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Plakatmotiv: Die Nibelungen – Siegfrieds Tod (1924)

Eine große deutsche Sage
in einem großen Film

Titel Die Nibelungen: Siegfrieds Tod
Drehbuch Fritz Lang & Thea von Harbou
Regie Fritz Lang, Deutschland 1924
Darsteller

Paul Richter, Margarete Schön, Theodor Loos, Gertrud Arnold, Hanna Ralph, Hans Carl Mueller, Erwin Biswanger, Bernhard Goetzke, Hans Adalbert Schlettow, Hardy von Francois, Georg John, Frida Richard u.a.

Genre Abenteuer, Drama, Stummfilm
Filmlänge 149 Minuten
Deutschlandstart
14. Februar 1924
Inhalt

Als Siegfried, Sohn von König Sigmund, von der wunderschönen Kriemhild, Tochter des Nibelungenkönigs Gunter, erfährt, macht er sich auf den Weg nach Worms, um um ihre Hand anzuhalten. Unterwegs erschlägt er einen Drachen und badet in dessen Blut, wodurch er unverwundbar wird. Nur eine Stelle auf seiner Schulter, auf die ein Lindenblatt fiel, bleibt von dem Blut unberührt.

In Worms angekommen, muss er erst König Gunther helfen, mithilfe seiner Unverwundbarkeit, dem unübertrefflichen Schwert Balmung und der Tarnkappe, mit der er sich in Alles und Jeden verwandeln kann, die Amazone Brunhild zu erobern, bevor er sich mit Kriemhild vermählen darf.

Aber die ehrabschneidenden Machenschaften am Hofe zu Worms bleiben nicht unentdeckt. Plakatmotiv: Die Nibelungen – Siegfrieds Tod (1924) Brunhild stellt sich gegen Kriemhild, der die Herzen bei Hofe zufliegen, während ihr, der stolzen Kriegerin, alle mit Ablehnung begegnen; zudem hat Kriemhild den starken Helden Siegfried an ihrer Seite, während sie von König Gunther gelangweilt ist. Auf den Stufen zum Dom zu Worms kommt es zum offenen Streit der beiden Frauen, den Gunthers rechte Hand, der finstere Hagen von Tronje für sich zu nutzen weiß.

Er verkündet, dass eine große Jagd im Odenwald stattfinden wird und dass jeder Recke – so auch Siegfried – dazu eingeladen ist. Im Anschluss behauptet er vor Kriemhild, dass Krieg gegen die Burgunden drohe und die Jagd leicht zu einer Schlacht werden könne. Kriemhild macht sich nun Sorgen um Siegfried und nimmt Hagens Angebot Siegfried zu schützen gerne an. Dazu muss sie nur seine verwundbare Stelle auf seiner Kleidung markieren, sodass Hagen in der Schlacht seinen Schild darüber halten kann …

Was zu sagen wäre

Ich sehe den Film zum ersten Mal Anfang Oktober 2011, als eine vorzüglich restaurierte Fassung beider nun jeweils wieder zweieinhalb Stunden dauernden Teile auf dem TV-Sender "arte" ausgestrahlt werden – also 87 Jahre nach der deutschen Kinopremiere am 14. Februar 1924. Ich habe also bei meiner "Nibelungen"-Premiere schon Filme gesehen, die in der technischen Evolution viel entwickelter sind als Fritz Langs "Nibelungen": Star Wars, Terminator, Braveheart, Herr der Ringe. Und so könnte es leicht fallen, den tricktechnisch heute eher an die Augsburger Puppenkiste gemahnenden Drachen Fafnir, mit einem Schmunzeln abzutun.

Es fällt aber nicht leicht. Der feuerspeiende Drache muss zwar ohne digitale Perfektion auskommen. Aber er kann Sachen, Bewegungen, die Tricktechniker damals für den Film erfunden haben. In einer schweren Nacht träumt Kriemhild von einem Falken, der von zwei Adlern zerrissen wird; das zeigt Fritz Lang in einem wunderbar animierten Gemälde, Zeichentrick 13 Jahre vor vor Disneys Schneewittchen. Nach Siegfrieds Tod erinnert sich Kriemhild ihres Gatten, wie er jubilierend unter einem blühenden Baum steht. Plakatmotiv: Die Nibelungen – Siegfrieds Tod (1924) Dann wird das Bild dunkler, düsterer, der blühende Baum wandelt sich unmerklich in einen verfaulenden Totenschädel. Schon in diesem frühen Werk hat Fritz Lang gezeigt, dass Film für ihn mehr ist, als an einer Kamera zu kurbeln und Menschen beim stummem Schauspiel abzufilmen ("Die 1000 Augen des Dr. Mabuse – 1960; Das indische Grabmal – 1959; Der Tiger von Eschnapur – 1959; Gefährliche Begegnung – 1944; Western Union – Der Überfall der Ogalalla – 1941; Rache für Jesse James – 1940; M: Eine Stadt sucht einen Mörder – 1931; Metropolis – 1927; Die Nibelungen: Kriemhilds Rache – 1924; "Die Nibelungen: Siegfrieds Tod" – 1924; "Dr. Mabuse, der Spieler" – 1922).

In exakt komponierten Bildern und Kulissen, die sehr spezifisch die drei unterschiedlichen Handlungsorte – das kalte, wilde Nordland, die steinerne, menschenabweisende Burg zu Worms und den lebendigen, vielfältigen Wald des Siegfried – charakterisieren, entwirft er eine Gesellschaft im Endstadium, die an hohlen Machtansprüchen, leeren Intrigen und sexueller Geilheit zugrunde geht. Thea Harbou achtete im Drehbuch, das streng in Akte und Gesänge eingeteilt ist, vor allem auf eine klare Form. Das Frauen- und Männerbild der Sage aus dem Mittelalter und im Film von 1924 ist im Jahr 2011 am einfachsten aus akademischem Interesse nachzuempfinden, rational zu verstehen ist die dargestellte Frauenverachtung heute kaum noch. Andererseits zeigt Fritz Lang hier im Jahr 1924 Könige und Königinnen, die ihrer Potenz kaum Herr werden und andere Männer ihre Frauen begatten zu lassen – 30 Jahre, bevor in Hollywood die große Prüderie des Hays Code herrschen wird, bei dem nicht einmal mehr zwei nicht miteinander verheiratete Filmfiguren gemeinsam in einem Schlafzimmer gezeigt werden durften, egal, was die da machten.

Hier ist es der blonde, lebensbejahende und ein wenig naive Recke Siegfried, der Erzählungen über die schöne Kriemhild zum Anlass nimmt, diese Frau gleich mal heiraten zu wollen. Geht klar, dass deren Bruder Gunther, seines Zeichens Burgunderkönig zu Worms, der unbedingt Brunhild heiraten will, die aber nur einen Mann in ihr Bett lässt, der sie in drei Wettkämpfen besiegt. Dafür ist Gunther zu schwach, impotent. Also entjungfert sein neuer bester Freund, Siegfried in Tarnkappe, die wehrhafte Brunhild – eine lupenreine Vergewaltigung. Vordergründig geht es dabei immer um den Machterhalt im Reich: Plakatmotiv: Die Nibelungen – Siegfrieds Tod (1924) Der König muss eine Königin heiraten, um das eigene Reich abzusichern und zu vergrößern. Dabei darf er sich keine Blöße geben, um nicht vor den eigenen Leuten angreifbar zu werden. Denn die ziehen im Hintergrund ihre eigenen Fäden. Hagen Tronje etwa, ein in vielen Schlachten versehrter Krieger mit finsterem Blick aus nur noch einem Auge, Rasputinbart und gigantischem Flügelhelm. Er spinnt seine Fäden so, wie Jahrzehnte später der böse Kardinal in den zahlreichen Drei-Musketier-Verfilmungen. Hagen, der Finstere, ist aber nur eine Nebenfigur im Stück. Die beiden Männer im Zentrum sind Siegfried, den Paul Richter als strahlenden Helden mit jungenhaftem Charme spielt und der von Theodor Loos als kraft- und saftlos angelegte König Gunther. Beide in ihren jeweiligen Zwängen gefangen – der eine in seiner durch die körperliche Unbesiegbarkeit sorglos gewordenen Geisteshaltung, der andere in seiner Schwachheit. Als eigentliche Schurkin des Stücks inszeniert Lang die beinahe unbezwingbare Nordland-Königin Brunhild, die mit pechschwarzem Haar, motzigem Gesicht und mit schwarzem Kajal umrandeten Augen einen Zorn in die Welt spuckt, der zunächst kaum gerechtfertigt scheint; wie übel ihr mitgespielt worden ist sowohl beim großen Wettkampf als dann auch später in der Hochzeitsnacht, das erfährt sie ja erst viel später, als sie es von Neid auf die holde, blonde, glückliche Kriemhild schafft, sich mit der auf den Stufen des Wormser Doms auch noch zu verkrachen. Sie ist es, die als Sühne Siegfrieds Tod verlangt und dafür hinterher ihren schwachen Gatten Gunther auslacht, weil der seinen besten Freund nur wegen der Rachsucht einer Frau umgebracht hat. Am Ende des Mordkomplotts rauscht eine zornbebende Kriemhild aus dem Schloss ihres Bruders und schwört blutige Rache an Hagen Tronje und seinen Helfern.

Dabei hat Schuld an der Eskalation, wenn man es genau nimmt, einzig ein Mann, der schwache König Gunther, der seinen Laden nicht im Griff hat. Das war aber 1924 vielleicht denkbar, aber offenbar in einem Film nicht zu erzählen.

Wertung: 6 von 6 D-Mark
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