohl mit der Hereinnahme der Harrison-Ford-Rolle erklärt werden muss: Mallory und Miller, die in der Romanvorlage zusammen mit ihrem Navarone-Kameraden Andrea Stavros den Auftrag hatten, diese Brücke zu zerstören, haben im Film, ohne Stavros, der tatsächlich in Griechenland – wahrscheinlich auf Navarone – geblieben ist, nur den Auftrag, die Franco-Nero-Figur zu töten. Den eigentlichen, großen Auftrag, die Brücke zu zerstören, hat jetzt Harrison Ford als amerikanischer Colonel Barnsby, der ursprünglich (vor "Star Wars") ähnlich der Clint-Eastwood-Figur in der Alistair-MacLean-Verfilmung Agenten sterben einsam (1968) vor allem dafür angelegt war, dem US-amerikanischen Publikum neben den britischen Stars Robert Shaw und Edward Fox einen US-Landsmann zu präsentieren. Als seine rechte Hand in "Force 10" taucht übrigens Angus MacInnes auf, der als Gold Leader neben Harrison Ford in Star Wars versucht, eine Granate in den Lüftungsschacht des Todesstern zu werfen. <Nachtrag1999>Harrison Ford sagte später in einem Interview über diesen Film „It wasn't a bad film. There were honest people involved and it was an honest effort. But it wasn't the right thing for me to do.“ Mit dieser Einschätzung hat er Recht.</Nachtrag1999>

Dem Drehbuch und der Dramaturgie tun solche merkantil motivierten Anpassungen nicht gut. Da ist an einer Stelle davon die Rede, dass die Deutschen „im Morgengrauen“ über die Brücke kämen, also noch die kommende Nacht als Zeitraum bleibt, um die Brücke zu zerstören. Aber dann vergehen kommentarlos zwei weitere Tage und Nächte, in denen die Protagonisten ihren Sprengstoff besorgen können. Dafür auch, dass eigentlich von Anfang an klar ist, wer der Verräter ist, braucht es unglaubwürdig lange, bis er enttarnt und ausgeschaltet ist. Und als dann im Finale die große Orgie der Zerstörung ihren Lauf nimmt – von wegen Mit Erdbeben beginnen, dann Spannung steigern – verpuffen Explosionen und Überflutungen in einem lauen Lüftchen, das wirkt, als sei das Geld für ordentliche Spezial Effekte ausgegangen. Das Plakatmotiv (s.o.) bietet da die größeren Schauwerte.

"Der wilde Haufen von Navarone" erinnert an ein Kino, das in den 60er Jahren seinen Höhepunkt hatte, als Hollywood den Krieg als Abenteuerspielplatz für echte Männer verkaufte. Das bietet für den Moment im Kinosessel noch den ein oder anderen Schauwert, wird aber fortgespült von den noch jungen Ereignissen und der Niederlage des Westens im Vietnamkrieg. Den arbeiten mittlerweile die ersten Regisseure des New Hollywood auf. Schon in Taxi Driver (1976) war der Protagonist ein desillusionierter Veteran des Vietnamkriegs. Auch Hal Ashby hat sich in "Coming Home" (1978) gerade mit den psychischen Verheerungen durch den Vietnamkrieg beschäftigt. Eine psychologische Betrachtung des Krieges findet in dem kommerziellen Heldenepos "Force 10 from Navarone" nicht statt.

<Nachtrag1999>Weder die Kritiker noch die Kinogänger konnte der Film überzeugen. Knapp 11 Millionen Dollar kostete die Produktion, die weltweit dann nur 7,2 Millionen Dollar einspielte – was nichts ist gegen die rund 25 Millionen Dollar ist, die Die Kanonen von Navarone einspielte (bei damaligen Produktionskosten von 6 Millionen Dollar).</Nachtrag1999>

Wertung: 4 von 9 D-Mark
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